Digitalität, Umweltpolitik und jugendpolitisches Engagement

Kann Digitalität dem Gemeinwohl dienen? Das war die große Frage, auf die das „Zukunfts-Lab: GreenTech, Digitalität, Umweltpolitik & Ethik“ im Juli Antworten suchte. Etwa 30 Jugendliche diskutierten unter anderem über ethische Richtlinien für Technologisierung und Nachhaltigkeit sowie darüber, wie junge Menschen regional, in Deutschland, in Europa und weltweit mitgestalten können.

Digitalisierung ist nie neutral. Sie ist von Menschen gemacht und hat auf Menschen Auswirkungen. Julian Lamers (wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Medienethik an der Hochschule für Philosophie München) gab im Workshop „Nachhaltige Digitalisierung im Demokratie-Kontext“ einen Einblick in die politikwissenschaftlichen Aspekte der Digitalität. Lamers betonte, dass Digitalisierung an sich zunächst ein technischer Prozess und somit nicht per se politisch sei. Jedoch, so sagt er, würde jede neue Technologie auch neue individuelle und institutionelle Handlungsmöglichkeiten schaffen. In diesem Zusammenhang erläuterte er den Begriff der normativen Unsicherheit: Durch neue Handlungsmöglichkeiten treten auch immer neue ethische Fragen auf, die zu Unsicherheit in der Gesellschaft führen können. Darf ein Algorithmus über die berufliche Zukunft eines Menschen entscheiden? Wie viel Transparenz zum Wohle einer Gesellschaft ist einem Individuum zuzumuten? All diese Fragen sind Anzeichen für normative Unsicherheiten – und damit auch politisch.

So gibt es beispielsweise im Bundestag die Enquête-Kommission „Künstliche Intelligenz – gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche, soziale und ökologische Potenziale“, die sich mit technischen, rechtlichen, aber auch ethischen Fragen auseinandersetzt. Außerdem, so Lamers, habe sich die Digitalisierungsdebatte auf andere politische Debatten, wie den Ideologiekampf zwischen China und westlichen Ländern übertragen und sei damit selbst zu einer politischen Debatte geworden. Auch die Umsetzung der europäischen Digitalisierung ist ein politisches Streitthema und die Frage nach digitaler europäischer Unabhängigkeit wird laut. Aber nicht nur in der internationalen Staatenwelt ist Digitalität politisch. Auch innerhalb einzelner Länder zeigen sich neue gesellschaftliche Entwicklungen. So entstünden laut Lamers neue soziale Asymmetrien, wie beispielsweise die Unterscheidung zwischen den Menschen, die Zugang zu viel Wissen haben und denen, die nur Zugang zu wenig Wissen und Informationen haben.

Ist effektiver Klimaschutz nur mit Digitalität möglich?

Wie kann eine digitale Energiewende aussehen und welche Rolle spielen Verbraucherinnen und der Verbraucher hierin? In einem Online-Planspiel diskutierten die jungen Tagungsgäste in ihren jeweiligen Rollen die Vor- und Nachteile von Smart Homes. Hendrik Zimmermann (Referent für Energiewendeforschung und Digitale Transformation, Koordinator des Themenbereichs „Zukunftsfähige Digitalisierung” bei Germanwatch e.V.) hatte dieses Planspiel exklusiv für das Zukunfts-Lab konzipiert. Dazu wurden die Teilnehmenden in vier Gruppen eingeteilt, in denen sie jeweils unterschiedliche Szenarien erhielten und anhand dieser ihre Position in der folgenden Diskussion vorbereiteten. Wie viel Privatsphäre kann für effektiven Klimaschutz aufgegeben werden? Müssen für mehr Innovation alte Vorstellungen und Richtlinien überdacht werden? Kann ich als einzelne Nutzerin eines Smarthomes überhaupt etwas verändern?

In der Diskussion wurde deutlich, dass ein Ausgleich zwischen Klima- und Datenschutz wichtig ist und gefunden werden muss. Germanwatch e.V. ist der Ansicht, dass Smarthome Tools, wie zum Beispiel der „Smart Meter“ richtig seien, jedoch ihre Umsetzung optimierbar sei. Die NGO fordert, dass AGBs bei digitalen Leistungen interaktiver gestaltet werden sollten. Darüber hinaus sollten die Daten der Nutzerinnen und Nutzern standardmäßig geschützt sein. Die Option, sich innerhalb dieser interaktiven AGBs für weniger Datenschutz zu entscheiden, kann jedoch offengehalten werden. Die Konsumentinnen und Konsumenten müssten sich so aktiv für weniger Datenschutz entscheiden. Die Corona-App habe gezeigt, so Zimmermann, dass guter Datenschutz zu mehr Akzeptanz der jeweiligen Tools in der Bevölkerung führt. Aus diesem Grund ist er der Meinung, dass sich ein guter Datenschutz langfristig etablieren wird und nachhaltige Parameter im Fokus sein müssen.

Welche Ressourcen benötigen wir wirklich?

Ressourcen für technische Entwicklungen werden zumeist unter sehr schlechten Bedingungen abgebaut. Fragen der Ressourcengerechtigkeit und daraus entstehende globale Konflikte behandelten die Referentinnen Carolin Klein und Lara Nonhoff (beide Peer-to-Peer-Trainerinnen bei teamGLOBAL) im dritten Workshop der Tagung „Die dunkle Seite der Macht – Ressourcenkonflikte“. Water- und Landgrabbing, also das Abgraben von Wasser oder das Aufkaufen von Land durch Konzerne oder Staaten, können Auslöser für solche Konflikte sein. Einen besonderen Aspekt stellt der sogenannte Ressourcenfluch dar. Dieser beschreibt die Situation in ressourcenreichen Ländern, in denen sich dieser Reichtum negativ auf die Entwicklung des Landes auswirkt. In der Frage nach den Ursachen für den Ressourcenfluch kann es mehrere Gründe geben: Folgen der Kolonialisierung und Globalisierung, Einmischung von Großkonzernen oder auch die Preisdynamiken auf dem Weltmarkt. In ihrer Verantwortung als Konsumentinnen und Konsumenten wünschten sich die jungen Tagungsgäste in diesem Zusammenhang z.B. mehr Transparenz im Bereich der Herstellungsprozesse.

Digitalität als demokratisches Projekt – im Kontext Europa

Nathalie Mysliwczyk (Mentee im Zukunfts-Lab-Team und Joshua Steib (Jugendbotschafter der Evangelischen Akademie Tutzing) moderierten die abschließende offene Diskussions- und Fragerunde im virtuellen Plenum: Haben wir in Europa eine historische Verantwortung und sollten uns aus diesem Grund im Kampf um Ressourcen zurücknehmen? Können Demokratien mit der schnellen Entwicklung im Bereich der Digitalisierung mithalten? Welche Rolle spielt Europa bei der digitalen Entwicklung? Auch die Rolle der Europäischen Union und der europäischen Identität im Zusammenhang mit Digitalisierung war ein viel diskutiertes Thema. Es wurde deutlich, dass sich die EU mit der Datenschutzverordnung als Vorreiter auf diesem Gebiet etabliert hat und Einigungen auf europäischer Ebene immer bedeutend sind, da es viele strukturelle Hürden gibt, bis eine europäische Einigung steht. Auch die Frage, ob demokratische Systeme zu langsam für die Digitalisierung sind, wurde diskutiert. Hendrik Zimmermann betonte: „Es braucht die langsamen Prozesse der Demokratie, nur so gelingen Diskussionsprozesse“. Diese Diskussionsprozesse sind essenziell für demokratische Entscheidungen. Es ginge außerdem nicht darum, demokratische Prozesse an die Geschwindigkeit der Digitalisierung anzupassen, sondern es sollte überlegt werden, wie die Digitalisierung für die Zwecke der Gesellschaft genutzt werden könnten, so Zimmermann.

Jugendbeteiligung in der Tagungsarbeit

Das diesjährige Zukunfts-Lab fand in Form einer Videokonferenz als Onlinetagung statt. Bereits seit Oktober 2019 planten die 13 Jugendlichen des „Zukunfts-Lab“-Mentoringprogramms der Akademie mit Unterstützung von vier Fach-Coaches ihr Tagungsvorhaben. Die Mentoren und Mentorinnen des Zukunfts-Labs waren Frau Dr. Birgit Geiselbrechtinger von der Fraunhofer-Gesellschaft für angewandte Forschung, Dr. Robert Heininger von der Technischen Universität München, Frank Kittelberger von der Evangelischen Akademie Tutzing und Julia Wunderlich, Leiterin des Jungen Forums der Akademie.

Die Besonderheit des „Zukunft-Lab“-Mentoringprogramms ist der Fokus auf Jugendbeteiligung. Die Jugendlichen agieren als Tagungsteam: konzipieren, planen und begleiten die Tagung aktiv. So eröffneten die Tagung Dorothee Ulbricht und Marianne Stolte, zwei Schülerinnen aus dem Planungsteam. Nach einem kurzen Warm-Up startete der Hauptteil der Tagung, bei dem sich die Teilnehmenden der Tagung für einen von drei Workshops entscheiden konnten. Im Anschluss an die Workshops konnten alle Teilnehmenden sich untereinander und mit den Referierenden im Plenum austauschen.

Die Evangelische Akademie Tutzing und das ganze Zukunfts-Lab-Team bedanken sich für den informativen Input der Referierenden und die bereichernden und inspirierenden Diskussionen und Gespräche. Auch im nächsten Jahr wird das Zukunfts- Lab als Peer-to-Peer-Format stattfinden. Interessierte Jugendliche, die Teil des neuen Tagungsteams werden möchten, können sich bei der Studienleiterin Julia Wunderlich (wunderlich@ev-akademie-tutzing.de) melden.

Pina Vetter

Bild: Adobe Stock

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