Was soll aus Europa werden?

Sicherheitspolitik

„Menschen zu schützen, ist nicht nur eine Sache der Waffen“, sagte Staatsminister Michael Roth. Er gab darüber hinaus zu bedenken, dass sich neue Waffen wie etwa Cyberwaffen und Drohnen, bislang nicht in offiziellen Stellungnahmen und Abkommen wiederspiegeln würden. Hier müsse die Sicherheitspolitik unbedingt den Anschluss an die aktuellen Gegebenheiten finden.

Elmar Brok kritisierte den Zustand der deutschen Bundeswehr und die vielen Overhead-Kosten. Auf europäischer Ebene fordert er, Synergieeffekte zu verstärken und zu nutzen – sowohl hinsichtlich der Forschung und Entwicklung, aber auch hinsichtlich der Produktion. Was die Rüstungsproduktion angehe, müsse man kooperieren um weniger kleinteilig zu produzieren und Stückzahlen zu erhöhen. Bislang gebe es „zu viele Verkrustungen“. Die Folge sei eine Verschwendung von Steuergeld, weil auf europäischer Ebene zu wenig kooperiert werde. Er begrüßt das Anliegen der European Defence Agency (Koblenz), die Sicherheitspolitik schlanker machen möchte.

Einige der Forderungen für die Zukunft, die auf der Frühjahrstagung des Politischen Clubs 2019 geäußert wurden: 

Gesine Schwan
Sie fordert vor allem eine Stärkung des inneren Zusammenhalts, denn dieser bestimme das globale Handeln. Europa müsse sich außerdem mit dem Thema des europäischen Mindestlohns auseinandersetzen und „proportionale Standards“ festlegen. Dieser solle sich jeweils prozentual an dem Bruttosozialprodukt des jeweiligen Landes ausrichten. Unter anderem forderte Schwan auch die EU auf, sich mit den Themen gemeinsame Sicherheitspolitik und Verteidigungspolitik auseinanderzusetzen. Sie sieht es sowohl als sinnvoll als auch als Herausforderung an, eine gemeinsame Rüstungsproduktion anzustreben und zu weltweiten Krisenherden gemeinsame Positionen zu formulieren. Politisch gesehen fordert Schwan eine „Revitalisierung der Werte Demokratie und Partizipation“. Sie möchte damit Teilhabe an und Identifikation mit dem Projekt Europa stärken.
Als jemand, der sich mit dem universitären Betrieb auskennt, fordert Schwan eine Vereinheitlichung der EU-Förderprogramme und würde gerne Korruption mit Fördergeldern besser bekämpft wissen. Außerdem sollte der Verwaltungsaspekt bei der Beantragung von Fördergeldern drastisch reduziert werden. Bislang könnten nur Strukturen mit ausreichend Personal und Geld den Aufwand erbringen, Fördergelder zu beantragen.

Forderungen von Michael Roth
1. „Ein Europa der Tempomacherinnen und Tempomacher“: Roth hält jedoch nichts vom „Kerneuropa-Konzept“. Er ist gegen eine „Avantgarde der üblichen Verdächtigen“ und schlägt ein inkludierendes Konzept vor, das aus mehr als den sechs Gründerstaaten bestehen sollte.
2. Währungs- und Wirtschaftsunion: Es müssten „endlich die Geburtsfehler von Maastricht behoben“ werden, so Roth. Man benötige verbindliche Mindeststandards bei der Steuer- und Sozialpolitik. Er ist für eine/n europäische/n FinanzministerIn und SozialministerIn.
3. Persönlichen Horizont erweitern: Nicht nur den eigenen Freundeskreis pflegen, sondern auch ausbauen, sei das Gebot der Stunde. Nur durch Integration sei es gelungen, Frieden zu schaffen.
4. Partner einbeziehen, einander zuhören, hineinversetzen in den anderen: Roth plädiert für ein Europakonvent, in das BürgerInnen Vorschläge einbringen können. Es brauche verbindliche Foren! Darüber hinaus hält es er für unabdingbar, Problemfelder aus den unterschiedlichen Blickwinkeln der jeweiligen Länder zu betrachten (Beispiele: NordStream2, Handelspolitik, Schiedsgerichtsverfahren, historische Hintergründe der einzelnen Länder o.ä.)
5. Eigenen Prinzipien folgen, sich selbst treu bleiben und anständig miteinander umgehen: Roth vermisst den Charakter der Wertegemeinschaft. Er führt das Beispiel des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán ins Feld, der das Narrativ bedient, der Westen würde seinem Land andere Werte aufdrücken. Roth findet es sinnvoll, wenn alle Staaten eine Grundwerte-Debatte führten und sich darauf einigten. Dazu gehöre auch dringend eine Debatte über Rassismus und Geschlechtergerechtigkeit.
6. Erasmus-Programme für Auszubildende: Nicht nur Studierende sollten von dem Austauschprogramm profitieren dürfen, sondern auch Lehrberufe. Ein guter Austausch sei das beste Mittel gegen Nationalismus und Populismus.
7. „Vereinigte Staaten von Europa“: Roth ist für eine Versöhnung der Nationalstaaten, ähnlich einem föderalen Gebilde. Eine Europäische Republik lehnt er ab, er ist gegen eine Auflösung der Nationalstaaten.

Forderungen von Anna Cavazzini (Bündnis 90/Die Grünen-Politikerin, Kandidierende zur Europawahl 2019)
– Einheitliche Besteuerung innerhalb der EU: Sie möchte das Einstimmigkeitsprinzip bei großen Entscheidungen kippen.
– Mehr Transparenz bei Entscheidungen, vor allem im Europäischen Rat. Man müsse den „Lobbyisten-Dschungel entforsten“.

Forderungen von Michael Link MdB, (FDP, Sprecher für Europapolitik der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag, Obmann im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union im Bundestag)
– Vertreterzahl in der EU-Kommission auf 18 reduzieren.
– für eine „bundesstaatlich verfasste Europäische Union“
– für Mehrheitsentscheide in der Sicherheitspolitik

Dorothea Grass

 

In der untenstehenden Bildergalerie haben wir verschiedene Momente der Tagung eingefangen.

(Bilderquelle: haist/eat archiv)

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