„Sowas wie eine satirische ‚Sendung mit der Maus‘ für Erwachsene“

Sich vor Verwunderung die Augen reiben, Tränen vor Lachen vergießen – und dabei den Schauer spüren, der ob der Absurditäten des Polit-Alltags über den Rücken läuft. Politische Satire spitzt nicht nur zu und unterhält die Menschen, sie nimmt auch einen Bildungsauftrag wahr. Einer der Macher hinter den Kulissen ist Dietrich Krauß, Autor und Redakteur der ZDF-Sendung „Die Anstalt“. Im Herbst kommt er an die Evangelische Akademie Tutzing, um von seiner Arbeit und dem Hofnarrentum unserer Zeit zu erzählen. Akademiedirektor Udo Hahn hat ihm vorab schon einmal drei Fragen gestellt.

Herr Dr. Krauß, wie sind Sie zum Kabarett gekommen?

Das war vor Jahren, nein Jahrzehnten. Schuld waren der jugendliche Übermut und die Öde der Provinzheimatstadt nach dem Abitur. Im Crailsheim musste man sich 1985 als vorübergehend Daheimgebliebener selbst Unterhaltung verschaffen, also fing ich mit einem ehemaligen Mitschüler an, ein Bühnenprogramm schreiben, das sich sowohl an lokaler Politik wie an globalen Phänomenen abarbeitete. Wir hatten so viel Spaß am Spiel, dass wir die nächsten Jahre einfach nicht mehr runter sind von der Bühne.  Es folgten weitere Programme und Auszeichnungen – und finanzierten so nebenei auch noch unser Studium. Als ich meinen Job als Redakteur beim Fernsehen begann und die Kinder kamen, gab ich das lustige Tourleben nach und nach auf.  Jetzt bin ich mit der „Anstalt“ wieder ein bisschen zu den Ursprüngen zurückgekehrt: Als Mann hinter der Kabarettbühne , die aber dafür etwas größer ist.

Informative Satire wie „Die Anstalt“ boomt. Was ist die Ursache?

Das hat für mich viel mit dem Zustand bzw. der Wahrnehmung der klassischen Informationsmedien zu tun. Die klassische Arbeitsteilung war: Die Nachrichten liefern die Fakten, über die sich die Satire lustig macht. Heute präsentieren Satiresendungen oft selbst diese Fakten und Zusammenhänge, weil sie entweder in den Leitmedien nicht vorkommen oder vom Publikum in den Weiten des Internet mit seinen unzähligen Inforationsangeboten einfach nicht gefunden werden. In einer fragmentierten Öffentlichkeit können Kabarett und Satire nicht länger einen Wissenszusammenhang voraussetzen und sich damit begnügen, allseits bekannte Fakten zuspitzen. Oftmals muss das Publikum überhaupt erstmal auf einen gemeinsamen Stand der Dinge gebracht werden.

Interessanterweise stören sich die wenigsten an diesem erhöhten Informationsanteil in einer Unterhaltungssendung. Im Gegenteil haben wir es geschafft, dass eine altmodische Schultafel so etwas wie das Markenzeichen der Sendung geworden ist. Dass wir uns über eine Dreiviertelstunde vertieft einem Thema widmen und Dinge eher zeitgeschichtlich einordnen, verschafft vielen Zuschauern ein Aha-Erlebnis. Offenbar kommt diese Form von Überblickswissen in der aktualitätsgetriebenen Berichterstattung zu kurz. Wir füllen diese Lücke und sind für viele sowas wie eine satirische „Sendung mit der Maus“ für Erwachsene geworden.

Sind Kabarettisten die besseren Journalisten?

Nein, wir sind bei allem journalistischen Ehrgeiz vor allem Zweitverwerter von Informationen, die andere – Journalisten, Sachbuchautoren, Forscher – zusammengetragen haben: Unsere journalistische Leistung besteht darin, diese Vielzahl von Einzelinformationen zu einem Thema im Zusammenhang satirisch aufzubereiten und zu präsentieren: Szenisch unterhaltsam und trotzdem sachlich korrekt. Der Humor ist dabei so etwas wie die süße Glasur, die den oft bitteren Inhalt leichter konsumierbar macht. Da hat es die satirische Informationsvermittlung natürlich leichter als der ernsthafte Journalismus. Man darf ernste Dinge im unterhaltsamen Modus präsentieren statt sie in der Form nochmal zu verdoppeln. Trotzdem ist unsere Erfahrung nach fünf Jahren Anstalt: Der Spaß muss nicht aufgesetzt sein. Im Gegenteil hilft der satirische Ansatz oft zum Kern eines Themas vorzudringen und zu seinen zentralen Widersprüchen, in denen ja auch oft die besten Pointen schlummern. Man sagt ja nicht umsonst: Das ist der Witz an der Sache.

Die Fragen stellte Udo Hahn, Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing.

 

Hinweis:
Dr. Dietrich Krauß wird im Herbst Gast an der Evangelischen Akademie Tutzing sein. In der Veranstaltung „Die Anstalt – Politische Satire im Schloss“ zeigt die Akademie Ausgaben der Sendung und lädt im Anschluss daran zum Gespräch mit dem Autor Dietrich Krauß ein. Der Eintritt ist frei, um Anmeldung wird gebeten.

Veranstaltungsdaten:
28. Oktober / 26. November / 11. Dezember 2019, jeweils 19 Uhr

Weitere Informationen hier.

Bild: Dietrich Krauß, Autor und Redakteur der Sendung „Die Anstalt“. (Foto: ZDF/ Joachim E. Röttgers)

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