Nachruf auf Matthias Jena

Matthias Jena, Vorsitzender des DGB Bayern und Mitglied im Kuratorium der Evangelischen Akademie Tutzing, zeichnete so viel aus. Besonders seine Unabhängigkeit im Denken wird nun an vielen Stellen fehlen, schreibt Akademiedirektor Udo Hahn in seinem Nachruf.

Das Handwerkszeug für seine gesellschaftspolitische Arbeit hat Matthias Jena in der Evangelischen Jugend in Bayern (EJB) gelernt. Landesjugendkonvent und Landesjugendkammer, die Evangelische Jugend München – hier war er lange aktiv, auch Vorsitzender – sind seit jeher ein gutes Terrain, um zu lernen und einzuüben, wie Demokratie gestaltet werden kann. Fromm und politisch, für Jena ging das zusammen. Die biblische Ermunterung, der Stadt Bestes zu suchen (Jeremia 29,9) – er hatte es verinnerlicht. Und er hat es mit Leben erfüllt. Gerade sechzig Jahre alt geworden, ist er am 29. Juni nach schwerer Krankheit gestorben.

Mathias Jena gehörte Anfang der 1980er Jahren zu den herausragenden Köpfen der EJB. Man muss ihn in einem Atemzug nennen mit Gerhard Engel, damals Vorsitzender der Landesjugendkammer und später Präsident des Bayerischen Jugendrings, und mit Karlheinz Brandenburg, damals Vorsitzender des Landesjugendkonvents und als Elektrotechniker, Mathematiker und Lehrstuhlinhaber Miterfinder des mp3-Verfahrens. Drei Persönlichkeiten, an denen sichtbar wurde, wie die evangelische Jugendarbeit Menschen vorbereitet und motiviert, Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen.

In München geboren und in Würzburg aufgewachsen, studierte er zunächst Sozialpädagogik sowie im Anschluss Politische Wissenschaften, Psychologie und Evangelische Theologie. Er war zunächst Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Deutschen Bundestag und Büroleiter des SPD-Landesvorsitzenden, Dr. Rudolf Schöfberger. Ab 1991 wechselte er zum Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Seine Karriere in Bayern führte ihn nach zahlreichen Stationen auf die Leitungsposition: 2010 wurde er Vorsitzender des DGB-Bayern.

Ehrenamtlich engagierte er sich nicht nur in der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, sondern auch als Mitglied des Kuratoriums der Evangelischen Akademie Tutzing.

In seinem beruflichen wie ehrenamtlichen Engagement hat Matthias Jena einen eigenen Stil eingebracht und den typischen Klischees von Verbandfunktionären nie entsprochen. Fachlich versiert, verfügte er darüber hinaus über eine Allgemeinbildung, die manchen Verantwortlichen fehlt, die ihn umso mehr zu einem geschätzten Gesprächspartner machte. In seinem Auftreten war er immer verbindlich. Jena war in der klassischen Musik zu Hause und für die musikalisch-theologische Deutung der Matthäus-Passion hatte er eine Vorliebe.

Apropos Theologie: In einer Kanzelrede, die er am 11. März 2012 hielt – die Akademie und ihr Freundeskreis veranstalten sie regelmäßig in der Erlöser-Kirche in München –, hat er mit einer Auslegung des Gleichnisses von den Arbeitern im Weinberg (Matthäus 20,1-16) einen Maßstab gesetzt: als politische Rede herausragend – und als Predigt zu Herzen gehend. Mit dieser Kompetenz ist er vielen Theologinnen und Theologen voraus.

Was spricht gegen eine Mindestnorm beim Lohn, fragte Matthias Jena in seiner Kanzelrede und antwortete: “Nichts! Neben der Verbesserung der materiellen Bedingungen für die Betroffenen geht es auch um eine ‘Politik des Respekts’ in der Arbeitswelt. Vom Lohn sollen die Beschäftigten einigermaßen vernünftig leben können.” Eine Selbstverständlichkeit, eigentlich, die erst noch eingelöst werden muss.

Im RotundeTalk der Akademie forderte Matthias Jena mehr Gehalt für schlecht verdienende Berufstätige in systemrelevanten Sektoren. Die Coronakrise habe gezeigt, dass nicht etwa der gut verdienende Manager die Gesellschaft am Laufen halte, sondern die Mitarbeitenden in der Pflege, die “nicht anständig” verdienen. Er kritisierte auch die Umwandlung von Krankenhäusern in Profitcenter. Es sei ihre Aufgabe, Menschen zu helfen. Polizei und Feuerwehr machten auch keinen Gewinn. Und zum Thema Mindestlohn: “Wer die ganze Woche arbeitet, muss davon leben können.” Von der Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens war er dagegen nicht überzeugt. Sie sei schlicht nicht zu finanzieren. Und von 1.000 Euro im Monat könne man auch nicht gut leben.

Ungewöhnliche Töne – für einen Gewerkschafter! Genau das zeichnete ihn aus: seine Unabhängigkeit im Denken. Das machte ihn zum begehrten Gesprächspartner, der jetzt an so vielen Stellen fehlt.

Udo Hahn

Der Autor leitet die Evangelische Akademie Tutzing.

Bild: Matthias Jena bei seinem letzten Besuch in der Evangelischen Akademie Tutzing – zum Rotunde Talk im Juni 2020 (Foto: ma/eat archiv)

 

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