“Gutes Geld” – wie kann das konkret aussehen?

Am 25.09.2020 lud das Evangelische Bildungswerk Regensburg zusammen mit der Evangelischen Akademie Tutzing zu einem Nachmittag des “guten Geldes” ein. Diese Veranstaltung drehte sich um die Leitfrage,  inwiefern Geld mehr als Materielles sein und das Richtige bewirken könne. Im Bericht von Studienleiter Martin Waßink lesen Sie die Einzelheiten.

Das Thema Geld verbinden viele Menschen eher mit negativen Emotionen – aus der Kindheit haben wir wohl eher Erinnerungen und Erfahrungen von Mangel und Verzicht. Umso wichtiger war es uns als veranstaltende, kirchliche Bildungswerke, eine positive Perspektive einzunehmen und nach dem Sinn und den Gestaltungsmöglichkeiten beim Umgang mit Geld zu fragen: Wie gehen Kirche als Institution aber auch die Wirtschaft oder gemeinnützige Initiativen verantwortlich mit Geld um? Auch uns als Anlegerinnen und Anleger betrifft das Thema beim Sparen: Wie können, ganz konkret, ethisch-nachhaltige Entscheidungen bei der Geldanlage aussehen?

Dr. Carsten Lenk, Geschäftsführer des Evangelischen Bildungswerk Regensburg (EBW) begrüßte die virtuellen und persönlichen Gäste zu dieser Hybrid-Veranstaltung und gab einige technische sowie organisatorische Hinweise zum Ablauf. Martin Waßink dankte für die Evangelische Akademie Tutzing dem EBW Regensburg und Herrn Dr. Lenk für die Gastfreundschaft und vorzügliche Organisation, um auch unter Corona-Bedingungen diese Kooperationsveranstaltung durchführen zu können. Anschließend stellte er kurz den ersten Referierenden, Herrn Ulrich Lohrer vor und übergab das Wort:

Ulrich Lohrer, freier Wirtschaftsjournalist u.a. für Handelsblatt und die Wirtschaftswoche und seit langem als Trainer für Verbraucherbildung als Referent gefragt, ging zunächst auf die kulturellen und religiösen Wurzeln beim Umgang mit Geld ein. Sowohl im Christentum, als auch im Judentum und dem Buddhismus ( “5. Pfad – rechter Lebenserwerb”) finden sich Bezüge für einen rechtschaffenem Umgang mit dem Zaster: Der  Handel mit Waffen oder Lebewesen, sowie mit Rauschmittel und Giften war somit ausgeschlossen. Für die schrittweise Entwicklung moderner Investmentansätze war auch der Methodistengründer John Wesle entscheidend, der in seinem Buch “The Use of Money” wichtige ethische Verhaltensregeln vorgab.

Anschließend ging er auf die verschiedenen Definitionsmöglichkeiten für nachhaltige Investments heutzutage ein. Während die sogenannten ESG-Kriterien, die sich sowohl auf Umweltkriterien, wie Wasser- und Energieverbrauch sowie auf weniger messbare soziale Kriterien wie Arbeitnehmerrechte und Arbeitnehmerschutz beziehen, gehen die sogenannten “Social Responsibility Investments (SRI)”-Kriterien weiter und schließen etliche Geschäftsfelder als Anlageziele aus.

Lohrer stellte den staatliche Norwegischen Pensionsfonds, der 1990 gegründet wurde, als Paradebeispiel für eine strikt nachhaltige Anlagepolitik, vor. Erkennbar sei in Umfragen der Unterschied zwischen institutionellen Investoren und Privatinvestoren bei der Gewichtung ethischer Kriterien: Investoren priorisieren das Vermeiden von Korruption während bei Privatinvestoren Klimaschutz ganz oben steht. Da private Investoren insgesamt nur über einen Bruchteil des Anlagekapitals an den Finanzmärkten verfügten, habe die Präferenz für Klimaschutz weniger Gewicht es möglich sei.

Eine für Privatanlegerinnen und Anleger geeignete Anlageklasse bzw. Anlageform seien Investments in nachhaltige Indizes. Diese bestehen aus als nachhaltig bewerteten Aktien via Indexfonds (ETFs). Auswertungen über längere Zeiträume ergäben, dass sich sogar mehr Rendite mit nachhaltigen Fonds als mit herkömmlichen aktiv verwalteten Fonds mit jährlichen Verwaltungsgebühren um 1,5 Prozent erzielen ließen.

In einem zweiten Vortrag wurde eine mögliche Geldanlage für Privatanlegerinnen und Anleger über eine gemeinnütziger Vereinsstruktur detailliert vorgestellt.

Eva Bahner, Referentin bei der international tätigen Oikokredit e.V., stellte diese im Jahre 1975 gegründete Genossenschaft zur Vergabe von Kleinstkrediten mit dem Leitsatz vor: “Wir meinen, dass finanzieller Ertrag Hand in Hand mit sozialen und ökologischen Zielen gehen muss.” Sie stellte die Frage, ob Nachhaltigkeit ein Feigenblatt oder Herzstück bei Anlageentscheidungen und Kreditvergabe sei.

Für Oikokredit e.V. stehe Nachhaltigkeit im Zentrum, der Finanzmarkt müsse sich einfügen. Nachhaltigkeit äußere sich darin, Umweltaspektes, werteorientiertes Management und faire Produktionsbedingungen zu beachten. Oikokredit sehe für sich sowohl eine soziale Aufgabe aber auch eine Verpflichtung gegenüber den Geldgebern als Investoren. So werde nicht jedes in Frage kommende Projekt auch unterstützt, sondern eine kostendeckende Arbeit als Anspruch gesehen: “Die Möglichkeit ohne Geld zu leben ist sehr schön, funktioniert aber in keinem Teil der Welt”, so Eva Bahner.

Der Fokus von Oikokredit liege auf unterversorgten, abgelegenen Regionen abseits großer Städte. Dies führe zu einer kostenintensiven Struktur der Kreditvergabe, denn Mitarbeiter von Oikokredit kommen direkt zu den potenziellen Kundinnen und Kunden: So werden derzeit kleine Genossenschaften der Alpaka-Wollproduktion in den Hochebenen von Bolivien finanziert, genauso wie eine kleine Milchtierfarm in Uganda mit artgerechter Haltung. Die Beratung zu entsprechenden Melkmethoden finanziert Oikokredit als Fortbildungen im Rahmen der Kredite. Als weiteren Arbeitsbereich nannte Bahner die Erntevorfinanzierung als eines der wichtigsten Mittel zur Stärkung der Partner: “Ein guter Preis für Euch heißt, dass ihr länger über die Runden kommt.” Oikokredit e.V. biete eine Möglichkeit mit extrem schwankenden Preisen zurechtkommen zu müssen. Der Schwerpunkt der Kreditvergabe sei Landwirtschaft zusammen mit sogenannten Heim-Solaranlagen zur Energieproduktion eines Haushalts: Jährlich sterben weltweit etwa vier Millionen Menschen an häuslicher Luftverunreinigung. Durch eine Solaranlage verringern sich ferner Kosten für Diesel oder Kerosin.

Weltweit hat Oikokredit e.V. derzeit eine Kreditsumme von einer Milliarde Euro vergeben. Es sei für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes wichtig, gute Beispiele im eigenen Land zu sehen und festzustellen: “Es geht was!”, resümierte Eva Bahner den Anspruch an Entwicklungszusammenarbeit.

Der Großteil der Kundinnen, etwa 60 bis 70 Prozent sind Analphabetinnen: So erfolge die für die Kreditvergabe nötige finanzielle Grundbildung speziell über Bildsprache, nicht über Kleingedrucktes. Die Arbeit von Oikokredit sei oft einzige Möglichkeit, damit auch gesellschaftliche Randgruppen Zugang zu Geld als Kredit bekämen.

Die vergebenen Kleinstkredite sorgen für großes Selbstbewusstsein, gerade wenn eine Kreditzahlung in Form einer Plastiktüte voll Geld erfolge. Nach mehreren Kreditzyklen haben Frauen den Mut, sich in Kommunalparlamente wählen zu lassen und sich zu engagieren weil sie die Erfahrung von  Selbstwirksamkeit gemacht hätten. Auf den Punkt brachte das, laut Frau Bahner, eine Kreditnehmerin mal mit den Worten in Richtung Hilfsorganisationen in Industrieländern: “Eure Barmherzigkeit könnt ihr euch sparen, wenn ihr uns faire Preise bezahlt”.

An dieser Idee können wir hier in einem entwickelten Land konkret beteiligen: Jede und jeder kann sich Genossenschaftsanteile ab 200 Euro erwerben, Kredite in Entwicklungs- und Schwellenländern zur Verfügung stellen und einmal jährlich in der Genossenschaftsversammlung über die Höhe der Gewinnausschüttung entscheiden. Diese betrug in den vergangenen Jahren zwischen ein und zwei Prozent. Für 2019 beschloss die Genossenschaftsversammlung auf die Ausschüttung zu verzichten, um während der Corona-Pandemie entstandenen Einnahmeverluste ihrer Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer aufzufangen.

Den Nachmittag des “guten Geldes” beschloss Martin Waßink, Studienleiter an der Evangelischen Akademie Tutzing mit einem prüfenden Blick auf kirchliches und unternehmerisches nachhaltiges Handeln: Er verwies auf einige Mut machende Initiativen wie den Klimaappell von 68 Vorstandsvorsitzenden in der Hochphase der Corona-Krise, der die politischen Entscheidungsträger aufforderte, an anspruchsvollen Klimazielen und entsprechenden Maßnahmen wie dem CO2-Preis festzuhalten. Die Glaubwürdigkeit solcher öffentlichkeitswirksamer Maßnahmen müsse aber immer kritisch hinterfragt werden, da zum Beispiel die Deutsche Post AG die Produktion der klimafreundlichen E-Scooter für die Paketauslieferung eingestellt habe, und trotzdem ein Vertreter der DHL Group als Tochterunternehmer eben jenen Appell mit unterzeichnete. Auch von kirchlichen Institutionen geben es vielversprechende Ansätze, die Rücklagen für spätere Pensionsverpflichtungen ethisch-nachhaltig zu gestalten. Gerade die Evangelisch-Lutherische Landeskirche in Bayern habe schon vor zehn Jahren ausführliche Vorgaben zur Bewertung verschiedener Anlageklassen zum verantwortungsbewussten Umgang mit Geld in Form eines Leitfadens enthalten. Daran orientieren sich auch weitere kirchliche Stiftungen und eine aktualisierte Version von 2019 sei über den Arbeitskreis Kirchlicher Investoren (AKI) e.V. auch der Öffentlichkeit zugänglich.

In der Fragerunde wurde der Anspruch spürbar, dass dieses Themenfeld weitere Fragen aufwirft, die zum Beispiel der Wochendtagung “Grünes Kapital? Investment auf dem ethischen Prüfstand” vom 30.10. bis 01.11.2020 an der Evangelischen Akademie Tutzing [weitere Infos hier] diskutiert werden sollen.

Martin Waßink
Studienleiter für Wirtschaft, Arbeitswelt und Nachhaltige Entwicklung

Bild: Martin Waßink während seiner hybriden Veranstaltung “Ein Nachmittag des guten Geldes” am 25.9.2020 (eat archiv)

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