Equal Pay Day: Wenn Geld ein Geschlecht hat

“Hat Geld ein Geschlecht?” – diese Frage stellte unsere gleichnamige Tagung im Februar. In Kooperation mit dem Equal Pay Day, dem internationalen Aktionstag zur Lohnungerechtigkeit von Frauen und Männern am 10. März 2021, machte sich Studienleiter Martin Waßink gemeinsam mit den Referierenden auf die Suche nach Antworten auf die finanzielle Geschlechterfrage – sowie den Lösungsszenarien. Ein Tagungsbericht.

“Ein Mann ist keine Altersvorsorge!” Mit dieser Botschaft der bekannten Finanzexpertin Helma Sick eröffnete Dr. Ulrike Haerendel mit ihrem Vortrag über die Historie deutscher Geschlechterpolitik und Altersvorsorge die Online-Tagung “Hat Geld ein Geschlecht?” vom 26. bis 28. Februar 2021. Sie nahm die Teilnehmenden mit auf eine Reise durch die deutsche Geschichte der Gender Pay Gaps und den unterschätzten Gender Pension Gaps, die bis in das Kaiserreich unter Bismarck in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückreicht. Haerendel zeigte auf, dass sich bis heute erschreckende Parallelen bei der ungleichen Bezahlung von Männern und Frauen mit allen ihren gesellschaftlichen Folgen zeigen. Gerade da in der Kaiserzeit der militärische Versorgungsgedanke vorherrschte, der die arbeitende Bevölkerung begünstigte, gelang es nicht, die Staatsbürgerversorgung zu erreichen, die Bismarck eigentlich anstrebte. Gerade Frauen traten erst dann ins Blickfeld der Sozialversicherung, wenn sie Witwen wurden. Die Gründe hierfür waren vielfältig: Frauen arbeiteten damals eher Teilzeit und in niedrigen Beitragsklassen – die beste Bezahlung war den körperlich schweren Tätigkeiten vorbehalten, die in aller Regel von Männern ausgeübt wurden. Außerdem waren Frauen häufig als “Mithelfende” in den Betrieben ihrer Männer oder den Haushalten aktiv, arbeiteten also informell ohne Entgelt. Zu alledem wurde bei der Heirat der so genannte Mitgiftparagraph oft genutzt, der es ermöglichte, sich von der staatlichen Rentenkasse die erworbenen Rentenansprüche auszahlen zu lassen und dann gegebenenfalls im Alter ohne Rentenansprüche dazustehen.

Forderung nach politischen Veränderungen im Niedriglohnsektor

Nach der auf andere Weise diskriminierenden Scheinvergünstigung in Form einer Hausfrauenversicherung in der NS-Zeit – “Volksfremde” wie Juden waren von der Volksfürsorge ausgeschlossen – änderte sich erst in den 1970er und 1980er Jahren die systematische Ungleichbehandlung spürbar: Der Mitgiftparagraph wurde endgültig abgeschafft, Kindererziehungszeiten wurden Stück für Stück rechtlich honoriert, es gab keinen vorzeitigen Ruhestand der Frauen mehr und schließlich wurde das Rentenalter zwischen Frauen und Männern vollständig angeglichen.

Trotz aller Angleichung, schloss Dr. Ulrike Haerendel ihren Vortrag, sei es derzeit vor allem die zweite und dritte Säule der Altersvorsorge, die die Ungleichheiten zementierten: Nutze eine Frau beispielsweise die betriebliche Altersvorsorge in Form der Entgeltumwandlung, vermindere sich die für die Berechnung der Rentenpunkte relevante Bemessungsgrenze des Bruttogehalts. Zudem fordert Dr. Haerendel politische Veränderungen im Niedriglohnsektor herbeizuführen, der von Frauen dominiert sei, sowie Maßnahmen zur Verlängerung der Erwerbsphase von Frauen. Als entscheidenden Schritt sieht sie bessere Vereinbarungsmöglichkeiten von Familie und Beruf innerhalb einer Partnerschaft: Teilzeitarbeit dürfe kein Frauenthema bleiben!

Gleichberechtigung – auch hinsichtlich Care-Arbeit

Auf eine psychologische Falle deutete Dr. Birgit Happel hin, die davor warnte die Lohnsteuerklassen bei unterschiedlichem Einkommen in einer Partnerschaft mit der Paarung Klasse III und V aufzuteilen. Psychologisch gesehen erscheine auf dem Kontoauszug die Arbeit aufgrund des deutlich geringeren Nettoeinkommens in der Klasse V als weniger wert. Meist seien es eben die Frauen, die sich steuerlich hier einsortierten. Sie forderte die Selbstverständlichkeit der Aufgabenteilung und eine gleichberechtigte Rollenverteilung in der Care-Arbeit ein: “Ohne Care-Arbeit gibt es keine Menschen, ohne Menschen gibt es keine Wirtschaft.” Dr. Happel fragte provokant, ob es denn Zufall sei, dass Männer im Durchschnitt pro Woche 90 Minuten weniger an Care-Arbeit leisten, also im Umfang der Dauer eines Fußballspiel? Ein Ausweg aus diesem Ungleichgewicht der Care Arbeit sei die faire Aufteilung des damit verbundenen “Mental Loads”. So sei beispielsweise ihr Mann in allen WhatsApp-Gruppen der Schule ihrer Kinder. Nur in Ausnahmefällen beziehe er sie in die oft nervigen Diskussionen mit ein. Das seien zwar kleine, aber wichtige Schritte für Frauen. In der Gesellschaft müssen sich Glaubenssätze ändern, was dann zu anderen Gesetzen und weniger Druck auf Frauen führe.

Wie erfolgreich Frauen gerade auch im Wirtschaftsleben sein können zeigten Dr. Mariana Bozesan, ausgezeichnet als “female investor of the year 2019”, und anschließend Dr. Marie-Luise Meinhold. Frau Meinhold vom gemeinnützigen Verein “Geld mit Sinn e.V.” untermauerte die These, dass der weibliche Teamplayergedanke nicht nur sozialen und ökologischen Zielen besser diene, sondern sich auch in barer Münze auszahle: Sie zitierte eine Studie der Boston Consulting Group nach der Risikokapitalinvestorinnen für jeden investierten Dollar 78 Cent an Ertrag erwirtschafteten, während ihre männlichen Pendants nur bei 31 Cent im Schnitt landeten.

Alleinerziehend + prekär = braucht Finanzbildung

Diese Erfolgsgeschichten dürfen aber den Blick für die sozialen Schieflagen und Probleme vieler Alleinerziehender nicht verstellen. Dr. Sally Peters stellte als beteiligte Forscherin die Studie “Guter Umgang mit Geld, Finanzielle Kompetenz für alleinerziehende Frauen in prekären Lebenslagen” vor. In den letzten Jahren nehme der Anteil alleinerziehender Elternteile zu (von 14 Prozent in 1997 auf 19 Prozent im Jahr 2017), wobei der Anteil von Frauen deutlich größer als von Männern sei. Einhergehend damit drehe sich alles um knappe finanzielle Ressourcen. Zu den belastenden, bürokratischen Hürden mit komplizierten Formularen für das Elterngeld und unterschiedlichen Anlaufstellen für andere Sozialleistungen kämen Schuldgefühle, Angst und Minderwertigkeitsgefühle hinzu, wenn man das alleine nicht schaffe. Hier müsse finanzielle Bildung neue Wege gehen, kostenfrei möglich sein und sich in die Lebenswelt von alleinerziehenden Frauen geschickt integrieren lassen. Es brauche auch ganzheitliche Beratung mit einem Bewusstsein auf allen Seiten, auch bei den Beraterinnen und Beratern. Am Abschlusstag zeigten Ekaterina Hermann und Jakob Risse wie mit kurzweiligen Lernvideos geschlechterspezifische Stereotype (“Shopping Queen”, “Zocker”) abgebaut werden können, wenn es digitale Lernräume gibt, wo sich Heranwachsende nicht mit ihrer Peer-Group vergleichen müssten, sondern ihre ersten Finanzentscheidungen selbst in die Hand nehmen könnten.

Martin Waßink, Mitarbeit: Rosalie Knill, Hanna Kilian

(Aktualisierte Version vom 24.3.2021)

Weiterführende Links:

https://www.equalpayday.de/startseite/

https://www.iff-hamburg.de/2020/11/16/iff-veroeffentlicht-abschlussbericht-zum-forschungsprojekt-guter-umgang-mit-geld-finanzielle-kompetenz-fuer-alleinerziehende-frauen-in-prekaeren-lebenslagen/

 

Bild: Screenshot aus der Online-Tagung vom 26.-28.2.2021 (eat archiv)

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