Geschichten, Zwischentöne und Musik: Gerhard Schöne in Tutzing

„Ich öffne die Tür weit am Abend“ war der Titel des Konzerts, das der bekannte Liedermacher gemeinsam mit dem Saxofonisten Ralf Benschu und dem Organisten Jens Goldhardt am vergangenen Samstag in der Evangelischen Akademie Tutzing gab. Es war ein Abend voller unentdeckter musikalischer Schätze und Worte, die unter die Haut gingen.

Eine ganz besondere Mischung bezauberte am Samstagabend den voll besetzten Musiksaal von Schloss Tutzing: Orgelkantaten von Johann Sebastian Bach, ins Deutsche adaptierte Stücke von Mikis Theodorakis, Saxofon- und Gitarrenklänge, weltliche und geistliche Lieder, Auszüge aus Albert Schweizers Buch „Ehrfurcht vor dem Leben“, Choräle und Klassiker des Liedermachers Gerhard Schöne. Mittendrin die Stimme Schönes, die auch nach vierzig Jahren im Musikgeschäft nicht gealtert zu sein scheint und dessen feinsinnige Liedtexte, die die Zuhörer mitrissen.

Gerhard Schöne war zu DDR-Zeiten in unendlich vielen Kinderzimmern zu Hause. Nach der Wiedervereinigung kamen Lieder wie „Jule wäscht sich nie“, „Der Popel“ oder „Das Lumpengespenst“ auch aus den Lautsprechern gesamtdeutscher Kinderkassettenrekorder und CD-Player. Doch wer Schöne nur auf seine Kinderlieder reduziert, wird ihm bei weitem nicht gerecht. Der MDR bezeichnete ihn einmal als „leisen Rebell“, er selbst sieht sich als „singenden Erzähler“. Zwischen diesen beiden Rollenzuschreibungen hat er singend und Gitarre spielend seit Beginn der 1980er Jahre Gesellschaftskritik geübt, Haltung bezogen und aus seiner christlichen Prägung keinen Hehl gemacht. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass er als Künstler in der DDR millionenfach Platten verkaufte, zu Konzerten ins westliche Ausland reisen durfte und sogar noch 1989 mit dem Nationalpreis der DDR geehrt wurde. Heute gehört er zu den ganz wenigen aus der Gilde ostdeutscher Liedermacher, deren Popularität die politischen Turbulenzen der 1990er Jahre ungebrochen überstanden hat.

Gleich zu Beginn knüpfte Gerhard Schöne an das Thema der Tagung an, zu der der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse in die Evangelische Akademie Tutzing eingeladen hatte: „30 Jahre friedliche Revolution … in Erinnerung, in Kritik und Debatte heute“. Gerhard Schöne erinnerte sich daran, wie es unter DDR-Bürgern mit Ausreiseantrag zum Erkennungszeichen wurde, ein weißes Bändchen an die Antenne des eigenen Autos zu binden. Er selbst schrieb darauf das Lied „Das weiße Band“, das er als Einstieg in den Abend wählte. Schöne singt darin von seiner Trauer über den Verlust derer, die kapitulieren und fragt, welche Bänder man noch hissen könne: schwarz, grau, rot oder grün? „Vielleicht knüpf ich noch ein grünes Band. Wie find’st du das? So ein verwegenes, kühnes, wie das Unkraut, das Gras. Grün kann Hoffnung anstiften, lässt sich nie ganz vergiften.
Quillt aus Ritzen und Mauern, wird sie einst überdauern. Es blüht auf und vermehrt sich.
Ja es wuchert und wehrt sich. Es tut meinen Augen so gut, und macht wieder Mut!“

Für das Konzert im voll besetzten Musiksaal von Schloss Tutzing war er mit zwei weiteren Musikern angereist: dem Saxofonisten Ralf Benschu und dem Organisten Jens Goldhardt. Benschu studierte Klarinette und Saxofon, bevor er in den 1990er Jahren als Mitglied der Rockmusikband „Keimzeit“ bekannt wurde. 2008 verließ er die Band und ist seitdem mit eigenen Musikprojekten unterwegs – unter anderem mit Jens Goldhardt an der Orgel. Goldhardt ist Kirchenmusikdirektor im Kirchenkreis Gotha sowie Probsteikantor des Sprengels Eisenach-Erfurt.

Zu dritt stimmten die Künstler am Ende ihres anderthalbstündigen Konzerts den bekannten Kanon „Dona nobis pacem“ mit dem Publikum an. „Gib uns Frieden“ ist nicht nur eine Erinnerung an die friedliche Revolution in der DDR vor 30 Jahren, sondern auch eine Botschaft an die heutige Zeit. Und so klang das Konzert auch über den Abend hinaus in den Köpfen des Publikums weiter.

Dorothea Grass

Bild: Gerhard Schöne (Foto: Haist/eat archiv)

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