Expertentagung über die Zukunft der Evangelischen Publizistik

Auf unserer Tagung “Evangelische Publizistik – wohin?” kamen vom 28. Februar bis 1. März Medienexpertinnen und -experten in der Evangelischen Akademie Tutzing zusammen, um über die Zukunft der Evangelischen Publizistik zu diskutieren. Sie sind sich einig: Wo evangelischer Journalismus draufsteht, muss evangelischer Journalismus drin sein.

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Experten aus ganz Deutschland haben in Tutzing über die Bedeutung der Evangelischen Publizistik diskutiert. Der christliche Blick auf die Welt sei in der Gesellschaft weiter gefragt, auch wenn die Kirche als Institution an Größe und Rückhalt verliere, sagte der Chefredakteur der Zentralredaktion der Nachrichtenagentur “Evangelischer Pressedienst” (epd), Karsten Frerichs, bei der Tagung “Evangelische Publizistik – wohin?” in der Evangelischen Akademie Tutzing.

Die Evangelische Kirche leiste mit den von ihr getragenen Medien einen gesellschaftsdiakonischen Beitrag zum gelingenden Zusammenleben – “ja, zu nichts weniger als dem Schutz der Demokratie”, sagte Frerichs weiter. Zugleich warnte er davor, professionelle journalistische Standards nur zu imitieren, um Öffentlichkeitsarbeit und Institutionenkommunikation unter dem Deckmantel des Journalismus zu betreiben.

“Wo evangelischer Journalismus draufsteht, muss evangelischer Journalismus drin sein! Und von seiner Funktion her ist und bleibt Journalismus untrennbar mit dem Adjektiv ‘unabhängig’ verbunden”, betonte Frerichs. Mit einer Imitation von Journalismus würde die evangelische Kirche ihren gesellschaftsdiakonischen Auftrag verfehlen.

Theologe Körtner: Evangelische Publizistik muss unerschrocken sein

Der Wiener Theologe Ulrich Körtner beschrieb auf der Tagung eine eigenständige evangelische Publizistik als “innere Konsequenz des Evangeliums der Freiheit”. Sie stärke im besten Fall das Priestertum aller Getauften, wenn sie die Meinungsbildung der Kirchenmitglieder über Entwicklungen und Themen in Kirche und Gesellschaft fördert, so Körtner. Zugleich erfülle sie aber auch “eine unverzichtbare Aufgabe für die zunehmend säkulare Gesellschaft”, in der das Wissen über Religion, Christentum und Kirchen schwinde.

Evangelische Publizistik sei nicht mit kirchenamtlicher Pressearbeit zu verwechseln, betonte der evangelische Theologe. Unerschrockenheit sei für sie unerlässlich, “auch gegenüber Kirchenleitungen”. Grundlegende Tugenden einer vom Evangelium der Freiheit geleiteten Medienarbeit seien Wahrheitsliebe, Kritikfähigkeit und Freimut.

Der Präsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Hans Ulrich Anke, machte sich dafür stark, die Kräfte in der kirchlichen Kommunikation zu bündeln. Mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit sei dies “längst schon überfällig”. Bislang fehle es an verbindlicher Steuerung, sagte Anke angesichts der föderalen Struktur im deutschen Protestantismus.

Zugleich betonte der promovierte Jurist, dass die Kirche das kritische Potenzial von professionellem Journalismus brauche. Für den Evangelischen Pressedienst (epd) sei dessen redaktionelle Unabhängigkeit eine “Notwendigkeit”. “Als anerkannter Anbieter im säkularen Medienmarkt ist er in besonderer Weise den Regeln des seriösen Nachrichtenjournalismus und strenger Überparteilichkeit unterworfen”, betonte Anke.

Gertz: “Campus Kommunikation” stärkt die evangelische Medienarbeit

Auch der Direktor des Evangelischen Presseverbands für Bayern (EPV), Roland Gertz, sprach sich für eine Bündelung der Kommunikations- und Medienarbeit aus. Dies sei nun durch die Gründung des “Campus Kommunikation” im Raum der bayerischen Landeskirche geschehen. Die Grundidee sei dabei, die Medienarbeit unter einem Dach zu bündeln; Herzstück des Campus sei die Content-Produktion, also die Produktion von Inhalten.

Dem “Campus Kommunikation” gehören Beschäftigte des EPV sowie Mitarbeitende der Landeskirche an, etwa das Team der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit/Publizistik sowie die Rundfunkbeauftragten für den Bayerischen Rundfunk. Eine “Sonderrolle” in der Neustrukturierung nimmt dabei laut Gertz der epd-Landesdienst Bayern ein, der aktuell eine Abteilung im EPV ist. Es sei ein ganz entscheidender Punkt, dass die unabhängige Berichterstattung des epd gewährleistet bleibe.

“Chrismon”-Chefredakteurin Ott: Wir legen keine Themen beiseite

Der Chefredakteurin des evangelischen Monatsmagazins “chrismon”, Ursula Ott, ist eine strikte Trennung von Journalismus und Kirchen-PR wichtig. Das “chrismon”-Team suche nach interessanten Geschichten und Personen, sagte Ott am Donnerstag bei der Tagung “Evangelische Publizistik – wohin?” in der Evangelischen Akademie Tutzing. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Personen, über die man schreibe, evangelisch seien. Auch Jesus müsse – entgegen der weitverbreiteten Annahme – nicht in den Texten vorkommen.

Es gebe keine Themen, die zur Seite gelegt würden, sagte Ott weiter. “Wir können bei ‘chrismon’ über alles schreiben” – auch über Menschen, die an Gott oder Kirche zweifeln oder nicht- oder andersgläubig seien. Diese Glaubwürdigkeit schätzten Leserinnen und Leser an “chrismon”, das eine Auflage von 1,5 Millionen hat. Druck von der Kirchenleitung habe sie wegen der Themenauswahl oder -bearbeitung noch nie bekommen.

Diese redaktionelle Freiheit bestätigte auch die Theologin Stefanie Schardien, die seit 2019 zum Team des “Wortes zum Sonntag” in der ARD gehört. Das Format sei eine Verkündigungssendung mit deutlichen journalistischen Inhalten und ein Kommentar zum Zeitgeschehen aus evangelischer und katholischer Sicht. “Wir sind eine Stimme im Konzert der journalistisch-medialen Berichterstattung”, sagte Schardien.

Druck oder Beeinflussung von oben gebe es nicht. Ihre Themen, über die sie sprechen wolle, suche sie sich selbst aus, betonte Schardien, die seit 1. März offiziell Theologische Geschäftsführerin des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik (GEP) und Medienbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist.

Klingbeil: Evangelische Publizistik muss ihren Auftrag erfüllen

Laut der Kaufmännischen Geschäftsführerin des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik (GEP), Ariadne Klingbeil, steht die Evangelische Publizistik  vor gewaltigen Herausforderungen. Es gehe darum, den eigenen Auftrag zu erfüllen – und der werde aktuell nicht ordentlich erfüllt, sonst hätte die evangelische Publizistik andere Zahlen, sagte sie bei der Tagung. “Wir haben 44 Millionen Christen in Deutschland.” Gemeinsam mit der katholischen Kirche würden aber nur sechs Millionen erreicht. “Das ist unfassbar wenig.”

Eines der Hauptprobleme sei, dass die Kirche immer noch die Trennung von säkularer und kirchlicher Welt sehe, sagte Klingbeil. Man lebe aber in ein- und derselben Welt. Außerdem erinnerte sie daran, dass evangelische Medien keine Konkurrenzunternehmen seien, sondern den gemeinsamen Auftrag der Verkündigung des Evangeliums hätten. Man wolle den Menschen einen Platz in der Kirche geben, dafür müssten sie sich aber durch die Medienarbeit abgeholt fühlen. Die evangelische Kirche müsse sich hier besser auf ein verändertes Mediennutzungsverhalten einstellen, vor allem bei der jüngeren Generation, mahnte Klingbeil. Diese nutze weniger Fernsehen und Print-Produkte, dafür aber viel mehr Social Media. Auch die Endgeräte würden sich in den kommenden Jahren verändern. “Das Smartphone wird nicht das Endgerät der Zukunft sein.” Dafür sei es maximal unpraktisch – “schwer, groß und eckig”, sagte Klingbeil.

Die Tagung “Evangelische Publizistik – wohin?” wurde gemeinsam organisiert von Udo Hahn, Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing, Reinhard Mawick, Chefredakteur und Geschäftsführer der Zeitschrift zeitzeichen, Prof. Dr. Roland Rosenstock, Universität Greifswald sowie Dr. Roland Gertz, Vorsitzender des Evangelischen Medienverbandes in Deutschland.

unter Verwendung von Material des Evangelischen Pressedienstes epd

INFORMATIONEN ZUM WEITERLESEN:

  • Sammelband “Evangelische Publizistik – wohin?” herausgegeben vonReinhard Mawick und Willi Wild – anlässlich des 100. Geburtstags der Mitteldeutschen Kirchenzeitung “Glaube+Heimat” sowie vor dem Hintergrund der gleichnamigen Tagung an der Evangelischen Akademie Tutzing vom 28. Februar bis 1. März 2024.
  • Rezension des o.g. Bandes von Doris Weilandt, erschienen unter dem Titel “Zeitgeschichte mit Ausblick” bei Meine Kirchenzeitung. Hier lesen
  • “Bewährungsfeld der Freiheit – Warum das Evangelium der Freiheit eine freie kirchliche Medienarbeit erfordert”, Vortrag von Ulrich H.J. Körtner, veröffentlicht auf zeitzeichen. Hier lesen
  • “Auch dahin gehen, wo es wehtut – Evangelische Publizistik muss unbequem und unabhängig bleiben” von Arnd Henze, Vorabveröffentlichung aus dem von Reinhard Mawick und Willi Wild herausgegebenen Sammelband „Evangelische Publizistik – wohin?“ veröffentlicht auf zeitzeichen. Hier lesen
  • “Kommunikation gefragt: Muskeln der Landeskirchen” Von Willi Wild, erschienen bei Meine Kirchenzeitung. Hier lesen
  • Kirchenpresse: Ist das Kirche oder kann das weg?”: Artikel von Jan Lemke über die Frage, Warum sich Landeskirchen Publikationen leisten, die sie mitunter kritisieren. Erschienen bei Meine Kirchenzeitung. Hier lesen
  • “Kirchliche Medienarbeit: Debatten und Dilemmata” von Wolfgang Thielmann, erschienen bei Meine Kirchenzeitung. Hier lesen
  • Philipp Greifenstein vom Eule Magazin in seinen #LaTdH (Links am Tag des Herrn) vom 3. März über die Tagung. Hier lesen
Fotos: Frank Zeithammer // dgr/eat archiv
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