„Dinge zu verändern, dazu reicht die Kraft des Kabaretts nicht“

Dass es aber etwas bewegen kann, davon ist der Kabarettist Christian Springer überzeugt. „Man kann seine Stimme erheben, Wind auslösen“, erzählt er im RotundeTalk seinem Gesprächspartner Udo Hahn. Springer tut das nicht nur auf der Bühne, sondern auch abseits.

Menschenfreud und Skeptiker, Grantler und Prediger: Der Kabarettist Christian Springer passt in keine Schublade. Er reißt die Menschen auf der Bühne mit – und abseits der Bühne hilft er mit seinem Verein Orienthelfer e.V., die Not in Syrien zu lindern. Im „RotundeTalk“ der Evangelischen Akademie Tutzing (den man hier ansehen kann) wehrt er sich aber, als Vorbild mit Mut bezeichnet zu werden. „Ich bin ein Hasenfuß“, bekennt er. Aber als Beispiel sehe er sich durchaus – für all jene, die sich nicht so sehr trauen, aber Ideen haben. Diese wolle er ermutigen, denn er sei ein Verfechter zivilgesellschaftlichen Engagements. „Den Satz ,Man kann ja eh nichts machen‘, den kann ich nicht mehr hören.“

Keine Frage: Christian Springer hat eine Mission. Sein Gerechtigkeitssinn drängt ihn, „etwas laut auszusprechen, wenn einem etwas nicht passt“. Mit seinem Bühnenprogramm wolle er etwas bewegen, „aber Dinge zu verändern, dazu reicht die Kraft des Kabaretts nicht“. Einen Bildungsauftrag habe es schon. Dennoch könne es keine gesellschaftlichen und auch keine politischen Veränderungen hervorrufen. „Aber man kann seine Stimme erheben, Wind auslösen.“

Das ist Springers große Gabe. Gerade noch vor dem durch die Corona-Pandemie ausgelösten Lockdown hat ein Projekt von ihm für Aufsehen gesorgt: Eine Ausstellung in einem Container erinnert für einige Wochen an den Brandanschlag auf das jüdische Gemeindehaus in der Reichenbachstraße in München am 13. Februar 1970. Sieben Menschen kamen damals ums Leben. Erst fünfzig Jahre später ist dieses Ereignis in der Stadtgeschichte wieder präsent. Der Opfer zu gedenken, sei das eine. Für die Mitwisser, die es noch gebe, hat Springer eine klare Botschaft: „Macht endlich den Mund auf!“

Zurück auf die Bühne: Das Kabarett hat seiner Meinung nach die Aufgabe, nicht nur Lacher zu produzieren, sondern die Menschen wollten auch etwas hören. Kabarettisten seien die Stimme des Volkes. Schon bei Aristophanes, dem Urahn der Zunft, könne man lernen, dass es gegen „die Wirtschaftsbonzen und die Politiker“ gehe. Nach unten zu treten, sei jedoch nicht erlaubt. Hier gibt es nach Springers Meinung eine Grenze, die aber nicht exakt zu bestimmen sei.

Wann er wieder vor großem Publikum spielen könne, sei unklar. Im „RotundeTalk“ erinnert er sich an seinen letzten Auftritt, am 13. März in Würzburg. Die Veranstaltung sei ausverkauft gewesen, aber es seien schon viele aus Angst vor der Ansteckung mit dem Covid 19-Virus nicht mehr gekommen. Die Atmosphäre sei „unbeschreiblich“ gewesen. Es habe eine Stimmung wie auf der Titanic geherrscht.

In Zeiten der Pandemie sehe er sich nicht als Ankläger, denn niemand sei darauf vorbereitet gewesen. Von einer Unterscheidung in systemrelevant und nicht systemrelevant hält er jedoch nichts. Die Diskussion ärgere ihn, denn: „Jeder ist systemrelevant. Die Gesellschaft kann auf niemanden verzichten.“ Dass sich die Gesellschaft im Lichte der Corona-Krise zum Positiven entwickelt, glaubt Springer nicht und macht auf einen Widerspruch aufmerksam: Man könne nicht beim Versandhändler bestellen, der seine Mitarbeiter schlecht bezahlt und diesen dann abends vom Balkon aus applaudieren. Da ist er wieder: Christian Springer, der Menschenfreud und Skeptiker, Grantler und Prediger.

Udo Hahn
Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing

Hinweis:
In zwei weiteren „RotundeTalks“ mit Christian Springer geht zum einen um Erinnerungskultur – 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, zum anderen um Sprache – wie wir reden, was wir meinen.

Sie sind in Kürze auf unserem YouTube-Kanal zu sehen.

Bild: Christian Springer im RotundeTalk (ma/eat archiv)

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