„Die soziale Lage ist alarmierend“

Von allen Ländern Afrikas ist Südafrika nach wie vor am stärksten von der Corona-Pandemie betroffen. Über die aktuelle Lage im Land sprach Akademiedirektor Udo Hahn mit Dr. Renier Koegelenberg, Geschäftsführender Direktor der Ecumenical Foundation of Southern Africa (EFSA). Die EFSA ist Partner der Evangelischen Akademie Tutzing.

Von allen Ländern Afrikas ist Südafrika nach wie vor am stärksten von der Corona-Pandemie betroffen. Dr. Renier Koegelenberg (Stellenbosch bei Kapstadt) leitet eine interreligiöse Organisation, die u.a. Hilfsprogramme gegen HIV/Aids und Tuberkulose aufgesetzt hat. Die am 27. März verhängte Ausgangssperre ist in Teilen aufgehoben und von einem 5-Stufen-Plan abgelöst worden. Derzeit befindet sich das Land in Stufe 3. Im Interview berichtet der Geschäftsführende Direktor der Ecumenical Foundation of Southern Africa (EFSA), die mit der Evangelischen Akademie Tutzing eine Partnerschaft unterhält, über die aktuelle Lage am Kap: die Entwicklung der wirtschaftlichen und sozialen Lage, vor welchen Herausforderungen Staatspräsident Cyril Ramaphosa steht – und warum internationale Unterstützungsprogramme über Kirchen und Religionsgemeinschaften eine wirksamere Hilfe für die Betroffenen bieten.

Udo Hahn: Herr Dr. Koegelenberg, Südafrika hat zur Eindämmung der Corona-Pandemie am 27. März einen Lockdown verhängt. Wir haben am 7. April in einem Interview über die Situation am Kap gesprochen. Anfang Mai und Anfang Juni hat die Regierung die Beschränkungen etwas gelockert. Ehe wir einzelne Themen genauer betrachten, möchte ich auch diesmal zunächst wissen, wie es Ihnen persönlich in den letzten Wochen ergangen ist.

Dr. Renier Koegelenberg: Ich bin dankbar, dass ich gesund bin und weiterarbeiten kann – viel mehr durch elektronische Kommunikation. Gleichzeitig konnte ich mehr Zeit mit Lesen und Recherchieren verbringen.

Südafrika ist in Afrika nach wie vor das Land mit den meisten Corona-Infizierten. Am 16. Juni hatten sich etwa 73.500 Menschen mit dem Covid-19-Virus infiziert, fast 1.600 Menschen waren an ihm gestorben. Die Befürchtung, dass sich aufgrund des Ausgangsverbots und der beengten Lebensverhältnisse und den schwierigen hygienischen Bedingungen in den Townships das Virus schneller verbreiten könnte, hat sich Gott sei Dank nicht erfüllt. Was ist der Grund?

Diese Frage kann noch nicht vollständig beantwortet werden: Medizinische Experten haben prognostiziert, dass Neuinfektionen in Südafrika erst in den nächsten zwei bis drei Monaten ihren Höhepunkt erreichen werden.

Ob das Infektionsmuster in Südafrika dem gleichen Muster wie in anderen Ländern folgt, wird gerade von vielen medizinischen Experten analysiert. Südafrika reagierte schnell mit seiner strikten Ausgangssperre – was die anfängliche Kurve neuer Infektionen abflachte. Die im Vergleich zu Europa relativ junge Bevölkerung Südafrikas mit einem Durchschnittsalter von nur 27,1 Jahren – und nur 13% über 55 Jahre – könnte dazu beitragen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Aber wir haben viele andere Faktoren, die den Altersfaktor ausgleichen können.

Was sind das für Faktoren?

Während viele andere Länder in Europa erst nach dem Rückgang der Infektionen mit der Öffnung bzw. Lockerung von Einschränkungen begonnen haben, lockert Südafrika seine Maßnahmen – wie die Öffnung von Schulen – in einer Phase, in der die Zahl der Neuinfektionen immer noch zunimmt. Der Hauptgrund dafür sind die schwerwiegenden wirtschaftlichen Auswirkungen der langen Ausganssperre.

Darüber hinaus befinden wir uns zu Beginn unserer Wintersaison – mit einer Zunahme normaler Grippefälle – mit Symptomen, die Covid 19 sehr ähnlich sind. Dies stellt Krankenhäuser vor eine zusätzliche Herausforderung: Wie unterscheiden Sie diese Fälle?

Die Provinz Westkap, insbesondere Kapstadt und die umliegenden Townships, hat sich zum Epizentrum der Epidemie entwickelt – mit einem starken Anstieg der Neuinfektionen und Todesfälle –, die fast 66 Prozent aller Fälle in Südafrika ausmachen.

In allen Ländern, die von Corona betroffen sind, besteht die große Sorge, das Gesundheitswesen könnte überfordert werden. Sie haben in unserem ersten Gespräch darauf hingewiesen, dass der private Gesundheitssektor in Südafrika zwar sehr gut, das öffentliche Gesundheitssystem aber chronisch unterversorgt sei – insbesondere in den ländlichen Regionen. Wie hat das Gesundheitswesen die Herausforderung durch Corona bislang gemeistert?

Das anfängliche Verständnis der Öffentlichkeit für die frühzeitige Ausgangssperre durch die Erklärung einer nationalen Katastrophe – um medizinische Einrichtungen vorzubereiten, Testkits und Schutzkleidung für medizinisches Personal zu beschaffen – hat sich gewandelt.

Die Hoffnung, dass eine schnelle Ausweitung der Tests den medizinischen Diensten helfen würde, diejenigen aufzuspüren und zu verfolgen, die mit Personen in Kontakt stehen, die positiv getestet wurden, wurde zunichte gemacht. Wir testen nicht nur nicht genügend Fälle, sondern es dauert auch zu lange – manchmal bis zu zwei Wochen –, bis die Ergebnisse der Labortests vorliegen. Das macht die Testkampagne weniger effektiv.

Der Mangel an Testkits und Schutzkleidung hat Auswirkungen auf unser Gesundheitssytem, insbesondere auf das öffentliche.

Aufgrund dieser einschränkenden Faktoren wurden in der Provinz Westkap die Massen-Community-Tests eingestellt. Der Schwerpunkt liegt nur auf Krankenhauspersonal – und auf Patienten, die bereits im Krankenhaus sind. Oder auf Hochrisikopatienten – Menschen mit Diabetes oder hohem Blutdruck.

Eine sehr positive Entwicklung ist die formelle Vereinbarung zwischen der Regierung und privaten Krankenhausgruppen, Intensivstationen für besondere Fälle zur Verfügung zu stellen. Zuvor gab es über mehrere Jahre hinweg Spannungen zwischen dem Gesundheitsministerium und den privaten Gesundheitsdienstleistern.

Neue Untersuchungen des Gesundheitsministeriums in der Pronvinz Westkap, die Mary-Ann Davies vorgelegt hat, haben Forschungsdaten ergeben, dass Menschen mit HIV/AIDS und Tuberkulose zwar ein zwei- bis dreifach höheres Risiko haben, an Covid 19 zu sterben, dieses jedoch niedriger ist, als das bislang erwartet worden war. Dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die Bevölkerung Südafrikas relativ jung ist. Es gibt auch keinen signifikanten Unterschied zwischen denen, die eine Behandlung gegen HIV/AIDS erhalten, und denen, die nicht behandelt werden. Mary-Ann Davies hat allerdings davor gewarnt, die aktuellen Ergebnisse überzubewerten, dass die Forschung noch am Anfang steht.

Besorgniserregend ist die Tatsache, dass viele Kranke inzwischen Krankenhäuser meiden, weil sie befürchten, Covid 19 zu bekommen. Das gilt etwa für Krebspatienten und insbesondere für Menschen mit HIV/AIDS und Tuberkulose. Einige behandelte Personen haben nicht einmal ihre Medikamente abgeholt – auch aus Angst, von der Polizei festgenommen zu werden. Dies wird zu einer Zunahme von Tuberkulose-Fällen führen – übrigens die häufigste Todesursache in Südafrika, wie aus einer Untersuchung von Dr. Gavin Churchyard (The Aurum Institute) hervorgeht.

Die Regierung Südafrikas hat am 1. Mai mit Lockerungen begonnen und einen Fünf-Stufen-Plan vorgestellt. Stufe Vier sah ab Anfang Mai für die Landwirtschaft, den Bergbau, Bauunternehmen und die Bekleidungsindustrie Erleichterungen vor. Wie haben die Menschen darauf reagiert?

Die Wirkung lässt sich in der Regel nicht unmittelbar festellen, denn es gibt immer eine Verzögerung zwischen der Ankündigung von Präsident Ramaphosa und den konkreten Vorschriften, die die jeweiligen Minister erlassen.

Es gab aber einen starken Anstieg der Menschen, die in Einkaufszentren und Geschäfte strömten – mit langen Warteschlangen –, ohne dass der Mindestabstand eingehalten worden wäre. Viele Menschen kritisierten immer noch, dass nur bestimmte Artikel gekauft werden konnten – wie Winterkleidung, während anderes noch verboten war, Unterwäsche zum Beispiel oder offene Schuhe.

Alle Bereiche müssen strenge Präventionsmaßnahmen einhalten: regelmäßige Desinfektion, Bereitstellung von Schutzkleidung, detaillierte Aufzeichnungen der Arbeitnehmer und Prüfung der Körpertemperatur, regelmäßige Prüfung auf Covid 19 und Durchsetzung des Mindestabstand, was im Bergbau fast unmöglich ist. Mehrere Gewerkschaften von Minenarbeitern lehnten die anfängliche Öffnung der Produktion ab. Sie wurde dennoch umgesetzt. Wenn Covid 19-Infektionen auftreten – was schon vorgekommen ist –, müssen Minen ihre Arbeiter unter Quarantäne stellen und die Räumlichkeiten desinfizieren.

Auch die Schulen dürfen wieder öffnen. Wie geht man denn mit den Hygieneauflagen um. Sind diese überhaupt erfüllbar?

Der Prozess der Schuleröffnung war umstritten – der Bildungsminister gab nicht klar bekannt, wann die Schulen geöffnet werden sollten, was zu Unsicherheiten führte. Darüber hinaus beklagten sich viele Eltern und Lehrergewerkschaften – vor allem in ländlichen Gebieten – darüber, dass besondere Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von Covid 19 nicht umgesetzt werden können, wenn die Schulen nicht entsprechend vorbereitet werden und Desinfektionsmittel und Masken erhalten. Außerdem verfügen viele Schulen nicht über fließendes Wasser.

Die meisten Schulen haben Anfang dieser Woche geöffnet – allerdings nur für die Abschlussklassen der Grundschule und die Schüler der Oberstufe. Dabei ist die Anzahl der Kinder je Klasse begrenzt. Die anderen Klassen werden schrittweise über einen längeren Zeitraum eingeführt.

Mit dem 1. Juni ist Stufe Drei in Kraft getreten. Das strikte Alkoholverbot wurde aufgehoben – nicht jedoch der Tabakbann, wogegen die Tabakindustrie gerichtlich vorgehen will. Wie wichtig sind der Verkauf von Alkohol und Tabak in Südafrika?

Die Öffnung des Alkoholverkaufs an bestimmten Tagen und zu bestimmten Zeiten wurde von kleinen Händlern in den Townships kritisiert, da sie an Wochenenden keinen Alkohol verkaufen dürfen. Genau in diesem Zeitraum aber ist es den Township-Bewohnern erlaubt, Alkohol zu kaufen. Größere Alkoholketten hatten deshalb lange Schlangen vor den Geschäften, weil die Menschen Alkohol in großen Mengen kauften. Eine der unmittelbaren Auswirkungen ist aktuell die Zunahme gewalttätiger Angriffe in Townships und als Folge ein Anstieg der Notfallaufnahmen in den Krankenhäusern.

Diese Woche wurde vor dem Obersten Gerichtshof von Pretoria der erste gerichtliche Antrag auf Aufhebung des weiteren Verbots von Tabakerzeugnissen – initiiert von „The Fair Trade Independent Tobacco Association (Fita) – gestellt. Weitere Anträge werden folgen. Der Kläger argumentiert, dass Lebensstilkrankheiten für COVID-19-Patienten ein höheres Gesundheitsrisiko darstellen als das Rauchen. Der Fall wird vor dem Gauteng High Court verhandelt und das Urteil in den nächsten Tagen erwartet.

Ich habe bereits in unserem ersten Gespräch darauf hingewiesen, dass das Verbot von Tabakerzeugnissen den Verkauf von illegalen Produkten in die Höhe treibt. Alles deutet darauf hin, dass die meisten Raucher nicht aufgehört haben zu rauchen, sondern illegale Zigaretten zu viel höheren Preisen kaufen.  Die Journalistin Ferial Haffajee kritisiert deshalb die Ministerin: „Dlamini-Zuma verwandelt Zigaretten in illegale Drogen, während die Untergrund-Wirtschaft die Macht übernimmt.“i

Wann rechnen Sie mit weiteren Erleichterungen?

Dies wird von mehreren Faktoren abhängen: ob die Regierung den aktuellen „Katastrophenzustand“ (anders als der „Ausnahmezustand“), der erklärt wurde, verlängern wird. Dieser gilt laut unserer Verfassung nur drei Monate – und müsste jetzt enden. Er kann aber jeweils um einen Monat verlängert werden – ohne Erlaubnis des Parlaments, da es sich nicht um einen Ausnahmezustand handelt.

Die zweite Überlegung ist: Sollte es zu einem Anstieg der Neuinfektionen und Todesfälle kommen, so signalisierte die Regierung bereits, dass sie wieder stärkere, strenge Maßnahmen einführen werde. Dann soll aber zwischen bestimmten Bereichen – je nach Infektionsrate – genauer unterschieden werden.

Nach wie vor ist auch in Südafrika das öffentliche Leben stark eingeschränkt. Was darf man denn alles in der Öffentlichkeit? Und sind eigentlich Gottesdienste erlaubt?

In den Vorschriften wird allgemein darauf geachtet, was derzeit nicht erlaubt ist: Restaurants, Hotels und Pensionen bleiben geschlossen. Man darf nicht am Strand spazierengehen, aber Angeln ist erlaubt. Joggen ist erlaubt, aber nicht in Gruppen. Fitnesscenter bleiben geschlossen, aber Profisportler können mit dem Training beginnen. Friseursalons sind noch geschlossen, auch Maniküre, Gesichtsbehandlungen usw. sind nicht gestattet. Und Krankenhäuser und Altersheime erlauben keine Besucher.

Gottesdienste mit weniger als fünfzig Personen sind erlaubt, wenn die Abstandsregeln eingehalten werden und die Hände desinfiziert sind. Die Teilnehmer müssen sich in Listen eintragen. Vor diesem Hintergrund haben viele Kirchen beschlossen, keine Gottesdienste zu feiern. Dies gilt insbesondere in Kapstadt und Stellenbosch.

Wie hat sich die Lage der Bedürftigen in Südafrika entwickelt? Die Preise für Lebensmittel sind stark gestiegen. Was bedeutet dies für die Bekämpfung der Armut? 

Die soziale Lage ist alarmierend. Es besteht ein dringender Bedarf für mehr Nahrungsmittelunterstützung für Menschen ohne Einkommen, für arme und schutzbedürftige Familien. Es haben sich lange Warteschlangen entwickelt, wo Lebensmittelpakete oder Sandwiches, Suppen verteilt wurden – insbesondere in der Nähe informeller Bereiche.

Kirchen und Glaubensgemeinschaften reagierten zunächst auf lokaler Ebene, wo der Mangel an ausreichender Nahrung für Kinder in schutzbedürftigen Familien durch die Einstellung des vom Bildungsministerium durchgeführten Nationalen Schulernährungsprogramms (NSNP) während der Ausgangssperre spürbar zugenommen hat. Mit diesem Programm sollte Grund- und Oberschülern mindestens eine Mahlzeit pro Tag angeboten werden. Ungefähr zwölf Millionen Lernende profitierten von diesem Programm. Dieses wurde jedoch abrupt gestoppt. Der Bildungsminister will es nun schrittweise wieder einführen. Es kommt all jenen zugute, denen der Schulbesuch wieder erlaubt ist. Die Folge ist, dass die Mehrheit der Kinder weiter leidet und u.a. von den Hilfsmaßnahmen der Kirchen, Nichtregierungsorganisationen usw. abhängig ist. Südafrika verzeichnet laut Child Institute der Universität Kapstadt bereits einen ernsthaften Nahrungsmittelmangel in armen Familien. 2018 litten elf Prozent (2,1 Millionen) der Kinder unter Nahrungsmittelknappheit.

Aus diesem Grund haben zwei prominente Nichtregierungsorganisationen (Section 27 und Equal Education Law Center) am 12. Juni ein Gerichtsverfahren gegen den Bildungsminister  sowie gegen alle Regionalverwaltungen eingeleitet, um das Bildungsministerium zu zwingen, alle Schülerinnen und Schüler zu unterstützen. Die Mittel stehen ja zur Verfügung! Jüngste Untersuchungen des Human Sciences Research Council haben ergeben, dass 38 Prozent der Mitglieder in Haushalten mit niedrigem Einkommen (die weniger als 10.000 Rand pro Monat verdienen, aktuell ca. 520 Euro) aufgrund der Ausgangssperre jede Nacht hungrig ins Bett gehen.

Ein weiterer gerichtlicher Erfolg wurde gegen den Versuch des Nationalen Ministeriums für soziale Entwicklung erzielt, Notfallnahrungsprogramme zu kontrollieren – insbesondere Suppenküchen in den Squatter Camps. Mehrere Fälle von Betrug oder politischer Manipulation – bei denen Parteiräte Lebensmittel an ihre Anhänger verteilten – haben das Notfallprogramm der Regierung beschädigt.

Die Sonderzulage für Arbeitslose, die keine anderen staatlichen Zuschüsse erhalten, in Höhe von 350 Rand, kann nicht einmal jeden Tag einen Laib Brot sichern – und wird sehr langsam eingeführt. Es wird geschätzt, dass eine vierköpfige Familie laut Pietermaritzburg Economic Justice and Dignity Group 3.470 Rand (ca. 178 Euro) pro Monat benötigt, um sich selbst ernähren zu können.

Auf regionaler und lokaler Ebene wird viel unternommen, Menschen in Not zu helfen. Hier engagieren sich viele Einzelpersonen, Landwirte, Nichtregierungsorganisationen sowie religiöse Netzwerke.

Der Mangel an Nahrungsmitteln ist ein wichtiger Faktor für die Ausübung von Gewalt in der Partnerschaft durch Männer. Ernährungsunsicherheit und Gewalt sind enge Begleiter (Gould & Hatang, Institut für Sicherheitsstudien, ISS Today, 10. Juni).

Die Preise für Lebensmittel in großen Supermärkten waren übrigens nicht sehr unterschiedlich. Aber das Fehlen normaler Vertriebsnetze für Lebensmittel und der fehlende Zugang zu lokalen Händlern haben erheblich zugenommen.

Sollte die derzeitige Forderung des „SA National Taxi Council” nach einer starken Erhöhung ihrer Tarife zur Deckung der durch die Covid-19-Pandemie entstandenen Verluste eintreten, wird dies die Position der meisten von ihnen abhängigen Pendler weiter verschlechtern. Dies könnte auch zu Arbeitsplatzverlusten bei Hausangestellten führen, bei denen es sich viele Familien nicht leisten können, diese zu behalten.

Wie lange lassen sich die Einschränkungen denn noch aufrechterhalten? Manche Beobachter sehen die Gefahr von sozialen Unruhen wachsen.

Die ersten umfassenden Maßnahmen im Rahmen der Ausgangssperre begannen am 26. März, später als Stufe Fünf bezeichnet, und waren ursprünglich für drei Wochen bis zum 16. April vorgesehen. Diese Frist wurde dann bis Ende April verlängert. Die Regierung kündigte daraufhin das komplexe Stufensystem an, um die Sperre in Phasen zu mildern: Stufe Vier begann am 1. Mai und Stufe Drei am 1. Juni.

Während die ersten von Präsident Ramaphosa angekündigten Maßnahmen zunächst unterstützt und verstanden wurden, haben die unterschiedlichen Ausweitungen sowie irrationalen und unlogischen Maßnahmen, die von dem jeweils zuständigen Minister „befohlen“ wurden, zu massiver Kritik geführt. Diese wurde hauptsächlich durch die verheerenden Auswirkungen auf die Wirtschaft ausgelöst. Viele Unternehmen mussten geschlossen wurden, Arbeitslosigkeit führte zu Einkommensausfällen – und am stärksten betroffen waren jene Familien, die ohnehin schon immer unterstützt werden mussten.

Prof. Thuli Madonselaii hat einen Großteil dieses Gefühls in einem offenen Brief an Präsident Ramaphosa (Financial Mail, 4. Juni) festgehalten: „Wir müssen uns daran erinnern, dass Regeln vernünftig sein müssen – auch vor dem Gericht der öffentlichen Meinung.“ Sie betonte, dass die Problem in dem Augenblick begannen, als „drakonische Beschränkungen, die die Wirtschaft und das soziale Wohlergehen zerstörten“, umgesetzt wurden. Ihrer Ansicht nach standen diese Maßnahmen im Widerspruch zum Streben nach sozialer Gerechtigkeit und Vernünftigkeit gemäß der südafrikanischen Verfassung.

Madonsela sieht, wie viele Kirchenführer, die Konsequenzen der Sperrmaßnahmen für Selbständige im informellen Sektor, die um ihr Überleben kämpfen, die Zunahme der Armut und den Mangel an Nahrungsmitteln in bestimmten Gebieten. Daher lautet ihr Rat an Präsident Ramaphosa: „(Sie) sollten nicht nur die Menschen vor vermeidbaren Schmerzen bewahren, sondern auch die Demokratie bewahren.“

Konnten Sie Ihre Aktivitäten, Ihre Hilfsprogramme gegen HIV/Aids wieder aufnehmen? 

Jetzt können wir nur noch über Social-Media-Kampagnen Aufklärungsarbeit leisten, die sowohl die Präventionsmaßnahmen von Covid 19 als auch HIV/AIDS und Tuberkulose betreffen. Das ist unser Beitrag – abgesehen von den vielen Notnahrungsprogrammen, die die Kirchen durchführen, in Zusammenarbeit mit Partnern aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft.

Wir befinden uns in einer Phase, in der wir internationale Mittel beantragen, um die Programme der Glaubensgemeinschaften direkt zu unterstützen. Dies kann die Bemühungen der Regierung ergänzen. Dabei bleibt eine grundlegende Herausforderung, dass die formelle Zusammenarbeit zwischen Regierung und Glaubensgemeinschaften häufig dadurch behindert und verlangsamt wird, dass internationale Unterstützungsprogramme von Regierungen hauptsächlich mit Regierungen oder internationalen Agenturen zusammenarbeiten: mit sehr komplexen Beschaffungsmaßnahmen, die sich nicht selten als schwerwiegendes Hindernis auf dem Weg zur Umsetzung z. B. von Notfallnahrungsprogrammen erweisen. Dabei ist erwiesen, dass unsere Hilsmaßnahmen effizienter sind als die staatlichen. Wir haben darüber im letzten Jahr in unserer gemeinsamen Tagung in der Evangelischen Akademie Tutzing gesprochen. Erzbischof Makgoba plädierte dafür, solche Hindernisse im Rahmen bilateraler Vereinbarungen zwischen Regierungen zu beseitigen.

Im Rahmen der Sondermaßnahmen zur Bekämpfung von Covid 19 wird wahrscheinlich in vielen von der Regierung geführten Behörden – in Deutschland etwa im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – eine Mittelreserve aufgebaut, da derzeit keine normalen Programme durchgeführt werden können. Für die von Deutschland initiierte „Partnerschaft für Religion und nachhaltige Entwicklung (PaRD)“ ist dies eine gute Gelegenheit, solche Kooperationsmodelle zu überprüfen – nicht nur im aktuellen „Ausnahmezustand“, sondern auch nachhaltige langfristige Partnerschaften mit Glaubensgemeinschaften aufzubauen, die die Fähigkeit haben zur Umsetzung solcher Programme.

Die Regierung Südafrikas hat zur Bekämpfung der Pandemie 25 Milliarden Euro eingesetzt. Das entspricht etwa zehn Prozent des BIP des Landes. Zugleich sind von Rating-Agenturen die Staatsanleihen weiter abgewertet worden. Wie lange kann die Regierung das durchhalten?

Ich habe in unserem ersten Gespräch erwähnt, dass schlechte wirtschaftliche Entscheidungen über viele Jahre sowie die verlorenen Jahre unter Präsident Jacob Zuma, der Korruption massiv förderte, eine ernsthafte Wirtschaftskrise ausgelöst haben, bevor Covid 19 eintraf.

Covid 19 hat unsere Wirtschaftskrise dramatisch verschärft: Laut den Berichten der Weltbank vom Juni 2020 prognostizieren sie, dass die südafrikanische Wirtschaft in diesem Jahr um 7,1 Prozent schrumpfen wird – der größte Rückgang seit einem Jahrhundert. Die fiskalischen Anreize der Regierung, Strukturreformen (Verbesserung des Ressourcenmanagements und Investitionen des Privatsektors in die Infrastruktur) können die Erholung im Jahr 2021 unterstützen.

Die Staatsbank Südafrikas hat bereits einen stärkeren Rückgang der Wirtschaft erwartet und am 6. Juni darauf hingewiesen: „Der Covid 19-Schock wird das Haushaltsdefizit 2020 dramatisch erhöhen. Es werden zusätzliche Ausgaben erforderlich sein. Es ist plausibel, dass das Defizit zehn Prozent des BIP  überschreiten wird in diesem Jahr.“iii Die öffentliche Verschuldung kann bis Ende des Jahres auf 75 Prozent des BIP steigen.

Einige Ökonomen sind pessimistischer: Dawie Roodt (Efficient Group) prognostiziert einen Rückgang der Wirtschaft um mindestens zehn Prozent. Weitere zwei Millionen Arbeitsplätze gehen verloren, unsere Arbeitslosenzahl steigt auf zwölf Millionen. Das Problem ist, dass das von der Regierung angekündigte Konjunkturpaket von umgerechnet 25 Milliarden Euro nicht ausreicht. Wir bräuchten mindestens 105 Milliarden Euro. Aber die Regierung verfügt einfach nicht über diese Mittel. Dies ist das Ergebnis des Missmanagements durch die Zuma-Administration. Laut Roodt steckt Südafrika in „sehr, sehr tiefen Schwierigkeiten“.

“Dies könnte nur umgekehrt werden, wenn die Lohnkosten der Regierung gesenkt werden und kein Geld für staatliche Unternehmen verschwendet wird.“iv  Er bezweifelt, dass dies geschehen wird, da Politiker und hochrangige Bürokraten durch die in den letzten Wochen verhängten Maßnahmen mehr Macht erlangt haben und diese wohl nicht aufgeben warden.

Greg Mills und Ray Hartley teilen seine Ansichten: „Die ANC-Rhetorik ist ein schlechtes Zeichen für Südafrikas Post-Covid-Wirtschaft.“ v Der Entwurf des ANC-Papiers „Economic Reconstruction“ gehe den falschen Weg. Er werde eine zukünftige Finanz- und Wirtschaftskrise schaffen, die die aktuellen Probleme in den Schatten stellen könnte.

Diese Analyse ähnelt dem Beitrag von Moeletsi Mbeki: „Südafrikas wirtschaftliche und politische Zukunft: das Versagen der Demokratie, in Südafrika richtig Fuß zu fassen.“vi Darin vergleicht er die historische Entwicklung von politischer und wirtschaftlicher Macht in Südafrika. Diese Trennung zwischen politischer Macht (ANC und hochrangige staatliche Bürokraten – ohne wirklichen Anteil an der Wirtschaft) und dem privaten Unternehmenssektor (wirtschaftliche Macht, aber keine politische Macht) ist der Grund für die mangelnde Rechenschaftspflicht der ANC-Regierung.

Finanzminister Tito Mboweni muss am 24. Juni ein aktualisiertes Notfallbudget für Covid 19 vorlegen, hat aber bereits darauf hingewiesen, dass „wir nicht mehr so ​reich sind, wie wir früher dachten. Wir müssen uns an eine neue Situation anpassen und ernsthaft darüber nachdenken, auf Null-Budgetierung umzusteigen“vii. Seine früheren Ankündigungen, dass die Regierung die Lohnkosten der Regierung senken (160 Milliarden Rand in den nächsten drei Jahren) und die im Jahr 2018 ausgehandelten Gehaltserhöhungen am 1. April 2020 nicht umsetzen will, wurden von den Gewerkschaften vor das Arbeitsgericht gebracht.viii Die Löhne des öffentlichen Sektors machen in einem normalen Jahr rund ein Drittel der Staatsausgaben aus.ix

Russland, aber vor allem China bemühen sich seit langem, in Südafrika stärker Einfluss zu gewinnen. In Südafrika werden diese Initiativen kontrovers diskutiert. Wie ist Ihre Meinung?

Laut Daten der Weltbank von 2019 (https://wits.worldbank.org/countrysnapshot/en/ZAF) ist China derzeit Südafrikas wichtigster internationaler Handelspartner (9,14 Prozent). Deutschland liegt an zweiter Stelle (7,17 Prozent), gefolgt von den USA (6,79 Prozent). Südafrika ist der wichtigste Partner der EU in Afrika.

Es ist kein Geheimnis, dass der ANC seine engen historischen Beziehungen zu Russland, basierend auf dem Kampf gegen die Apartheid, und seine sehr engen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu China und Russland – beide Teil der 2006 gegründeten BRICS-Wirtschaftspartnerschaft, der Südafrika 2010 beigetreten ist. Unter der Führung von Präsident Ramaphosa scheint es einen ausgewogeneren Ansatz zu geben, um verschiedene Wirtschaftspartner zu erreichen, darunter die Europäische Union, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten von Amerika. Es besteht auch ein klares Bekenntnis zur Stärkung der Afrikanischen Union und des interafrikanischen Freihandels.

Politik- und Wirtschaftsexperten sind jedoch besorgt, dass die Arbeitsdokumente des ANC zu einer neuen Wirtschaftspolitik, die die Regierungspolitik formulieren sollen, immer noch eine bevorzugte Art von „staatlicher Dominanz“ oder „Staatskapitalismus“ widerspiegeln – als Erweiterung einer veralteten Doktrin der „Nationalen Demokratie Revolution“ (mit russischen Wurzeln).

Der offizielle Staatsbesuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Südafrika vom 5. bis 7. Februar dieses Jahres zeigte nicht nur den guten Willen zwischen Deutschland und Südafrika, sondern betonte auch Wirtschaftsbeziehungen und würdigte und unterstützte Ramaphosas Führung.

Die Frage ist, ob angesichts der ideologischen, wirtschaftlichen und politischen Spaltungen innerhalb des regierenden ANC der pragmatischere und demokratie-freundschaftliche Ansatz von Präsident Ramaphosa weiter vorherrscht – oder ob seine Opposition an Stärke gewinnt.

In Deutschland hat sich eine kontroverse Debatte um die Frage entwickelt, ob die in der Pandemie verhängten Ausnahmen verhältnismäßig seien. Es stellt sich die Frage, ob der Schutz der Gesundheit den massiven Eingriff des Staates rechtfertigt – bedenkt man die negativen Folgen für Wirtschaft und Industrie. Gibt es eine solche Debatte auch in Südafrika?

In Südafrika gibt es eine ähnliche Debatte. Ich hatte dies schon angedeutet, als ich Prof. Thuli Madonsela zitierte. Abgesehen von mehreren Gerichtsverfahren, in denen bestimmte Vorschriften angefochten wurden, wurde dieses Thema auch im Parlament von der oppositionellen Democratic Alliance (DA) aufgegriffen. Das Parlament konnte seiner Aufgabe aber praktisch nicht nachkommen, da es einfach nicht einberufen wurde.

Die DA stellte eine Reihe von Fragen zur Rechtmäßigkeit der Einrichtung und des Betriebs des „National Coronavirus Command Council“ (NCCC), zu denen neben wichtigen Ministerien wie Gesundheit, soziale Entwicklung und Verkehr auch Sicherheitsstrukturen wie Polizei, Verteidigungskräfte und Geheimdienste gehören, die die Maßnahmen koordinieren und umsetzen.

Viele Beobachter glauben, dass es sich um eine parallele und somit verfassungswidrige Regierungsstruktur handelt. Das konnte man auch aus verschiedenen Aussagen von Präsident Ramaphosa heraushören: Manchmal entschied das Kabinett, manchmal traf das NCCC Entscheidungen, die das Kabinett später bestätigte. Hier herrscht Klärungsbedarf.

In einer kürzlich von prominenten nationalen Kirchenführern abgegebenen Erklärung, in der sie über die Reaktion Südafrikas auf Covid 19x nachdachten, haben sie im Zusammenhang mit den rechtlichen Herausforderungen gegen die Sperrmaßnahmen Folgendes betont:

“Die größte Herausforderung für Südafrika besteht derzeit nicht in der Frage der Legalität oder Rationalität (obwohl dies sehr wichtige und gültige Grundsätze in unserer konstitutionellen Demokratie sind), sondern darin, Leben zu retten, sich um die Kranken zu kümmern und die Hungrigen zu ernähren. Der ultimative Legitimitätstest für alle Maßnahmen, die sich mit den Auswirkungen von Covid 19 befassen, lautet daher: Verbessert er unsere Fähigkeit, Effizienz und unser Engagement als Land, sich um die am stärksten Betroffenen zu kümmern: die Kranken, die Hungrigen und die Schwächsten in unserer Gesellschaft?”

In diesem Zusammenhang haben Kirchenführer auch betont: „Die Herausforderung für die Regierung besteht nicht darin, zu versuchen, alle Dienstleistungen selbst zu kontrollieren und zu erbringen, sondern als echte Diener der Öffentlichkeit zu agieren – als Vermittler, Koordinator und zur Unterstützung der zahlreichen Initiativen und bewährte Kapazitätsnetzwerke innerhalb von Glaubensgemeinschaften, NRO, Zivilgesellschaft und Wirtschaft – die in der Lage sind, solche Programme umzusetzen. Die Konsequenzen von Covid 19 erfordern sofortiges Handeln – aber es erfordert auch ein Überdenken und Gestalten, wie verschiedene Sektoren sinnvoller zusammenarbeiten können, um die längerfristigen Auswirkungen und Konsequenzen in den kommenden Jahren zu bewältigen.”

Mcebisi Jonasxi, ehemaliger stellvertretender Finanzminister, kam zu dem Schluss: “Das Virus hat in den nationalen Todeszahlen gezeigt, dass Führung und gute Regierungsführung eine Rolle spielen … (erfolgreiche Länder) … sind diejenigen, deren Maßnahmen von einem hohen Maß an öffentlichem Vertrauen begleitet wurden.“ Weiter: „Der Präsident hat früh gehandelt…, aber die Kluft zwischen Absichten und Umsetzung wurde schmerzlich deutlich. Und der gute Start wurde teilweise durch gemischte Botschaften und eine Übung in altmodischem Kommandismus und Mikromanagement verschleudert. Bürokratische Inkompetenz bedeutete, dass ein Großteil der Hilfe zur Unterstützung der Ärmsten unter uns immer noch nicht die beabsichtigten Ziele erreicht hat. “

In „Regierung neu denken“ schließt er: „(obwohl die Zentralität des Staates anerkannt wird) der Staat (sollte) eine Führungskraft, ein Lebensretter und ein Sicherheitsnetz sein, wird (sollte) nicht überheblich, wenn er es versucht kontrolliere jeden Aspekt unseres Lebens.“ Dies ähnelt den Ansichten hochrangiger Kirchenführer.

Ein Gericht in der Hauptstadt Pretoria hat vor wenigen Tagen mehrere Maßnahmen der Regierung für verfassungswidrig und irrational erklärt. Eine Menschenrechtsorganisation hatte geklagt. Worum ging es da? 

In einem Fall, der vom fast unbekannten „Liberty Fighters Network” gegen die Ministerin Nkosazana Zuma (Minister für kooperative Regierungsführung und traditionelle Angelegenheiten – zuständig für Katastrophenschutzbestimmungen) vor dem High Court of Gauteng in Pretoria verhandelt wurde, erklärte das Gericht die Vorschriften für verfassungswidrig und gaben der Regierung vierzehn Tage Zeit, um diese zu korrigieren.

Das Gericht stellte fest, dass der Katastrophenzustand – der zur Vorbereitung Südafrikas auf die Covid 19-Infektionen erklärt wurde – zwar vernünftig war, die überwältigende Anzahl der darauf folgenden Sperrmaßnahmen und -vorschriften jedoch „verfassungswidrig und ungültig“. Richter Norman Davis entschied am 2. Juni, dass viele dieser Bestimmungen die durch die Bill of Rights in der Verfassung garantierten Verfassungsrechte einschränken. Sein Hauptargument war: Viele der Vorschriften haben den Vernunftstest nicht bestanden.

Obwohl viele Rechtsexperten die Entscheidung des Gerichts kritisierten – meistens ohne zwischen spezifischen Vorschriften (einige gut, andere schlecht) zu unterscheiden –, reagiert die Öffentlichkeit nach wie vor überwiegend mit Zustimmung. Zu beobachten ist aber, dass auch in Südafrika die Debatte über die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen in vollem Gang ist.

Staatspräsident Cyril Ramaphosa galt als Hoffnungsträger – auch und gerade von Anhängern anderer Parteien. Wie hat sich sein Ansehen in der Krise entwickelt?

Obwohl die Mehrheit der Südafrikaner seine Führungsrolle schätzt – mehr als die seiner Partei, des ANC –, scheint er zu viel als „Vorsitzender“ des Kollektivs des Kabinetts oder des ANC zu agieren. Folgender Vorfall belegt dies: Als Ramaphosa zum ersten Mal darauf hinwies, dass das Verbot von Tabakerzeugnissen aufgehoben wird, wurde er vom Minister für kooperative Regierungsführung und traditionelle Angelegenheiten (Dr. Nkosazana Zuma), der für die konkreten Sperrmaßnahmen verantwortlich ist, überstimmt. Das hat seine Position und sein Ansehen geschwächt. Niemand zweifelt an seinem Engagement gegen Covid 19 , wenn er betont, dass „wir im Krieg sind – wir führen einen Krieg um Leben und Tod“. (Erklärung am 5. Juni)

Sein Image hängt davon ab, wie er in den folgenden Monaten mehrere schwierige und sehr kritische Herausforderungen bewältigt:

Erstens, wie er es schafft, den Schutz der Gesundheit, die Stabilisierung der Wirtschaft und die Bekämpfung der Armut unter einen Hut zu bringen. Zweitens, was er unternimmt, um die Wirtschaft anzukurbeln, neue Investitionen und Beschäftigung zu fördern: Wird es mehr staatliche Kontrolle und Dominanz geben oder mehr Raum für den Privatsektor und Unternehmer? Und drittens, wird er die Reformen in der Regierung verstärken, um eine echte Zusammenarbeit mit anderen Sektoren – Zivilgesellschaft, Glaubensnetzwerke, Unternehmen – zu fördern und eine gemeinsame nationale Vision zu gewährleisten, die die Stärke aller Sektoren einbezieht.

Die Aussagen mehrerer Ökonomen und Kirchenführer haben ähnliche Bedenken und Herausforderungen hervorgehoben: Wird es ihm gelingen, die Regierungskultur zu verändern – ein Wegbereiter zu werden, Koordinator, um die Rolle des Privatsektors bei Investitionen (in Infrastruktur, Bereitstellung grüner Energie) zu stärken? Wird er die Rolle von Kirchen und Glaubensnetzwerken in ihren grundlegenden Sozial- und Betreuungsprogrammen (insbesondere im Blick auf Kinder und ältere Menschen) stärken? Oder wird die Tendenz überwiegen, alles über staatliche Kanäle zu befehlen, zu kontrollieren und zu liefern – selbst wenn die Covid-19-Krise die Schwächen und Grenzen der Regierungskapazität deutlich gemacht hat?

In der Konsultationserklärung der Nationalen Kirchenführer wurde betont, dass dies die Essenz des „Dienens der Öffentlichkeit“ ist – was Madonsela formulierte: mit Zustimmung und nicht per Dekret vernünftig regieren.

Wird es ihm gelingen, die Mehrheit seiner eigenen ANC-Partei davon zu überzeugen, dass es notwendig ist, die Größe, die Kosten und die hohen Löhne im öffentlichen Dienst zu reduzieren – und dass Fachwissen und Professionalität die wichtigsten Voraussetzungen für Personen sein sollten, die in öffentlichen Ämtern arbeiten?

Dies sind gewaltige und komplexe Herausforderungen, vor denen er steht und die nicht nur sein eigenes Erbe, sondern auch das Südafrikas in den kommenden Jahren bestimmen werden.

Vielen Dank für das Gespräch!

 


Das Interview führte Udo Hahn, Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing, am 16. Juni 2020.

 

Ausgewählte Referenzen:

i Ferial Haffajee, Daily Maverick, 12 June 2020

ii Prof Thuli Madonsela, former Public Protector, now Professor and Chair of the Social Justice Law at Stellenbosch University.

iii E Stoddard, Business Maverick, 7 April 2020, “Reserve bank warns of historic budget deficit”

iv Dawie Roodt Interview, Business TV, 12 June 2020

v Ray Hartley and Grey Mills, from Brenthurst Foundation, Daily Maverick 3 June, 2020

vi Moeletsi Mbeki: “South Africa’s Economic and Political future: the failure of democracy to take proper root in South Africa”, Archbishop Thabo Makgoba’s Public Theology Seminar, EFSA Institute/Konrad Adenauer Stiftung, March 2020

vii J Felix, “We’re no longer as rich as we once were”, Mboweni hints at zero-based budgeting, New24, 12 June, 2020

viii R Mahlaka, Public secor woerkers turn to the Labour Court for inflation-beating salary increases, Business Maverick, 7 June 2020

ix A. Winning, South African public sector unions take wage dispute to court, Moneyweb, 5 June 2020.

x National Church Leaders‘ Consultation (NCLC) – Statement on South Africa’s response to Covid 19 – within the context of legal challenges related to the lock-down – Issued by Bishop Sithembele Sipuka, Mthatha, 5 June 2020

xi Mcebisi Jonas: „We need a new social compact in South Africa“, Archbishop Thabo Makgoba’s Public Theology Seminar, EFSA Institute/Konrad Adenauer Stiftung, September 2019; as well as his contribution in Daily Maverick, 3 June 2020: “ We need to rethink  (just about) everything.”

Bild: Renier Koegelenberg während der Südafrika-Tagung “Religion und Staat – zwischen Kooption und Kooperation” im Februar 2019 an der Evangelischen Akademie Tutzing. (Foto: Haist/eat archiv)

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