Corona in Südafrika: „alarmierende soziale Lage“

Renier Koegelenberg ist Geschäftsführender Direktor der Ecumenical Foundation of Southern Africa (EFSA). Die Organisation hat sich dem ökumenischen und interreligiösen Dialog verschrieben – vor allem aber auch der gesundheitlichen Versorgung in Südafrika. In einem Interview über die aktuelle Situation im Land äußert Koegelenberg seine Besorgnis über einen Anstieg der sozialen Spannungen.

Die Ausbreitung der Corona-Pandemie in Südafrika ist nach den Worten von Dr. Renier Koegelenberg (Stellenbosch bei Kapstadt), Geschäftsführender Direktor der Ecumenical Foundation of Southern Africa (EFSA), nach wie vor alarmierend. Das Land am Kap ist unter allen Ländern Afrikas am stärksten vom Corona-Virus betroffen. Den Höhepunkt an Neuinfektionen werde das Land nach Koegelenbergs Einschätzung möglicherweise erst in zwei bis drei Monaten erreichen. Zwar habe die strikte Ausgangssperre die anfängliche Kurve von Neuinfektionen abflachen lassen, doch nach den jüngsten Lockerungen stiegen sie deutlich. Besondere Sorge bereiteten ihm Menschen, die an HIV/AIDS sowie an Tuberkulose erkrankt seien. Forschungsdaten zufolge hätten sie ein zwei- bis dreifach höheres Risiko, an Covid 19 zu sterben. „Besorgnisserregend ist die Tatsache, dass viele Kranke inzwischen Krankenhäuser meiden, weil sie befürchten, Covid 19 zu bekommen“, so Koegelenberg im Interview. Das gelte auch für Krebspatienten. Auch holten Betroffene mitunter ihre Medikamente nicht ab, aus Angst, von der Polizei festgenommen zu werden.

Koegelenberg, der in Heidelberg Evangelische Theologie studiert hat und bei Prof. Dr. Wolfgang Huber, dem späteren Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), promovierte, beobachtet in Südafrika eine vergleichbare Debatte wie in Deutschland um die Frage, ob die aufgrund der Pandemie verhängten gesetzlichen Maßnahmen verhältnismäßig seien. Manche befürchteten, die Demokratie könnte Schaden nehmen. Schutzmaßnahmen wie Lockerungen seien in Teilen oft nicht logisch und mitunter inkonsequent. So dürften Händler in Townships nur unter Woche Alkohol verkaufen, den Bewohnern sei dies aber nur am Wochenende erlaubt. Schulen würden wieder geöffnet, doch oft verfügten diese nicht über fließendes Wasser. Und die Nahrungsmittelhilfen bekämen nur die, die den Unterricht wieder besuchen dürften – Grundschüler und Schüler der Oberstufe –, nicht jedoch all jene, die noch zu Hause bleiben müssten. Koegelenberg, dessen EFSA-Institut mit der Evangelischen Akademie Tutzing partnerschaftlich verbunden ist, befürchtet ein weiteres Ansteigen der sozialen Spannungen. Es gebe Anzeichen, dass die Gewalt in den Familien steige.

Staatspräsident Cyril Ramaphosa genieße nach wie vor das Vertrauen der Bevölkerung. Doch seien die Herausforderungen, vor denen er stehe, enorm. Koegelenberg wünscht sich u.a., dass er die Sozial- und Betreuungsarbeit der Kirchen und Glaubensnetzwerke fördert. Ihre Leistungen seien effizienter als staatliche. Sie bekämen jedoch kaum Mittel. Auf ein Umdenken hofft er auch bei ausländischen Regierungen und internationalen Agenturen, die – wie in Südafrika – hauptsächlich Regierungen unterstützen, die wiederum die Vergaberichtlinien so gestalteten, dass Kirchen und Glaubensgemeinschaften die Kriterien nicht erfüllten.

Wenn Sie am Interview im vollen Wortlaut interessiert sind, dann finden Sie es hier.
Udo Hahn, Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing, führte es am 16. Juni 2020.

Hinweis: Das Gespräch vom 7. April ist hier abrufbar.

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