Leuchtendes Beispiel für Versöhnung und Frieden
Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomäus I., wird am 6. Juni mit dem Ökumenischen Preis der Katholischen Akademie in Bayern geehrt. 2014 wurde er mit dem „Tutzinger Löwen“ der Evangelischen Akademie Tutzing ausgezeichnet. Akademiedirektor Udo Hahn würdigt den Patriarchen, der vielleicht im Krieg zwischen Russland und der Ukraine vermitteln könnte.
Er ist der wohl dienstälteste Oberhirte in der weltweiten Christenheit: der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomäus I., inzwischen 85 Jahre alt und in diesem Amt seit 1991 aktiv. Als Ehrenoberhaupt der orthodoxen Kirche ist er international ein angesehener Gesprächspartner – in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft – und in der Ökumene ein verlässlicher, hoch geschätzter Dialogpartner. Der Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) und frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sieht in ihm „einen der wichtigsten religiösen Impulsgeber unserer Zeit“. Der frühere bayerische Landesbischof wird dies in seiner Laudatio weiter ausführen, wenn Bartholomäus I. am 6. Juni in München den Ökumene-Preis der Katholischen Akademie in Bayern erhält.
2014 nahm Bartholomäus I. in einem Festakt, den die Griechische Akademie e. V. in München für ihn ausrichtete, den „Tutzinger Löwen“ der Evangelischen Akademie Tutzing entgegen. Die Auszeichnung steht für Toleranz und Weltoffenheit – beide Tugenden bestimmen die Haltung des Ökumenischen Patriarchen „in vorbildlicher Weise“, wie es in der Urkunde heißt. Und weiter: Mit dieser Auszeichnung würdigt die Akademie „Ihr Engagement für die weltweite Ökumene, für Verständigung und Versöhnung über Konfessions- und Völkergrenzen hinweg sowie Ihren Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung“.
Ich habe damals darauf hingewiesen, dass bis heute der Beitrag der orthodoxen Kirche zur Ökumene viel zu wenig beachtet wird. Dabei hat gerade das Ökumenische Patriarchat die ersten Gehversuche der ökumenischen Bewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts wesentlich gefördert.
Bartholomäus I. dankte in seiner Rede für die Anerkennung des weltweiten Dienstes der Orthodoxie. Sie wolle, wie er sagte, einen Beitrag leisten, um die Zersplitterung der Welt zu überwinden. Dies könne nur gelingen, wenn die Unterschiedlichkeit des Einzelnen respektiert werde. Der Dialog sei das einzige Instrument, um Vorurteile zu überwinden, die nach wie vor Kriege verursachten. Der Ökumenische Patriarch würdigte auch die Evangelischen Akademie Tutzing und unterstrich die Ziele ihrer Arbeit. Er erinnerte zudem an die Bedeutung der griechischen Kultur für die europäische Zivilisation. Ihr kulturelles Erbe diene der Völkerverständigung.
Der Vorsitzende der Griechischen Akademie, Stavros Kostantinidis, bezeichnete in dem Festakt den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel als „Leuchtturm“. Er sei für die Gläubigen in der orthodoxen Welt und darüber hinaus „immer ein leuchtendes Beispiel für Versöhnung und Frieden“. Kostantinidis hob in diesem Zusammenhang auch hervor, welch wichtige Rolle die pastorale Arbeit der Orthodoxen Kirche in Deutschland und insbesondere in Bayern bzw. in München spiele.
Geboren wurde Bartholomäus als Dimitrios Archondonis auf der türkischen Insel Imbros. Bei seiner Diakonenweihe erhielt er den Namen des Apostels Bartholomäus. Studien führten ihn nach Rom, Bossey bei Genf und München. Als langjähriger Sekretär von Patriarch Demetrios (1972-1991) sammelte er wichtige Erfahrungen für sein künftiges Amt. Er spricht sieben Sprachen fließend. 1990 wurde er Metropolit von Chalcedon und damit ranghöchster Metropolit der Heiligen Synode. 1991 wurde er zum Ökumenischen Patriarchen gewählt.
Wie er sein Amt als Ehrenoberhaupt ausfüllt, ist innerhalb der Orthodoxie nicht unumstritten. Während er selbst die Rolle Konstantinopels als Mutterkirche der Orthodoxie und eine koordinierende Funktion im Miteinander der rechtlich eigenständigen orthodoxen Kirchen beansprucht, lehnen andere – etwa das Moskauer Patriarchat – dies strikt ab. Wie gravierend dieser innerorthodoxe Streit ist, zeigte sich 2016 beim jahrzehntelang vorbereiteten orthodoxen Konzil von Kreta. Es sollte der Höhepunkt der Amtszeit des Patriarchen werden. Durch die Absagen Moskaus und drei weiterer Kirchen konnte es nicht die erwartete Bedeutung entfalten.
Innerhalb der Orthodoxie eskalierte der Konflikt mit der russisch-orthodoxen Kirche. Ihr Oberhaupt, Patriarch Kyrill I., ist seit langem einer der eifrigsten Unterstützer des russischen Präsidenten Wladimir Putin und seiner antiwestlichen Propaganda. Kyrill I. legitimiert Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine als Abwehrkampf gegen den Westen. Wohltuend dagegen die Botschaft des Ökumenischen Patriarchen. Er schloss sich ohne Zögern zu Beginn des Krieges 2022 den Forderungen nach einem sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine an. In einer Rede sagte er: „Die Invasion und der Krieg müssen sofort enden, und es muss eine neue Gelegenheit für Dialog geben, das beste Instrument des Friedens überhaupt.“ In anderem Zusammengang sagte er: „Krieg im Namen der Religion ist Krieg gegen die Religion.“
Der Streit mit Kyrill I. hat sich inzwischen noch dadurch verschärft, dass Bartholomäus I. in der Ukraine eine von Moskau unabhängige Neugründung unterstützte. Daneben kämpft der Ökumenische Patriarch gegen immerwährende Repressionen der türkischen Regierung und Behörden, die seinen seine gesamtorthodoxen Aufgaben nicht anerkennen und ihn nur als Oberhaupt der wenigen griechisch-orthodoxen Christen in der Türkei sehen.
Diese Widrigkeiten können die Bedeutung von Bartholomäus I. jedoch nicht schmälern. In der hohen internationalen Wertschätzung, die ihm zuteil wird, liegt womöglich eine Chance, zum Beispiel im Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln. Was dafür spricht: Russland wie die Ukraine sind orthodox geprägt. Nachdem Russland den Papst bzw. den Vatikan als Vermittler ablehnt und dem Westen zurechnet, hätte einer, der die konfessionelle Basis teilt, einen Vorteil. Und auch wenn der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan ein erklärter Gegner des Ökumenischen Patriarchen ist, hätte er bei möglichen Verhandlungen in der Türkei mit Bartholomäus I. einen Partner, der alles auf die Waagschale werfen würde, um jegliche Bemühungen um Frieden und Versöhnung zu fördern.
Zugegeben, das sind verwegene Gedanken. Viele der Akteure müssten nämlich über ihren Schatten springen. Zugleich gäbe er für alle Beteiligten aber ziemlich viel zu gewinnen. Die Weltgemeinschaft wie die Konfliktparteien sollten sich diese Chance nicht entgehen lassen.
Der Autor ist Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing.
Bild: Bartholomäus I. (m.) bei der Verleihung des Tutzinger Löwen” am 17. Mai 2014 mit Akademiedirektor Udo Hahn (l.) und Stavros Kostantinidis (r.). (Foto: Markus Schlaf /eat archiv)