Ein Jahresrückblick der besonderen Art

“Mensch 2020” hieß die Dezemberausgabe der ZDF-Politsatire “Die Anstalt” in Anspielung auf ein bekanntes Format der TV-Jahresrückblicke. Das Team um Max Uthoff und Claus von Wagner führte in der Folge sowohl die bekannten als auch schon wieder in Vergessenheit geratenen Absurditäten des Pandemiejahrs 2020 vor.

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Per Online-Schalte begrüßte Akademiedirektor Udo Hahn seine beiden Gesprächsgäste zur letzten Folge “Die Anstalt – Politische Satire im Schloss” im Jahr 2020, um die Hintergrund-Tonspur der Sendung vom 8.12. abzuhören und die angesprochenen Themen zu diskutieren. Neben dem “Anstalt”-Autor Dr. Dietrich Krauß war dies Dr. Mandy Tröger, Historikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Die Themenmischung der “Anstalt”-Folge vom 8.12.2020 war so bunt durchmischt wie das Jahr 2020 – über ihnen thronend, das alles bestimmende Thema Corona. Die Protagonisten der Sendung: Isaac Newton und das Wissenschaftsjahr 2020, Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und die Autobahnreform, die Volten um den Pflegebonus, die Debatte um das Prädikat “systemrelevant” und der Überlebenskampf der Kunst- und Kulturschaffenden, das Duell der Virologen Drosten und Streeck, die Medienberichterstattung im Pandemie-Jahr, das Krisenmanagement von Kanzlerin Merkel, das Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage (Infektionsschutzgesetz), Lockdown und Lockdown light, Cancel Culture, Dieter Nuhr als Buchkritiker sowie Videos aus der Corona-Wirklichkeit. Wem in diesem Jahr die Debatten um diese Themen entgangen sein sollten, dem sei nicht nur die Sendung empfohlen, sondern auch der “Faktencheck”, den die “Anstalt”-Redaktion regelmäßig als Bonus zu jeder Folge mit veröffentlicht (für die Sendung vom 8.12.2020 hier abrufbar).

Im Gespräch mit Udo Hahn ging es nicht nur um die Politik und die Pandemiebekämpfung, sondern vor allem auch um die Medien. Sowohl “Anstalt”-Autor Krauß als auch Wissenschaftlerin Tröger beklagten zu wenig Ausgewogenheit bei Themen, das Zeigen der immer wieder gleichen Expertengesichter, das Aufspringen auf jedes hochgejazzte Thema (Beispiel: Trump) und zu wenig Konzentration auf Inhalte und ihre Einordnung.

Mandy Tröger sieht etwa den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Pflicht, Widersprüche aufzudecken, wie es etwa in der “Anstalt” geschehe. “Leitmedien müssen sich immer wieder legitimieren”, ist Tröger überzeugt. Krauß kritisierte eine oft “oberflächliche Berichterstattung” und mahnt eine Mediendebatte an. Warum etwa bekommen manche öffentlichen Figuren so viel mehr medialen Raum als andere? Und warum verstärken so viele Redaktionen offensichtlich vor allem die Protestrufe der Coronaleugner als die der Mitarbeitenden im Pflegesektor, indem sie den einen Stimmen viel Sendezeit einräumen und den anderen zu wenig?

Es sind die Orte zwischen den Stühlen, die Stimmen der Nicht-Gehörten und die Widersprüche in Politik, Wissenschaft und Gesellschaft, denen die “Anstalt” Sendezeit geben möchte. Die Lehren aus den Widersprüchlichkeiten des Jahres 2020 sind wiederum vielseitig. Eine will die Wissenschaftlerin Mandy Tröger allerdings besonders festhalten: Corona ist das Jahr, das uns gezeigt hat, dass das Private politisch ist. “Corona zwingt uns, Position zu beziehen”, sagt sie – und hält damit auch fest, warum es sich lohnt, sich mit Widersprüchlichkeiten auseinanderzusetzen.

Dorothea Grass

 

→ Den Mitschnitt des Gesprächs von Udo Hahn mit Dietrich Krauß und Mandy Tröger können Sie auf dem YouTube-Kanal der Evangelischen Akademie Tutzing (#EATutzing) oder direkt über diesen Link abrufen.

Bild: Udo Hahn, Dietrich Krauß und Mandy Tröger in der Online-Gesprächsveranstaltung über die ZDF-Politsatire “Die Anstalt” vom 8.12.2020 (Collage: dgr/eat archiv)

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