„Die Zukunft der Medien ist die Zukunft der Demokratie“

In seiner Begrüßung zur Sommertagung machte Wolfgang Thierse, Leiter des Politischen Clubs der Evangelischen Akademie Tutzing, nicht nur den Anspruch der Veranstaltung deutlich – er verwies damit auch auf die Verantwortung der Medienmacher und -nutzer.

„Medien im Wandel – Medien in der Krise?“ – so lautete die zentrale Frage auf der Sommertagung des Politischen Clubs der Evangelischen Akademie Tutzing vom 15. bis 17. Juni 2018. In der Auftaktrede konstatierte der Journalist und Autor Ulrich Wickert eine „Banalisierung der Öffentlichkeit“. Die spiegele sich in der Berichterstattung: Statt inhaltlicher Vorstellungen stünden Äußerlichkeiten im medialen Interesse, so der frühere „Tagesthemen“-Moderator am Freitagabend in Tutzing. Die Fernsehsender und Zeitungen setzten auch wegen des gestiegenen Konkurrenzdrucks immer stärker auf Voyeurismus.

Der unverrückbare Maßstab für alle Formen des Journalismus müsse die Würde des Menschen sein, was von vornherein jeden „Appell an die niederen Instinkte des Menschen“ oder die „Sensation um jeden Preis“ ausschließe, sagte Wickert. Die Maxime, nach denen der Journalismus handeln solle, seien deshalb Glaubwürdigkeit, Nutzen für den Empfänger und dann erst die Geschwindigkeit.

Den Medien komme nach Überzeugung Wickerts eine zentrale Rolle für das demokratische Gemeinwesen zu. Sie müssten entscheiden, welchen Politikern und welchen populistischen Provokationen sie eine Plattform bieten. Allerdings komme auch den Nutzern eine entscheidende Rolle zu. In Zeiten, in denen Algorithmen über die Präsenz eines Themas im Internet entscheiden, müsse der Nutzer sein mediales Konsumverhalten verantwortlich abwägen, sagte Wickert.

Bürgerliche Verantwortung

Diese Thematik griff Carsten Reinemann, Professor für Kommunikationswissenschaften mit dem Schwerpunkt politische Kommunikation an der LMU München, in seinem Vortrag am Sonntag auf. Durch die Explosion des Medienangebots, vor allem durch die sozialen Netzwerke, entstünde Öffentlichkeit zunehmend abseits der klassischen Medien. Jeder Mediennutzer habe heute die Möglichkeit, Informationen selbst zu recherchieren, diese zu bewerten und zu kommentieren – und damit selbst Öffentlichkeit zu schaffen. Dieses „Mehr an Freiheit“ bringe aber auch für jeden Bürger Verantwortung im Umgang mit Medien mit sich. Daraus ergäben sich mehrere Handlungsprinzipien.

Plattformen regulieren und Qualitätsjournalismus stärken

Trotz Zeitungskrise, dem Vorwurf der Lügenpresse und Fake News beurteilten Medienpolitiker, Verleger und Chefredakteure auf der Tagung die Zukunft des Qualitätsjournalismus verhalten optimistisch. Als Voraussetzung dafür wurden eine Regulierung des Internets, insbesondere der großen Social-Media-Plattformen, und eine Rückbesinnung auf journalistische Standards genannt.

Bei der Podiumsdiskussion mit Politikern am Sonntag regte CSU-Generalsekretär Markus Blume eine umfassende und starke Medienordnung an, die auch für die großen Plattformen gelten müsse. Diese Plattformen, wie etwa Facebook, gestalteten „hochgradig die Öffentlichkeit mit und müssen es sich deshalb gefallen lassen“, sagte er.

ZDF-Chefredakteur Peter Frey hatte am Samstag im Politischen Club erklärt, die Plattformen seien Monopole, „die weder dem Pluralismus dienen noch den Grundlagen eines wettbewerbs-orientierten Kapitalismus entsprechen“. Der Journalismus müsse akzeptieren, dass er durch diese Plattformen seine ursprüngliche Rolle verloren habe, Informationen zu liefern und als eine Art „Torwächter“ zu gewährleisten, dass keine menschenunwürdigen Inhalte und Darstellungen verbreitet werden. Es gebe momentan jedoch keine Alternative zu den sozialen Plattformen, weil nur diese einen Großteil der jüngeren Menschen erreichten.

Mascolo empfiehlt Entschleunigung

An die Adresse seiner journalistischen Kollegen richtete der Journalist Georg Mascolo den Appell, statt auf Hektik und Aufgeregtheit stärker auf Entschleunigung zu setzen. Der Journalismus sei keine Jagd, sondern müsse ein „Ort der Mäßigung und des zweiten Gedankens ein“, so der Leiter des Rechercheverbundes von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“. Beschleunigung sei in vielen Teilen der Gesellschaft ein Fortschritt, die „Beschleunigung des Urteils“ gehöre aber nicht dazu.

Lesen Sie hier den ausführlichen Bericht.

eat / mit Material des Evangelischen Pressedienstes (EPD)

Bild oben rechts: Ulrich Wickert, Journalist, Autor und früherer Moderator der ARD-„Tagesthemen“

Hier können sie die Reden der Vortragenden bei der Sommertagung des Politischen Clubs 2018 nachhören:

Dr. Wolfgang Thierse, Leiter des Politischen Clubs der Evangelischen Akademie Tutzing (Begrüßungsrede vom 15.6.2018)

Ulrich Wickert, Journalist und Autor: „Macht und Verantwortung von Journalismus in politisch-medialen Umbruchzeiten“ (Rede vom 15.6.2018)

Stefan Raue, Journalist und Intendant des Deutschlandradios: „Die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und Fernsehens in veränderter/ verschärfter medialer Konkurrenz“ (Rede vom 15.6.2018)

Georg Mascolo, Journalist und Leiter des Rechercheverbundes von NDR, WDR und “Süddeutscher Zeitung”: „Was ist seriöser Journalismus in hektischer und misstrauischer Zeit?“ (Rede vom 16.6.2018)

Dr. Peter Frey, ZDF-Chefredakteur: „Glaubwürdigkeitskrise? Qualitätsansprüche an Nachrichtenjournalismus angesichts unsicheren Medienvertrauens“ (Rede vom 16.6.2018)

Christian Feld, Journalist und ehem. WDR-Korrespondent in Brüssel, Fellow der Nieman Foundation fo Journalism at Harvard University Köln: „Hass und Fake News im Internet – wie können / sollen Journalisten und Nutzer damit umgehen?“ (Rede vom 16.6.2018)

Julia Bönisch, Journalistin und Chefredakteurin von Süddeutsche.de sowie Mitglied der Chefredaktion der „Süddeutschen Zeitung“: „Alles anders im Online-Journalismus?“ (Rede vom 16.6.2018)

Alexandra Holland, Herausgeberin der „Augsburger Allgemeinen“: „Welche Zukunft hat die Zeitung?“ (Rede vom 16.6.2018)

Prof. Dr. Carsten Reinemann, Professor für Kommunikationswissenschaften mit dem Schwerpunkt politische Kommunikation an der LMU München: „Vergröberung der kommunikativen Sitten? Die Verantwortung der Bürger für die Kommunikationskultur unserer Gesellschaft“ (Rede vom 17.6.2018)

Podiumsdiskussion: „Aufgaben der Politik zur Zukunftssicherung von Medienfreiheit, Medienvielfalt und demokratischer Kommunikationskultur“ (17.06.2018)
Statement von CSU-Generalsekretär Markus Blume
Statement von Heike Raab, Staatssekretärin und Bevollmächtigte beim Bund und in Europa für Medien und Digitales
Statement von Tabea Rößner, Sprecherin für Netzpolitik und Verbraucherschutz der Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen

Linktipp:
Hören Sie hier das Interview von Ulrich Wickert mit dem Bayerischen Rundfunk zum Thema der Sommertagung des Politischen Clubs der Evangelischen Akademie.

Dr. Peter Frey, Chefredakteur des ZDF, sagte, Plattformen wie Facebook seien Monopole, „die weder dem Pluralismus dienen noch den Grundlagen eines wettbewerbs-orientierten Kapitalismus entsprechen”.

„Aufgaben der Politik zur Zukunftssicherung von Medienfreiheit, Medienvielfalt und demokratischer Kommunikationskultur“ war das Thema der politischen Podiumsdiskussion am Sonntag. Es debattierten: Markus Blume (CSU), Heike Raab (SPD) und Tabea Rößner (Bündnis 90 / Die Grünen) – gemeinsam mit dem Leiter des Politischen Clubs, Dr. Wolfgang Thierse.

Georg Mascolo, Journalist und Leiter des Rechercheverbunds des NDR, des WDR und der „Süddeutschen Zeitung“, fordert von den Journalisten mehr Demut.

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