“Die Klimakonferenz war für mich eine sehr ambivalente Erfahrung”

Joshua Steib, Jugendbotschafter der Evangelischen Akademie Tutzing, war als UN-Jugenddelegierter zu Gast auf der 26. Weltklimakonferenz sowie dem vorbereitenden Jugendklimagipfel (Conference of Youth, COY16). Wir haben ihn nach seinen Erlebnissen gefragt – sowohl inhaltlich als auch persönlich.

 

Evangelische Akademie Tutzing: Herr Steib, bevor wir auf das inhaltliche Programm eingehen, das Sie in den letzten Wochen als UN-Jugenddelegierter miterleben dürften, würden wir gerne wissen: Was nehmen Sie selbst mit von Glasgow?

Joshua Steib: Die Klimakonferenz war für mich eine sehr ambivalente Erfahrung: Auf der einen Seite bin ich sehr dankbar für all die Klimaaktivisten und Klimaaktivistinnen, die ich auf der COP26 kennenlernen durfte. Deren Geschichten und tagtäglichen Einsatz für den Klimaschutz – oft in viel stärker betroffenen Regionen als Deutschland – haben mich zutiefst berührt und hoffnungsvoll für die bevorstehende Herausforderung des Klimawandels gestimmt. Gleichzeitig war es immer wieder frustrierend zu sehen, dass genau diese inspirierenden Jugendlichen nach wie vor nicht an den Lösungsansätzen beteiligt werden.

Worum genau ging es bei der Konferenz?

Bei der Weltklimakonferenz kommen fast 200 Nationen der Welt zusammen, um gemeinsam die Klimapolitik der nächsten Jahre zu erarbeiten. Dabei hat jeder Tag der zweiwöchigen Konferenz ein anderes Leitthema. Beispiele für diese Tagesmottos waren Klimafinanzierung, nachhaltiger Transport, Jugendpartizipation, et cetera. Glasgow wurde vor der Konferenz als bahnbrechendste Konferenz nach der COP21 (United Nations Framework Convention on Climate Change, 21st Conference of the Parties, kurz COP 21, Anm. d. Red.), auf der 2015 das Pariser Klimaabkommen verabschiedet wurde, prognostiziert. Nachdem Paris die Frage “Was?”, also welche Klimaziele wir brauchen, beantwortet hat, sollte Glasgow das “Wie?”, also welche konkreten Umsetzungsansätze wir brauchen, beantworten.

Was wurde erarbeitet?

Mit dem “Glasgow Climate Pact”, also der Abschlusserklärung der Weltklimakonferenz wurde offiziell das Ende der Kohle-Ära eingeleitet. Alle beteiligten Länder haben beschlossen, Kohlestrom zu reduzieren – bis kurz vor Ende war noch von einem Abschaffen des Kohlestroms die Rede. Die signifikante Abschwächung wurde ein paar Stunden vor Ende der Konferenz von China und Indien eingebracht. Da die Weltklimakonferenz – wie fast alle Prozesse der Vereinten Nationen – konsensbasiert ist, muss jedes Land der Abschlusserklärung zustimmen. Dieses System macht Änderungen möglich, die von der breiten Mehrheit der Staatengemeinschaft abgelehnt werden, da für viele Staaten abgeschwächte Beschlüsse besser als keine Beschlüsse sind.
Bei der COP26 schlossen sich fast 100 Staaten einer Initiative zur Reduzierung des Treibhausgases Methan an. Methan hat eine 28 mal stärkere Treibhauswirkung als CO2. Länder wie Indien, China und Russland, die zu den fünf größten Verursachern von Methanemissionen gehören, haben sich dieser Initiative leider nicht angeschlossen.
Ein weiterer zentraler Beschluss war die Selbstverpflichtung von über 100 Staaten, die Zerstörung von Wäldern bis 2030 zu stoppen. Die teilnehmenden Staaten dieser Initiativen repräsentieren über 85 Prozent der weltweiten Waldfläche – das sind kumuliert etwa 34 Millionen Quadratkilometer.

Sie waren als Jugenddelegierter in Glasgow unterwegs. Eingangs haben Sie berichtet, dass Jugendliche bei Debatten über Lösungsansätzen nicht beteiligt wurden. Was genau ist Ihr Eindruck?

Im Bereich Jugendpartizipation haben wir – gerade in Deutschland – noch viele Baustellen, die wir in den nächsten Jahren beseitigen müssen. Das hat mir die Weltklimakonferenz noch einmal ganz deutlich gezeigt. Deutschland ist wie ein Läufer, der einen Staffellauf alleine rennt. Jugendliche werden konstant auf die Tribüne verbannt, anstatt an der Lösungsfindung beteiligt zu werden – gerade im Bereich Klimaschutz. Fast alle skandinavischen Länder nehmen zum Beispiel Jugendliche in ihre Verhandlungsdelegation auf – dort werden Jugendliche vorbereitet, am Verhandlungstisch zu sitzen und mitzuentscheiden. Am zweiten Tag der Konferenz durfte ich als einer von 20 Jugenddelegierten eine Stunde lang mit sechs Premierministern und Premierministerinnen und einem Präsidenten der skandinavischen Länder über Klimafinanzierung und Klimabildung diskutieren. Der Staatssekretär des Bundesumweltministeriums Herr Flasbarth hatte auf meine Nachfrage in den zwei Wochen der Konferenz leider keine freie Minute für eine Diskussion.

 

Mehr über Joshua Steib:
Joshua Steib verstärkt als Jugendbotschafter seit Juni 2020 das Referat Junges Forum der Evangelischen Akademie Tutzing (mehr dazu hier). Zuvor leitete er bereits Tagungen wie das Zukunfts-Lab 2019 des Jungen Forums mit, in denen Umweltpolitik, Digitalität und Ethik mit jungen Menschen diskutiert wurden. Anlässlich seines Aufenthaltes beim Jugendklimagipfel der Vereinten Nationen und der Weltklimakonferenz in Glasgow haben einige deutsche Medien über unseren Jugendbotschafter berichtet. So war er zum Beispiel im Fernsehen bei ntv, RTL aktuell und im RTL Nachtjournal zu sehen, im Social-Media-Interview von orange_by_Handelsblatt (dem Jugendmagazin des Handelsblatts) sowie in den Podcasts von stern TV und RTL, und des Weltspiegelpodcasts der ARD. Auch mit dem Bundespresseamt hat Joshua Steib gesprochen.

Unser Jugendbotschafter als UN-Jugenddelegierter in den Medien (Auswahl):

Bild: Joshua Steib in Glasgow (Foto: privat)

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