Tagungsbericht: Good Vibes in politischen Krisen

Einsamkeit junger Menschen als Gefahr für die Demokratie, Diversity in Medien und Kunst, die sichere Orte schafft – Rückblick auf eine Jugendtagung für Mut und Zuversicht in Krisenzeiten.

Hoffnung, Mut und Stärke: Good Vibes braucht es auch und gerade in politischen Krisen. Die Tagung für junge Menschen war ermutigend und inspirierend. Dies gleich vorweg. Die Zeiten sind herausfordernd:  Russlands Krieg gegen die Ukraine, der Rechtspopulismus in Deutschland, die Lage im Nahen Osten – Israel, Gaza, Iran – und die USA unter Donald Trump… Und das sind nur einige der aktuellen politischen Krisen weltweit. Zugleich: Das eigene Leben geht weiter. Dabei stellt sich immer wieder die Frage: Wie kann und soll ich mit all den Krisen umgehen?

Die Tagung “Good Vibes in politischen Krisen” vom 30.5. bis 1.6. 2025 nahm all die genannten Fragen auf. Rund 60 Jugendliche und junge Erwachsene tauschten sich über politische Probleme, aber vor allem über mögliche Lösungen aus. Dazu hatten sie jede Menge Spaß und knüpften neue Kontakte. Das Junge Forum der Evangelischen Akademie Tutzing kooperierte mit Talent im Land – Bayern. Die START-Stiftung war ebenso Kooperationspartnerin.

Einsamkeit und Vertrauen in unsicheren Zeiten

Im ersten Workshop “Vertrauen in unsicheren Zeiten” kommentierten die jungen Tagungsgäste die politische Lage. Die Mehrheit betrachteet die Entwicklungen mit Sorge. Das deckt sich mit Ergebnissen aktueller Jugendstudien, wie z.B. der Shell-Jugendstudie 2024. Ein Tagungsgast sagte: “Krisen sind präsent, aber man muss sie bekämpfen! Wenn nicht jetzt, wann dann?” Ein anderer: “Man braucht Optimismus, Initiative und Motivation.” Familie und Glaube sind für viele wichtige Ressourcen und Kraftquellen.

In der Tagungsgemeinschaft wirkte das Thema Einsamkeit für einen Moment weit entfernt. Und doch war schnell klar, dass man sich auch in Gemeinschaft alleine fühlen kann. Melanie Weiser, Projektmanagerin Resiliente Demokratie beim Progressiven Zentrum, zeigte auf, dass Einsamkeit etwas sehr Subjektives ist. Für manche bedeutet es, einen Tag lang keinen Kontakt mit Freund:innen zu haben, während sich andere mit wenigen Kontakten wohlfühlen. “Es gibt keine gute Einsamkeit”, so Weiser. Einsamkeit bedrohe auch die Demokratie. Menschen, die einsam sind, neigen dazu, sich rechtsextremen bzw. populistischen Gruppen anzuschließen. Weiser sagte, dass wir in der “Pandemie der Einsamkeit” leben. Mehr als 55 Prozent aller Jugendlichen seien einsam, was auf ein strukturelles Problem in unserer Gesellschaft hinweise. Die Referentin spannte den Bogen zur Zufriedenheit der Bürger:innen mit der aktuellen Demokratie in Deutschland. Ihr Fazit: Obwohl ca. 50 Prozent der Bürger:innen mit der Demokratie nicht zufrieden sind, sei die Demokratie die beste Staatsform, die heutzutage existiert. Um sich weiterzuentwickeln und die beste Staatsform zu bleiben, brauche die Demokratie jedoch Innovationen und Reformen. Hier sei die Zivilgesellschaft gefragt. Um den weiteren Rechtsruck zu verhindern, sei auch ein Engagement gegen Einsamkeit wichtig. Weiser stellte ihren Methodenkoffer gegen Einsamkeit vor, der in Schulen genutzt werden kann.

Ein weiterer Workshop widmete sich dem Themenspektrum Identität und Diversität. Ehrenamtliche Teamer:innen des Vereins ufuq.de (arabisch für Perspektiven) zeigten, dass Identität nicht aus einer einzigen Eigenschaft bestehe. Menschen mit rechtsextremen Einstellungen fokussieren sich vor allem auf das Merkmal Deutschsein in ihrem eigenen Identitätskonzept. Diese einseitige Vorstellung sei problematisch, so die Referierenden, denn sie schließe viele Menschen prinzipiell aus.

Kunst als sicherer Ort und das Recht als Schutz für alle

Die eigene Identität zu finden und sich auszudrücken, kann durch Kunst geschehen. Der nächste Workshop sollte Kunst und Zuversicht erlebbar machen und in eigenen Kunstwerken sichere Orte darstellen. In der Malerei drückten die Tagungsgäste aus, welche realen Räume, wie das eigene Zimmer oder der Strand am Lieblingsort, Sicherheit vermitteln. Oder welche Tätigkeiten, Hobbys, Bezugspersonen oder politische Visionen, wie weitweiter Frieden, für die Tagungsgäste ein sicheres Gefühl bedeuten. Diese Workshops waren offen für alle auf der Tagung. Kunst sollte kein exklusives Gut sein, sondern ein Raum, in dem sich jeder ausdrücken und wiederfinden kann – unabhängig von Herkunft, Bildung oder sozialem Status, so die Künstlerin Lora Kortes. Von ihr angeleitet, bildeten die Tagungsgäste ihre eigenen sicheren Orte mit Inkpens auf Papier ab. Die Open-Air-Galerie im Rosengarten der Evangelischen Akademie Tutzing stellte alle neuen Kunstwerke der Tagungsgäste aus. Die Bilder sind in der Fotogalerie unter dem Artikel zu sehen.

Dr. Bijan Moini beschäftigte sich mit dem Thema, wie Recht die Zivilgesellschaft schützt und stärkt. Das Recht setzt Regeln und Grenzen, an die sich alle halten müssen. Es sichert damit die Menschen- und Grundrechte, so der Jurist. Deutschland hat weltweit eines der stärksten Gerichtssysteme, was den funktionierenden Rechtsstaat und die Demokratie ausmachen. Der Rechtspopulismus in Deutschland und in den USA bereitet Dr. Moini große Sorge, besonders wie Trump agiere. Für den US-amerikanischen Präsidenten zähle nicht, was erlaubt, sondern was möglich sei. Dies sei in einer Demokratie sehr gefährlich.

Mutmacherin für Medien in Diversity

Die Journalistin Ella Schindler eröffnete ihren Vortrag mit dem Bekenntnis, dass sie sich entschieden habe, “Mutmacherin” zu werden. Die Co-Vorsitzende der Neuen deutschen Medienmacher:innen e.V. wolle Mut machen, “die Gesellschaft abzubilden, so wie sie ist – und sie ist divers”. Die Medien würden jedoch einige soziale Gruppen nicht zeigen, wie zum Beispiel Menschen mit Behinderung oder Geflüchtete. Schindlers Ziel ist es, in Medien die Vielfalt unserer Gesellschaft realistisch abzubilden, ohne Menschen zu idealisieren oder zu übersehen. Ein großes Problem bleibe jedoch, dass die Medien nicht divers sind. 90 Prozent der Mitarbeitenden sind in Deutschland geboren und haben keinen Migrationshintergrund. So sei es für die Medien selbst herausfordernd, divers zu sein, wenn es in ihren eigenen Strukturen wenig Diversität gäbe. Schindler forderte Ehrlichkeit und Klarheit im Journalismus und sagte: “Man muss Dinge benennen, wie sie sind.” Junge Menschen erfahren heutzutage jedoch mehr aus den sozialen Medien als aus klassischen Nachrichtensendern. Das hat zum einen Auswirkungen auf die Wahrnehmung von Nachrichtenwerten und die Frage, ob Kriterien der Berichterstattung, wie Ausgewogenheit, Neutralität und Sachlichkeit erfüllt sind. Zum anderen werden in den sozialen Medien aber auch diversere Inhalte abgedeckt als in den klassischen Medien, was der Diversitätsabbildung dient.

Aber kann man TikTok, Instagram und Facebook überhaupt noch als “sozial” bezeichnen? Die Plattformen seien alles, so der Journalist Simon Berlin, nur nicht sozial. TikTok und Instagram zielten nur noch auf die hohe Nutzung der Apps, um ihren Betreibern noch mehr Geld durch die angezeigte Werbung einzuspielen. Die Hauptgefahr bestehe darin, dass alle Plattformen von einer einzigen Person gesteuert werden. Wenn eine Plattform mehr als eine Milliarde Nutzer:innen hat, kann es sehr gefährlich werden, wenn der CEO entscheidet, bei Wahlen eine Partei zu unterstützen. Elon Musk als Besitzer der Plattform X (ehemals Twitter) und die Kommunistische Partei Chinas, die Anteile an TikTok halte, zeigen, wie sie Wahlentscheidungen beeinflussen könnten.

Von TikTok über Einsamkeit, von Kunst zu Rechtsfragen blieb die Tagung nicht bei der Beschreibung der politischen Krisen stehen, sondern zeigte auch Ressourcen auf, mit diesen umzugehen. Gestärkt und neu vernetzt, machten sich die Tagungsgäste auf den Weg nach Hause. Die Fragen, wie Mut, Hoffnung und Stärke in Krisen helfen können, bleiben weiterhin relevant. Daher wird es auch im nächsten Jahr eine Tagung in Kooperation mit der Start-Stiftung geben: “Good Vibes in politischen Krisen II”. Save the date: 17. – 19. April 2026.

Autor:innen: Mykola Podluzhnyi, Julia Wunderlich, Nora Youssef

Bild: Zeichnungen der jungen Tagungsteilnehmenden im Rosenatrium der Akademie

(Alle Fotos: eat archiv)

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