Franz von Bayern zum 90. Geburtstag

Ein aufmerksamer Zuhörer und genauer Beobachter, kunstsinnig und empathisch – ein Menschenfreund mit einer politischen Botschaft: Herzog Franz, das Familienoberhaupt der Wittelsbacher wird 90 Jahre alt. Eine Würdigung von Akademiedirektor Udo Hahn.

“Die Zukunft kann gelingen, wenn wir Solidarität wieder zu einem zentralen Leitbegriff unserer Gesellschaft machen. Darauf setze ich meine Hoffnung.” Mit diesen Worten endet der Band “Zuschauer in der ersten Reihe”, in dem Franz von Bayern in diesem Frühjahr seine Lebenserinnerungen zusammenstellte. Wäre Bayern noch ein Königreich, würde er, der am 14. Juli seinen 90. Geburtstag feiert, auf dem Thron sitzen.

Unmittelbar davor hält Herzog Franz in dem Buch fest: “Es ist stets viel Glück und Schicksal mit im Spiel. Aber schließlich ist jeder für sich selbst gefordert. Das Unvorhergesehene sollte stets in Rechnung gestellt werden – und, soweit es mich betrifft, hat es sich im Rückblick betrachtet oft als Glück herausgestellt”, bilanziert er seine eigene Lebenserfahrung. Diese Worte spiegeln die (Geistes-) Haltung des Familienoberhaupts der Wittelsbacher wider, die ihn zu einer Ausnahmeerscheinung des europäischen Hochadels machen. Nicht selbstbezogen, sondern gemeinschafts- und gesellschaftsbezogen – so könnte man seine Einstellung beschreiben, die ihn leitet. Dem die “Grundregeln des Miteinanders” stets ein Anliegen sind. Dazu führt er in dem Band aus: “Das Gebot der Fairness, die Achtung vor der Meinung des anderen, das Akzeptieren von Mehrheiten und das Respektieren von Minderheiten, den politischen Gegner nicht als Feind zu sehen und vieles andere. Nur so kann man sich gegenseitig zuhören und Themen in Ruhe durchsprechen. Gingen die Spielregeln verloren, könnte sich auch eine Demokratie in ein Schlachtfeld verwandeln, und des stünde um die politische Entwicklung nicht gut”, macht sich Herzog Franz Sorgen.

Es sind die Sorgen eines Menschen, der am 14. Juli 1933 geboren wurde. Wenige Jahre später muss seine Familie ins Exil gehen – nach Ungarn. Nach dem gescheiterten Attentat des 20. Juli 1944 werden alle Familienmitglieder verhaftet und samt der Kinder in die Konzentrationslager Sachsenhausen, Flossenbürg und Dachau gebracht. Sie sind “Sonderhäftlinge“ – die Familie darf zusammenbleiben, steht aber unter besonderer Beobachtung. Es hätte jeden Augenblick vorbei sein können, beschreibt der Herzog die schwere Last, die sich damals auf die Kinderseele legte.

Volkswirt, Kaufmann, Kunstmäzen

Nach dem Abitur in Ettal studiert er in Zürich und erhält 1960 sein Diplom als Volkswirt und lässt sich als Kaufmann ausbilden. Seine Leidenschaft gehört der zeitgenössischen Kunst. Katrin Stoll, Inhaberin des Auktionshauses Neumeister in München, die seit vielen Jahren das Engagement des Herzogs im Bereich der Kunst begleitet, würdigt ihn in einem Beitrag sein “feines Gespür für die Avantgarde” und dass er zu einem ihrer wichtigsten Förderer und Fürsprecher wurde. Er sammelt Baselitz, Richter und Blinky Palermo – und macht sich als Kunstmäzen einen Namen. 2002 wird sein kunstsinniges Wirken durch die Eröffnung der Pinakothek der Moderne gekrönt.

Die Würdigungen, die gerade erscheinen, listen eine Fülle von Eigenschaften des Herzogs auf. Für Katrin Stoll strahlt er eine “angenehm ruhige, unaufdringliche, empathische und gediegene Autorität aus”. Die Historikerin Marita Krauss, Co-Autorin der Lebenserinnerungen, schreibt im Vorwort: “Herzog Franz von Bayern ist ein geradliniger und humorvoller Mann mit breitem Interessensspektrum, bemerkenswerter Personalkenntnis, guter Beobachtungsgabe und angenehmer Distanz zu sich selbst und seiner Rolle.” Ein aufmerksamer Zuhörer und genauer Beobachter. Eine Besonderheit des Buches, so die Professorin, die in Augsburg Europäische Regionalgeschichte lehrt, sei, dass er offen über seine Beziehung zu dem Juristen und Heilpraktiker Thomas Greinwald spreche, der seit über vierzig Jahren sein Leben teilt. Herzog Franz verbinde dieses Statement mit der Forderung, “in unserer Zeit Liebe in ihrer Vielfalt zu akzeptieren und diese als Selbstverständlichkeit zu behandeln, statt sich hinter angeblicher ‘Toleranz’zu verstecken”.

Zu den Orten, an denen man Herzog Franz immer wieder trifft, gehört auch die Evangelische Akademie Tutzing. Sie beschreibt er mit folgenden Worten: “Zu allen Zeiten haben Menschen nach Orientierung gesucht, nach Antworten auf große Fragen, nach dem Sinn des Lebens ebenso wie nach Lösungen der offenen Themen ihrer Zeit. Die Evangelische Akademie Tutzing ist ein herausragender Bildungsort, an dem Menschen lernen, was unsere Kultur prägt. Sie bietet ihnen Orientierung in den drängenden Fragen unserer Gesellschaft.”

Aufmerksam begleitete er ein Projekt der Stiftung Schloss Tutzing und enthüllte 2018 ein Porträt von Königin Therese von Bayern (1792-1854) – jener Frau, die Namensgeberin einer Wiese in München ist, auf der seit mehr als 200 Jahren das größte Volksfest der Welt stattfindet. Die Bavaria, die weltliche Patronin Bayerns und eines der Wahrzeichen der Landeshauptstadt München, trägt ihre Gesichtszüge. Herzog Franz freute sich sichtlich über das gelungene Porträt, das zum neuen Blickfang des Musiksaals der Akademie geworden ist. Private Spender hatten den Münchner Galeristen und Kunsthändler Daniel Cid Gómez beauftragt, ein Porträt von Therese anfertigen zu lassen. Dabei handelt es sich um ein Bild, das dem berühmten Gemälde von Joseph Karl Stieler (1781-1858) – “Königin Therese im Krönungsornat” – nachempfunden ist. Das Original wurde 1826 gemalt und 1827 durch ihren Mann, König Ludwig I., vom Künstler erworben. Es befindet sich heute im Besitz der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Königin Therese könnte man als das evangelische Gesicht Bayerns bezeichnen. Sie durfte seinerzeit nicht neben ihrem Mann bestattet werden. Auf Initiative von Herzog Franz wurde 2002 ihr Sarkophag in der Abtei St. Bonifaz umgebettet. Eine noble Geste im Geiste ökumenischer Gesinnung.

Die Evangelische Akademie Tutzing gratuliert dem Menschenfreund Herzog Franz von Bayern zu seinem 90. Geburtstag!

Der Autor ist Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing.

Hinweis:
Die Erinnerungen von Franz von Bayern “Zuschauer in der Ersten Reihe” (München 2023, 304 Seiten) sind im C.H.Beck-Verlag erschienen.

Bild: Herzog Franz von Bayern im April 2018 an der Evangelischen Akademie Tutzing (Foto: Haist/eat archiv)

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