Debatte zum assistierten Suizid als Video abrufbar

“Beihilfe zum Suizid in christlicher Fürsorge” hieß die Online-Veranstaltung, zu der die Akademie am 20. April eingeladen hatte. Wer es verpasst hat, kann sich das digitale Podium mit Vertreterinnen und Vertretern aus Theologie, Medizin, Kirche und Diakonie nun als Aufzeichnung auf unserem YouTube-Kanal ansehen.

Zur Aufzeichnung auf unserem YouTube-Kanal #EATutzing

Eingeladen hatte Studienleiter Dr. Hendrik Meyer-Magister gemeinsam mit dem Münchner Regionalbischof Christian Kopp, Vorsitzender der Evangelischen Stiftung Hospiz. Die Veranstaltung lief parallel zur ökumenischen Woche für das Leben. Kopp forderte in seinen Eingangsworten neben der Kultur des Lebens auch eine Kultur des Sterbens.

Beide Veranstalter nahmen eine Debatte auf, die seit Februar 2020 schwelt. Damals hatte das Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe entschieden, dass der Gesetzgeber den assistierten Suizid nicht unmöglich machen dürfe. In der evangelischen Kirche hatte sich um die praktische Umsetzung des Urteils in Einrichtungen der Diakonie seit Jahresbeginn eine Kontroverse entwickelt, zu der auch ein Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (abrufbar unter diesem Link) von Prof. Dr. Reiner Anselm, Prof. Dr. Isolde Karle und Pfarrer Ulrich Lilie beigetragen hatte. Darin hatten sie für die Ermöglichung des begleiteten assistierten Suizids auch in diakonischen Einrichtungen plädiert.

In der Online-Debatte am 20. April bezeichnete der Münchner Professor für Systematische Theologie und Ethik, Reiner Anselm, ein klares Nein zur Möglichkeit des assistierten Suizids als falsch. Diakonie müsse weder für assistierten Suizid werben oder ihn gutheißen, sie müsse auch alles tun, um ihn abzuwenden. “Aber in letzter Konsequenz muss sie den Willen des Menschen akzeptieren – sonst ist Freiheit nur noch ein Etikett”, so Anselm.

Vor einer Fehlinterpretation des Freiheitsbegriffs warnte der katholische Theologe und Psychologieprofessor Eckhard Frick. “Das Horrorszenario wäre für mich eine Freiheit, die nicht mehr beachtet, dass manche Krankheiten zum Suizidwunsch führen”, sagte der Facharzt für Psychosomatik. Kirchliche Einrichtungen müssten “das Leiden in den Mittelpunkt stellen und die Menschen schützen”. Er befürchte durch die kommende Neufassung des Strafgesetzbuch-Paragrafen 217 eine “Vereindeutlichung”, die am Ende schädlicher sei als der bisherige Graubereich bei der Frage des assistierten Suizids.

Die Palliativseelsorgerin Karoline Labitzke verwies darauf, dass Seelsorger die verschiedensten schwierigen Lebenssituationen begleiteten: “Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch wollen oder Menschen, die die zehnte Chemo machen, obwohl es sinnlos ist”, so die Pastoralpsychologin. Es leuchte nicht ein, dass sich Kirche ausgerechnet beim assistierten Suizid zurücknehmen wolle. “Man muss das mit dem Team und der Einrichtung absprechen, und es darf kein Angebot unter anderen sein – aber im Einzelfall kann es dazu kommen”, so Labitzke.

Ein Schutzkonzept für alle Betroffenen forderte Ethik-Trainerin Dorothea Bergmann – vom Suizidwilligen über das Pflegeteam und die Hausärzte bis zu den Seelsorgern. “Die Entscheidung über einen assistierten Suizid muss, wie bei anderen ethischen Fallbesprechungen, von einem multiprofessionellen Team zusammen mit dem Betroffenen getroffen werden”, sagte die Theologin. Den Mitarbeitenden dürfe man dabei mehr zutrauen und müsse sie stärker einbeziehen. Diakonie habe den Auftrag, Leben zu schützen. “Aber wenn wir Menschen in der letzten Lebensphase nicht allein lassen wollen, müssen wir das bis zu Ende durchbuchstabieren”, sagte Bergmann.

“Die christliche Haltung ist: Wir tun alles dafür, um Menschen im Leben zu halten”, Regionalbischof Kopp. Wenn jemand jedoch für sich entscheide, nicht mehr leben zu wollen und die gesetzlichen Vorgaben einen assistierten Suizid ermöglichten, könnten diakonische Einrichtungen diese Menschen nicht einfach wegschicken.

Unter Verwendung von Material des Evangelischen Pressedienstes EPD

Weitere Informationen:

→ Im Seefunken-Podcast der Akademie fasst Studienleiter Dr. Hendrik Meyer-Magister noch einmal seine Sicht auf die Debatte zusammen. Hier abrufen

Bild: Screenshot eat archiv

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