Soziologe Jahn: Utopien helfen in Veränderungsprozessen nicht weiter, Erwachsensein schon

Was bringen Utopien? Sie können in einer immer komplexeren Welt eine “heilsame Ordnung” herstellen – in konkreten Veränderungsprozessen helfen sie jedoch nicht weiter. Dieser Auffassung ist der Soziologe, Organisationsberater und Supervisor Dr. Ronny Jahn. Er fordert: “Mehr Diskurs – weniger Utopie”. Denn erst im im Sichtbarmachen von Unterschieden lernten Menschen kollektiv Konflikte auszutragen.

“Lob des Erwachsenseins” hat Dr. Ronny Jahn seinen Gastbeitrag für die Evangelische Akademie Tutzing betitelt. Der Soziologe, Organisationsberater und Supervisor fordert “Mehr Diskurs – weniger Utopie”. Keinesfalls möchte er das als “Aufgalopp einer im Kern konservativen Diffamierung gesellschaftlichen Aufbruchs” interpretiert haben. Vielmehr geht es ihm um zwei Fragen: die nach den gesellschaftlichen Herausforderungen sowie die nach Funktionalitäten und Dysfunktionalitäten.

Dafür setzt er sich mit dem Begriff der Utopien auseinander und fragt nach den Funktionsweisen von Utopien. Seine Thesen:
1. Utopie und Erwachsensein sind zwei Begriffe mit diffus-normativer Wucht, die jeden Diskurs schnell sprengen können.
2. Nicht jede notwendige Veränderung ist utopisch.
3. Utopien als kollektive Antwort auf eine ausdifferenzierte Welt.
4. Diskurse als Orte des Übersetzens und Verstehens.

Utopien und Erwachsensein stehen in einem “mehr oder weniger produktiven Spannungsverhältnis”, schreibt Jahn. Während Utopien abgekoppelt von der Gegenwart existierten, auf radikale Veränderungen abzielten und “Sicherheit in unsicheren Zeiten” böten, impliziere Erwachsensein ein “Mindestmaß an Bedürfniskontrolle, Erkennen von Abhängigkeit und Endlichkeit sowie die Integration widerstreitender Welterfahrungen.”

Das Thematisieren von Unterschieden, Streiten und Austauschen von Argumenten, sei jedoch Grundvoraussetzung für das gemeinsame Gestalten von Zukunft. “Differenzorientierte Diskurse – und nicht die utopische Idee einer unterschiedslosen Welt – sind damit eine wesentliche Basis demokratischen Zusammenlebens. Sie sind herausfordernde Orte der Übersetzung und des Verstehens.”

Den kompletten Text lesen Sie in unserem Rotunde-Blog.

Hinweis:
Der Autor des Beitrags wird in der Online-Tagung “(K)ein Ort für Utopien?” am 16. März 2021 referieren und mit weiteren Referierenden sowie Gästen diskutieren. Informationen zur Veranstaltung finden Sie hier.

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