„Kino hat eine gesellschaftliche Aufgabe“

Filmproduzent Oliver Berben berichtet im RotundeTalk von den Einbrüchen, die Corona seiner Branche beschert hat, von der Aufgabe des Films und den Herausforderungen für den deutschen und europäischen Filmmarkt.

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Im Filmbusiness gehört Oliver Berben längst zu den erfahrensten und erfolgreichsten Produzenten. Mehr als 180 Fernseh- und Kinofilme sowie Serien sind mit seinem Namen verbunden. Er ist Vorstand bei der Constantin Film, Deutschlands größtem Film- und Fernsehproduzenten und dort für „TV, Entertainment und digitale Medien“ zuständig. „Unglaublich“ nennt er es rückblickend, dass die „Berlinale“ im Februar noch mit Hunderten und Tausenden Gästen – ohne Abstand, in kleinen Räumen und vollen Kinosälen – stattfand. Im „RotundeTalk“ der Evangelischen Akademie Tutzing spricht er über die gravierenden Folgen, die die Corona-Pandemie auch für seine Branche brachte. Dabei erinnert er zu allererst an die rund 700 Beschäftigten der Constantin Film – und an deren Familien. Für alle sei es eine „nie dagewesene Situation“.

Dass Oliver Berben „von Grund auf Optimist“ ist, sagt er wörtlich erst am Ende des Gesprächs. Man spürt es aber bereits von der ersten Silbe an. Diese Zuversicht braucht er auch, denn wie dreht man heute eigentlich unter den geltenden Corona-Abstandsregeln? Natürlich unter Berücksichtigung der geltenden Hygiene- und Schutzmaßnahmen. Freilich gebe es in den Drehbüchern jetzt inhaltliche Veränderungen. Anpassungen seien aber schon immer nötig gewesen im Laufe einer Produktion. Berben verweist auf Außendrehs. Flexibilität gehöre zum Erfahrungsschatz.

Sorgen macht er sich um die Erlebniswelt Kino. Berben spricht von Eskapismus. Das Kino sorgt dafür, dem Alltag entfliehen zu können. Gegenwärtig hätten jedoch viele Menschen Angst vor dem Kino- oder Theaterbesuch wegen möglicher Ansteckungsgefahren. Für die Filmwirtschaft spiele das Kino eine „immense Rolle“. Zwischen vierzig und sechzig Prozent der Umsätze würden dort – je nach Produktionsfirma – erwirtschaftet. Dass die Premiere des neuen James Bond-Spielfilms vom Frühjahr auf den Herbst verschoben wurde, sei deshalb nachvollziehbar. Weitere Premieren-Verschiebungen hält er nicht für ausgeschlossen. Das Kino habe aber auch eine „gesellschaftliche Aufgabe“. Es könne Themen setzen und Gespräche auslösen. In dieser Funktion falle es leider gerade aus.

Kultur und Gesellschaft, da hat Oliver Berben etwas zu sagen. Das macht ihn durchaus zu einem untypischen Vertreter seiner Branche. Umso mehr Gewicht bekommt das, was er zu sagen hat. Mit gut einhundert Millionen Menschen ist der deutschsprachige Raum nicht gerade groß. „Er verfügt aber über eine funktionierende Kulturlandschaft“, so Berben – und die sei auch für dessen Wirtschaftskraft von Bedeutung. „Diese kulturelle Kraft müssen wir erhalten.“ In der aktuellen Situation setzt er auf die kulturelle Förderung des Bundes. „Kultur an sich zu fördern, ist im Land der Dichter und Denker essenziell.“ Daneben sei die wirtschaftliche Förderung auf der Ebene der Bundesländer als klassische Standortförderung zwingend. Man dürfe sich jetzt aber nichts vormachen. Die Spielräume würden enger werden. Deshalb müsse man in Europa über mehr Zusammenarbeit nachdenken.

Nachdenklich macht ihn auch, dass Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus in den letzten Jahren an Gewicht bekommen hätten. Er nehme das „mit großer Besorgnis“ wahr. „Ich dachte, wir hätten gelernt aus diesen Erfahrungen.“ Er hoffe, den Menschen werde klar, dass die Probleme kompliziert seien, dass es keine einfachen Lösungen gebe. Die Entwicklung der letzten Monate in Deutschland wertet Oliver Berben positiv. Der Zusammenhalt, der aus der Not entstanden ist, löse bei ihm Freude aus. „Wenn es darauf ankommt, stehen die Menschen zusammen, suchen sie Gemeinschaft.“ Deutschland sei hier Vorbild.

Der „Spiegel“ schrieb vor einigen Jahren, jüdisches Leben und der Holocaust seien für Berben ein Lebensthema. Im „RotundeTalk“ sagt er ungewöhnlich zurückhaltend, dass er sich da nicht sicher sei. Um dann umso leuchtender davon zu sprechen, wie sehr das Thema doch prägend geworden ist: der Vater Israeli, die Mutter Deutsche. Er sei mit beiden Religionen – Judentum und Christentum – aufgewachsen. „Das war etwas Tolles, in verschiedene Welten eintauchen zu können.“

Und die Welt nach Corona? „Ich hoffe, dass wir aus dieser Krise viel mitnehmen – aus dem Zwischenmenschlichen, aus der Frage, was wichtig ist im Leben.“ Vieles werde anders sein als zuvor. Wenn Oliver Berben diese Prognose wagt, hört sich das nicht bedrohlich an. Wie sagte er doch? Er sei „von Grund auf Optimist“.

Udo Hahn, Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing

Das vollständige Interview mit Oliver Berben ist auf dem YouTube-Kanal der Evangelischen Akademie Tutzing (#EATutzing) abrufbar.

Bild: Oliver Berben im Juli zu Gast an der Evangelischen Akademie Tutzing (Foto: ma/eat archiv)

Oliver Berben und RotundeTalk-Gastgeber Udo Hahn im Schlosspark neben der Rotunde. (Foto: ma/eat archiv)

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