“Eine schöne, reizvolle und anspruchsvolle Aufgabe”

Der Schweizer Publizist Roger de Weck will sich als neuer Leiter des Politischen Clubs der Evangelischen Akademie Tutzing unter anderem die politischen Parteien sowie die Medien zum Thema machen. Seine erste Tagung fragt, wie eine zukunftsfähige deutsche Ostpolitik aussehen könnte. Und er will mehr junge Leute für das Diskursformat interessieren.

Der eine ist die Nummer 17, der andere trägt sie auf dem Rücken. Selbstbewusst und humorvoll präsentierte sich der Schweizer Publizist und Ökonom Roger de Weck im Münchner Presseclub als neuer Leiter des Politischen Clubs der Evangelischen Akademie Tutzing. Sechzehn Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Medien hatten vor ihm diese Aufgabe inne – zuletzt Bundestagspräsident a.D. Wolfgang Thierse. Beim anderen Top-Club, dem FC Bayern München, trage Sadio Mané die Nummer 17, merkte de Weck mit einem Augenzwinkern an. Die Leitung des Politischen Clubs bezeichnete der frühere Chefredakteur der Zeit als “eine wirklich schöne, reizvolle und anspruchsvolle Aufgabe”, die er “mit großem Respekt” angehe. Ein Jahr sei er alt gewesen, als dieses inzwischen älteste Tagungsformat der Akademie 1954 gegründet wurde. Mit 68 wolle er sich gerne einbringen.

Im Frühjahr 1990 war Roger de Weck zum ersten Mal zum Vortrag in der Akademie. Damals sei er als in Deutschland lebender Schweizer um einen Innen- wie Außenblick gebeten worden. Es ging um die sich abzeichnende Vereinigung Deutschlands. Angela Merkel, damals noch weithin unbekannt, habe ebenfalls an der Tagung teilgenommen, erinnert sich de Weck.

Roger de Weck ist Autor und Gastprofessor am College of Europe in Brügge. Zuletzt erschien “Die Kraft der Demokratie – Eine Antwort auf die autoritären Reaktionäre” (Suhrkamp, 2022, erweiterte Taschenbuchausgabe). Von 2011 bis 2017 war er Generaldirektor der Schweizer Radios und Fernsehens, 2004-2010 Stiftungsratspräsident des traditionsreichen Graduate Institute of International and Development Studies in Genf, 1997-2001 Chefredakteur der “Zeit” in Hamburg. Lang moderierte er die Fernsehsendung “Sternstunden Philosophie” auf 3Sat und SRF1. Der zweisprachige Schweizer ist Autor von Bestsellern, namentlich “Nach der Krise – Gibt es einen anderen Kapitalismus?”. Er studierte Volkswirtschaft an der Universität St. Gallen. Roger de Weck sitzt unter anderem im Stiftungsrat des Internationalen Karlspreises Aachen, im Vorstand von SOS Méditerranée (Seenotrettungsschiff “Ocean Viking”) und im Wissenschaftlichen Beirat der Zeitschrift “Critique Internationale” (SciencesPo Paris). Er ist Ehrendoktor der Universitäten Freiburg und Luzern. Er ist Ehrendoktor der Universitäten Freiburg und Luzern.

Der Publizist ist in den zentralen gesellschaftspolitischen Debatten zu Hause und über Parteigrenzen hinweg anerkannt, hob Akademiedirektor Udo Hahn. Eine zwingende Voraussetzung für die Aufgabe als Leiter des Politischen Clubs. Und er sei in der Lage, jenseits der eigenen Positionsbestimmungen den Diskurs moderieren zu können. Die Rolle des Moderators liegt de Weck. Dabei sei es “das Wichtigste, dass der Ball rollt und nicht der Moderator sich aufplustert”. Zuhörenkönnen sei gefragt. Die Akademie sei dazu da, sich von den Medienmechanismen zu befreien und einen erkenntnisorientierten Diskurs zu ermöglichen, so de Weck.

Thematisch wolle er sich nach der ersten Tagung vom 11.-13. November, in der es um die Beziehungen zwischen Deutschland und Osteuropa geht, unter anderem den bundesdeutschen Parteien und den Medien widmen. Und er hat sich zur Aufgabe gemacht, junge Leute für den Politischen Club zu begeistern. Die Art und Weise wie die jüngere Generation debattiert, sei oft eine andere. Er glaube aber, je medialer eine Gesellschaft sei, desto stärker werde das Bedürfnis nach persönlichem Kontakt. Dafür sei gerade die Evangelische Akademie Tutzing ein guter Ort. “Mir gefällt die jüngere Generation”, bekennt de Weck. Die 1968er hätten die Welt verbessern wollen, junge Leute heute seien pragmatischer. Ihr Ziel sei es, das Schlechte, etwa die Klimakatastrophe, abzuwenden.

Zur Rolle der Kirchen in der Gesellschaft sagte der Katholik de Weck: “Wenn man nach Orientierung sucht, dann ist das Angebot der Kirchen auf jeden Fall ein orientierendes, ob man es nun annimmt oder nicht.” Gerade in den großen Krisen hätten die Kirchen eine wichtige Aufgabe. Sie könne außerordentlich konstruktiv sein, aber auch zerstörerisch wirken, meinte er im Blick auf die Russisch-Orthodoxe Kirche und ihren Patriarchen Kyrill, der Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine gutheißt.

Dorothea Grass

Foto: Vorstellung im Presseclub München im Oktober 2022: Roger de Weck und Akademiedirektor Udo Hahn (links im Bild). (Foto: Holzmann/ eat archiv)

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Zum Porträt in der Süddeutschen Zeitung (10.10.2022) von Viktoria Spinrad

Roger de Weck

“Das deutsche Nachkriegsdenken funktioniert nicht mehr. Die Evangelische Akademie Tutzing ist guter Ort, um darüber zu debattieren, wie es weitergeht. Erst recht, wenn der Primat der Politik zurückgekehrt ist. Das war in der Pandemie unübersehbar, das gilt in Zeiten des Krieges, im Blick auf den ökologischen Umbau und die Europäische Union. Da ist Orientierung ist gefragt.” Roger de Weck bei seiner Vorstellung im PresseClub in München.

Seine vollständige Rede können Sie hier abrufen (PDF)

(Foto: Isabelle Holzmann/eat archiv)

Udo Hahn

“In den letzten Jahren hat Roger de Weck sich intensiv mit der Demokratie beschäftigt. Seine Analyse ragt aus meiner Sicht heraus, weil es ihm gelingt, über die Darstellung der wahrlich enormen Herausforderungen hinaus den Blick für Lösungen zu schärfen.” Akademiedirektor Udo Hahn im Presseclub München anlässlich der Vorstellung von Roger de Weck als neuer Leiter des Politischen Clubs.

Die vollständige Rede von Udo Hahn lesen Sie hier im PDF.

(Foto: Isabelle Holzmann / eat archiv)

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