Das Virus, dieses „ambulante Gschwerl“

Es sind ernste Zeiten, in denen wir leben. Zu ernst, findet Gerhard Polt. Im RotundeTalk der Evangelischen Akademie Tutzing sprach der große Humorist, Kabarettist und Autor darüber, warum gerade jetzt der „Öha!“-Moment Brücken bauen und Trost spenden kann.

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„Müsste uns momentan eigentlich nicht das Lachen vergehen?“ fragte Studienleiter Dr. phil. Jochen Wagner Gerhard Polt im Interview in der Rotunde der Evangelischen Akademie Tutzing. In seiner Antwort zerlegte der große bayerische Humorist das Phänomen des Lachens und Humors in seine Einzelteile. Lachen selbst sage noch nichts darüber aus, ob es sich um guten oder schlechten Humor handle, so Polt. Auch das Lachen habe viele Facetten, es gebe merkwürdige Zwischendinge zwischen Lachen und Weinen.

Genau so gebe es auch Humor in unzähligen Varianten: „Humor ist ein Ozean – das ist unendlich!“. Manchmal habe er auch ernste Auswirkungen. Darüber nachzudenken, kulturell, soziologisch, politisch und praktisch sei eine lohnenswerte Angelegenheit, so Polt und erzählt von der Münchner Initiative, in der Stadt ein „Forum für Humor“ zu gründen. Der Ort dafür soll die ehemalige Viehmarktbank im Schlachthofviertel sein. Hier, so die Idee, soll Humor in allen Facetten untersucht, dargestellt und gefördert werden: in Ausstellungsräumen, auf der Bühne, in Treffen, im Café, in einer Akademie und Agentur für Künstlerinnen und Künstler, in Ateliers und Co-Working Spaces.

„Dem Humor persönlich bin ich eigentlich nie begegnet“, sagt Gerhard Polt und fügt hinzu: „Wer er wirklich ist, weiß ich eigentlich nicht, aber ich gehe immer davon aus, dass er dann da ist, wenn er stattfindet!“ Was die Wirkung von Humor betrifft, hat Polt allerdings ein genaues Bild. Das Angebot des Humors stünde immer zu Verfügung um eine Brücke weg von der Über-Ernsthaftigkeit zu schlagen. Polt: „Humor schafft Distanz zu sich selber und zum anderen, um nicht sofort reagieren zu müssen.“ Dies schaffe Zeit zum Überlegen oder zum Trost. Der Moment, bei sich selbst oder in einer Situation Lächerlichkeit zu erkennen, berge eine große Chance.

So stelle er sich das Virus auch als männlich vor, um ihn auf eine persönliche Ebene zu holen. Der Virus habe einen eigenartigen Charakter: Mal ließe er einen im Stich und dann tauche er wieder auf: ungefragt! Er stört, wie manche Leute lästig sind. Polt beschreibt ihn als „ambulantes Gschwerl“.

Humor halte den Menschen einen Spiegel vor und gebe die Chance zur Erkenntnis, dem „Öha!“-Moment, in dem man Perspektiven wechseln und Dinge neu beleuchten kann. Ihn selbst bewegen bis heute Momente aus seiner Kindheit in der Münchner Maxvorstadt. Als „Amalienstraßler“ sei er in einer Kinderbande gewesen, bei der das Feindbild immer klar gewesen sei: die „Türkenstraßler“ aus dem angrenzenden Straßenzug. Eine Erinnerung, die ihn bis heute viel über den Aufbau von Freund-Feind-Schemata und Feindseligkeiten gelehrt habe. Von einer anderen Straße zu sein, habe damals genügt, um bestraft zu werden – da habe der andere gar nichts tun müssen.

Fremdenhass und Feindseligkeiten, die sich an Äußerlichkeiten entscheiden, beschäftigen ihn seither: „Dass es Menschen gibt, die ohne etwas Näheres über jemanden zu wissen, sofort in der Lage sind, ein Feindbild zu entwerfen, an dem man sich abreagieren kann.“ Ihm habe das auch gezeigt, dass es nicht viel bedürfe, um in die Niedrigkeiten des Menschlichen zu gelangen.

Oft sei er gefragt worden, ob man mit Humor die Welt verändern kann. Er beantwortet sie indirekt: „Ich glaube nicht, dass ich mit Humor die Welt verändert habe.“ Gleichwohl habe er aber Humoristen gehört, die seine Welt verändert hätten.

Dorothea Grass

Das vollständige Interview mit Gerhard Polt ist auf dem YouTube-Kanal der Evangelischen Akademie Tutzing (#EATutzing) abrufbar.

Zwei, die sich kennen und schätzen: Studienleiter Dr. phil. Jochen Wagner (links im Bild) und Gerhard Polt (Foto: dgr/eat archiv)

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