“Bonhoeffer zu lesen, lohnt sich”

Schon als Schüler war Akademiedirektor Udo Hahn fasziniert vom Leben und Werk des Theologen Dietrich Bonhoeffer. Diese Faszination hat bis heute nicht nachgelassen. Warum das so ist und weshalb Bonhoeffers Botschaft auch heute noch Gültigkeit besitzt, erzählt Udo Hahn in diesem Kurz-Interview. Anlass ist die gerade erschienene dritte Auflage seines Buches über das berühmteste Lied des Theologen “Von guten Mächten wunderbar geborgen”.

Evangelische Akademie Tutzing: Seit wann begleitet Sie Dietrich Bonhoeffer?

Udo Hahn: Dietrich Bonhoeffer bin ich zum ersten Mal im Religionsunterricht begegnet – am Christoph-Jacob-Treu-Gymnasium, wie es heute heißt, in Lauf an der Pegnitz. Die Pfarrer, die ich an der Schule erlebte, haben mir Bonhoeffer nahegebracht. Das Konzentrationslager Flossenbürg, in dem er ermordet wurde, liegt nur gut einhundert Kilometer entfernt. Mich hat schon als Schüler die Geschichte der NS-Diktatur interessiert und der Glaubensmut, der Menschen wie zum Beispiel Paul Schneider und Edith Stein und eben auch Bonhoeffer zu Märtyrern machte.

Was ist für Sie die Essenz seines Wirkens?

Dietrich Bonhoeffer war zeitlebens ein Suchender. “Was sagt Gott zu uns?” – diese Frage hat ihn dauerhaft beschäftigt. Auch wenn viele Menschen so heute nicht beziehungsweise nicht mehr fragen, die Frage und Suche nach dem Sinn des Lebens mündet doch irgendwann in die Frage nach Gott. Bonhoeffer zu lesen, lohnt sich, denn er hat eine für seine Zeit moderne Sprache. Sie lässt sich meist mühelos verstehen, weshalb viele Texte uns ungeachtet des zeitlichen Abstands berühren.

Die Essenz seines Wirkens sehe ich in seinem methodischen Ansatz. Während einer Reise nach Italien im Jahre 1924 notierte er: “Das Deuten ist überhaupt eins der schwierigsten Probleme, und doch ist unser ganzes Denken darauf eingestellt; wir müssen deuten, Sinn geben, damit wir leben und denken können.” Leben gestalten, die Gesellschaft, die Welt – Verantwortung übernehmen: Diese Haltung hat Bonhoeffer geprägt. Wir können uns nicht raushalten. Die Welt sich selbst zu überlassen, das wäre für Bonhoeffer Verrat an der biblischen Botschaft gewesen.

“Mag sein, dass der Jüngste Tag morgen anbricht, dann wollen wir gern die Arbeit für eine bessere Zukunft aus der Hand legen, vorher aber nicht.” Das war sein Credo – und darin sehe ich den Auftrag der Kirche heute und aller Menschen, die im Lichte des christlichen Glaubens – oder als verantwortungsbewusste Zeitgenossinnen und Zeitgenossen fragen: Was soll ich tun?

Was nehmen Sie persönlich mit von Dietrich Bonhoeffer?

Sein unerschütterliches Vertrauen, dass Gott bei uns ist. Sein Lied endet mit dieser Überzeugung: “Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.” Das sind die letzten schriftlichen Worte Bonhoeffers – die Quintessenz seiner Theologie, eines 17 Bände umfassenden Werkes. In seinem letzten Lebensjahr hat er nur noch Gedichte geschrieben. Ich halte das nicht für einen Zufall. Es ist der Versuch, jenseits von Predigt und Diskurs, die Frage zu beantworten zu versuchen: Und was glaubst du? Mehr lässt sich wohl nicht sagen, als dass Gott bei uns ist. Für mich selbst gestehe ich gerne, dass ich um diese Zuversicht täglich ringe.

Die Fragen stellte Dorothea Grass

Hinweis:
Der Band “Dietrich Bonhoeffer  – Von guten Mächten wunderbar geborgen” ist aktuell in der dritten Auflage im Verlag Butzon & Bercker in Kevelaer erschienen. Er umfasst 122 Seiten und kostet 11,95 Euro.

Über Bonhoeffers berühmtesten Text “Von guten Mächten” erfahren Sie hier mehr.

Bild: Udo Hahn (Foto: Haist/eat archiv)

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