Vertrauen als Lebenskraft

Vor achtzig Jahren ist der Theologe und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer ermordet worden. Akademiedirektor Udo Hahn hat dessen wohl bedeutendsten Text – das Gedicht von den guten Mächten – in einem Buch interpretiert. Es ist jetzt in vierter Auflage erschienen. Was kann man von dem Poeten Bonhoeffer lernen? Antworten im Kurz-Interview.

Evangelische Akademie Tutzing: Glückwunsch zur vierten Auflage Ihres Bonhoeffer-Buches! Was bieten Sie den Leserinnen und Lesern?

Udo Hahn: Vielen Dank – ich freue mich sehr! In dem Buch interpretiere ich den berühmtesten Text des Theologen – sein Gedicht von den guten Mächten. Neben einer Biografie enthält die Publikation noch weitere gedichtähnliche Texte von ihm, die 1944 entstanden sind. Und eigene lyrische Stücke, um die mich der Verlag gebeten hat, in denen ich Denkanstöße Bonhoeffers verarbeite.

Sie haben eine ganze Reihe religiöser Sachbücher veröffentlicht und zuletzt über “Himmlische Boten” geschrieben. Darin deuten Sie Engel-Motive der Künstlerin Caro Scharrer. Daneben sind Sie auch Autor spiritueller Texte zu sehr unterschiedlichen Anlässen wie etwa Geburtstag, Taufe, Konfirmation, Hochzeit, Trauer. Weitere Themen sind unter anderem Dank, Freude, Glück und Segen. Wie sind Sie dazu gekommen?

Anfang der 1990er Jahre erhielt ich die Anfrage einer Lektorin, ob ich mir vorstellen könne, anlassbezogen gedichtähnliche Stücke zu verfassen. Sie war auf meine Texte als Redakteur einer Wochenzeitung aufmerksam geworden. Ihre Idee war, ich könne den Übersetzungsprozess religiöser Themen noch weiter fortsetzen, um auch Menschen anzusprechen, die nicht im christlichen Glauben beheimatet sind, aber sich mit Lebens- und Glaubensfragen beschäftigen. Ich habe mich nach anfänglichem Zögern dieser Aufgabe gestellt, so dass über die Jahre viele Veröffentlichungen entstanden sind. Es ist berührend und ermutigend zugleich, wenn Menschen schreiben – und dann meist ausführlich –, wie sehr sie der eine oder andere Text angesprochen und zum Nachdenken gebracht habe.

Konnten Sie dabei auch von Bonhoeffer lernen?

Ja, sein Text von den guten Mächten ist da ein Vorbild. Es gelingt ihm, über sieben Strophen hinweg vom Glauben zu sprechen, ohne den Begriff selbst zu verwenden. Er findet Formulierungen, in denen sich viele Menschen wiederfinden, wenn es um ihre eigene Gefühlswelt geht, ihre Ängste, ihre Hoffnungen. Für nicht wenige sind diese Worte, Ermutigung und Trost. Vertrauen als Lebenskraft – das scheint mir seine innere Quelle. Viele seiner Texte sind zu Klassikern geworden. Sie haben die Deutungen vergangener Zeiten überlebt und werden in jeder Generation neu rezipiert. Heute muss man aber auch die Grenzen deutlich markieren und vor einem Missbrauch der Gedanken Bonhoeffers warnen.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Der US-amerikanische Autor Eric Metaxas hat dazu aufgerufen, gegen totalitäre Tendenzen in den USA Widerstand zu leisten – und sich dabei auf Bonhoeffer berufen. Das war im Jahre 2010, als Barack Obama Präsident war. Die 2017 gegen Donald Trump unterlegene Hillary Clinton hat Metaxas “Hitlery” Clinton genannt. Und 2024 hat er Joe Biden mit Adolf Hitler verglichen. Das ist Demagogie!

Metaxas ist auch Autor einer Biografie Bonhoeffers, die in den USA zur Vereinnahmung des Theologen durch die religiöse Rechte führte. Diesem Unsinn, der leider von Millionen von Christinnen und Christen geglaubt wird, muss man mit größter Entschiedenheit widersprechen. Keinesfalls darf man Bonhoeffer vom historischen Kontext – der Diktatur des Nationalsozialismus – ablösen.

Die Fragen stellte Dorothea Grass

Hinweis:

Der Band “Dietrich Bonhoeffer – Von guten Mächten wunderbar geborgen” ist in der vierten Auflage im Verlag Butzon & Bercker in Kevelaer erschienen. Er umfasst 122 Seiten und kostet 11,95 Euro.

Bild: Akademiedirektor Udo Hahn mit der 4. Auflage seines Bonhoeffer-Bandes. (Foto: dgr/eat archiv)

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