Marie Luise Kaschnitz-Preis

Die erste Begegnung zwischen Marie Luise Kaschnitz und der Evangelischen Akademie Tutzing fand 1951 im Rahmen der Tagung „Wozu Dichtung?“ statt. Dort trug die Schriftstellerin am 9. September einen Gedichtzyklus vor, der unter dem Titel „Tutzinger Gedichtkreis“ ihren 1957 erscheinenden Lyrikband „Neue Gedichte“ eröffnet. Es ist der letzte große Gedichtzyklus von Marie Luise Kaschnitz, in dem sie nach den Erfahrungen von Holocaust und Krieg ein anklagendes Gespräch mit Gott führt.

Zehn Jahre nach dem Tod der Autorin wurde der von der Evangelischen Akademie Tutzing gestiftete Marie Luise Kaschnitz-Preis am 14. Oktober 1984 zum ersten Mal verliehen. Einmalig fand die Verleihung nicht in Tutzing, sondern im Kaisersaal des Frankfurter Römer statt, wohin der Insel Verlag und die Stadt Frankfurt eingeladen hatten. Als erste Preisträgerin wurde Ilse Aichinger ausgezeichnet.

Die Evangelische Akademie Tutzing hat den Marie Luise Kaschnitz-Preis gestiftet, „weil wir uns und unsere Arbeit im Werk dieser Dichterin wiedererkennen können: in dem Geist, der verwandt ist unserem Geist und in der Humanität, der Marie Luise Kaschnitz sich verpflichtet wusste.“ Für das Profil galt von Beginn an der Anspruch: „Der Marie Luise Kaschnitz-Preis ist und soll ein Literatur-Preis einer evangelischen Akademie, nicht ein kirchlicher Preis für sogenannte ‚christliche Kunst‘ sein“.

Mit dem Preis sollen deutschsprachige Autoren ausgezeichnet werden, deren erzählerisches, lyrisches und/oder essayistisches Werk – im Geist der Namensträgerin des Preises – zu würdigen bzw. zu fördern ist. In die Urkunde, die beim Festakt dem Preisträger überreicht wird, ist ein Zitat von Marie Luise Kaschnitz eingedruckt, das ihren Anspruch an die Verantwortung des Schriftstellers dokumentiert. Es ist dem Text „Schwierigkeiten, heute die Wahrheit zu schreiben” entnommen, den die Autorin im Jahr 1963 für Radio Bremen gesprochen hat:

„Künstlerische Wahrheit ist Treue zu sich
selbst und zu seiner Zeit. Die Wahrheit,
auch die künstlerische, ist unbequem, die
Gesellschaftskritik stößt, auch in freien
Ländern, auf Widerstand, den neuen Formen
bringen nicht nur die Böswilligen
Misstrauen entgegen. Es lohnt sich,
darüber nachzudenken, woher da jeweils
der Wind weht. Aber wer sich nach ihm
richtet, weiß, dass er den Boden der
Wahrheit schon verlassen und seine Sache
schon verraten hat.“

Dieses Credo hat nichts an Aktualität eingebüßt. Die alle zwei Jahre stattfindende Preisverleihung hat eine besondere Form. Sie ist integriert in eine öffentliche Wochenendtagung, die sich thematisch in Vorträgen, Lesungen und Diskussionsrunden mit dem Werk des Preisträgers auseinandersetzt. Zum Festakt der Preisübergabe werden zudem Persönlichkeiten aus Literatur, Kultur(-Politik), Kunst, Wissenschaft und Medien eingeladen.

Die bisherigen Preisträger sind: Ilse Aichinger (1984), Hanna Johansen (1986), Fritz Rudolf Fries (1988), Paul Nizon (1990), Gerhard Roth (1992), Ruth Klüger (1994), Erica Pedretti (1996), Arnold Stadler (1998), Wulf Kirsten (2000), Robert Menasse (2002), Julia Franck (2004), Pascal Mercier (2006), Sibylle Lewitscharoff (2008), Mirko Bonné (2010), Thomas Lehr (2012), Lutz Seiler (2015), Michael Köhlmeier (2017), Angelika Klüssendorf (2019).

Die Tagungen, die rund um deren Werke konzipiert wurden, finden Sie untenstehend.

Die aktuelle Preisträgerin ist die Schriftstellerin Angelika Klüssendorf. Sie erhielt am 19. Mai 2019 in Tutzing den Marie Luise Kaschnitz-Preis für ihr Gesamtwerk. Zum Bericht.

Marie Luise Kaschnitz-Preis
Der Starnberger See in der Wintersonne - Aufmacherbild des Januar-Newsletters der Evangelischen Akademie Tutzing (dgr/eat archiv)
Bildung

Newsletter Januar 2021

30.12.2020

Willkommen im Jahr 2021! Studienleiter Jochen Wagner öffnet im Editorial des Januar-Newsletters die Tür zum neuen Jahr mit einem Zitat von Hölderlin: “Komm ins Offene, Freund!” Mit der Leichtigkeit jener Hölderlin’schen Elegie ins neue Jahr spazieren, gänzlich unbeschwert in eine uns wohlwollend sich öffnende Landschaft – das macht den Abschied von 2020 zu Silvester leicht und eröffnet neuen Raum. 

Willkommen im Jahr 2021! Studienleiter Jochen Wagner öffnet im Editorial des Januar-Newsletters die Tür zum neuen Jahr mit einem Zitat von Hölderlin: "Komm ins Offene, Freund!" Mit der Leichtigkeit jener Hölderlin’schen Elegie ins neue Jahr spazieren, gänzlich unbeschwert in eine uns wohlwollend sich öffnende Landschaft – das macht den Abschied von 2020 zu Silvester leicht und eröffnet neuen Raum. 

Autorin

Marie Luise Kaschnitz-Preis für Iris Wolff

07.12.2020

Die Schriftstellerin wird für ihr bisher vier Romane umfassendes Gesamtwerk ausgezeichnet. Insbesondere für ihren im Herbst 2020 erschienenen Roman “Die Unschärfe der Welt”.

Die Schriftstellerin wird für ihr bisher vier Romane umfassendes Gesamtwerk ausgezeichnet. Insbesondere für ihren im Herbst 2020 erschienenen Roman "Die Unschärfe der Welt".

Klueger_Greiner_Foto_Manuela_Klare_1994
Kunst & Kultur

„Eine eigenwillige und ungeduldige Frau der höchsten Ansprüche“

09.10.2020

“Wenn sie über Vergangenheit spricht, so tut sie das um ihrer und unserer Zukunft willen.” Das sagte der Literaturwissenschaftler Peter Demetz über Ruth Klüger in seiner Laudatio anlässlich des Marie Luise Kaschnitz-Preises, den Klüger 1994 erhielt. Die Schriftstellerin ist jetzt verstorben. Ein Nachruf von Alix Michell

"Wenn sie über Vergangenheit spricht, so tut sie das um ihrer und unserer Zukunft willen." Das sagte der Literaturwissenschaftler Peter Demetz über Ruth Klüger in seiner Laudatio anlässlich des Marie Luise Kaschnitz-Preises, den Klüger 1994 erhielt. Die Schriftstellerin ist jetzt verstorben. Ein Nachruf von Alix Michell

Brigitte Grande (Foto: eat archiv)

„Dass Bürger Debatten führen, ist so wichtig wie vor 70 Jahren“

28.06.2019

Brigitte Grande ist Vorsitzende des Freundeskreises der Evangelischen Akademie Tutzing. Gerade erst hat der eingetragene Verein sein 70-jähriges Bestehen gefeiert. Die Jubiläumstagung stellte das eigene Thema in den Blickpunkt: zivilgesellschaftliches Engagement. Im Interview erklärt Brigitte Grande, warum das heute genauso wichtig ist wie zu den Gründungszeiten der Bundesrepublik.

Brigitte Grande ist Vorsitzende des Freundeskreises der Evangelischen Akademie Tutzing. Gerade erst hat der eingetragene Verein sein 70-jähriges Bestehen gefeiert. Die Jubiläumstagung stellte das eigene Thema in den Blickpunkt: zivilgesellschaftliches Engagement. Im Interview erklärt Brigitte Grande, warum das heute genauso wichtig ist wie zu den Gründungszeiten der Bundesrepublik.