Harte Politik, weiche Politik?

Sexistische Machosprüche, traditionelle Rollenbilder und ungleiche Machtverhältnisse: Diesen und zahlreichen weiteren Problemen müssen sich Frauen in der Kulturpolitik – und darüber hinaus – noch immer stellen. Wie festgefahrene Strukturen verändert und Gleichstellung gefördert werden können, darüber sprachen Dr. Emilia Barna, Dr. Cornelie Kunkat und Prof. Dr. Julia Lehner, moderiert von Dr. Helga Trüpel, im Webtalk “Frauen in der Kulturpolitik” am 9. März 2022.

Gleichberechtigung ist eine kulturelle Frage und eine kulturpolitische Herausforderung. Das sagte Dr. Christine Fuchs, Leiterin von STADTKULTUR Netzwerk Bayerischer Städte e.V., gleich zu Beginn des Webtalks “Frauen in der Kulturpolitik” – die zweite von insgesamt sechs Veranstaltungen aus der Talkreihe zum Thema “Gendergerechtigkeit in der internationalen Kulturpolitik”. In einer Mischung aus persönlichen Erfahrungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen tauschten sich Dr. Emilia Barna, Dr. Cornelie Kunkat, Prof. Dr. Julia Lehner und Dr. Helga Trüpel über die Herausforderungen aus, die Frauen in der Kulturpolitik begegnen und schlugen gleichzeitig konkrete Lösungsansätze vor.

Zum Beispiel die Lage in der Musikindustrie: Sie sei von Machtgefällen geprägt, sagte Dr. Emilia Barna, Assistant Professor im Bereich Soziologie und Kommunikation an der Universität für Technologie und Wirtschaft in Budapest. Sie betreibt extensive Forschung zur Stellung von Frauen in der ungarischen Musikbranche und beobachtete beispielsweise, dass die Etablierung von Sozialen Medien wie YouTube zu einem Stück Unabhängigkeit von traditionellen Plattenfirmen und Promotern beigetragen habe.

Zusammenhang zwischen dem Bild der Frau und dem Bild der Kultur

Durch die Möglichkeit des Self-Managements sei es auch möglich, informelle aber fest etablierte Strukturen und Dynamiken der Livemusik- und Festivalbranche zu umgehen. Als solche nannte Barna das Wirken von Netzwerken, die nicht selten in langen Nächten manifestiert würden. Familienfreundlich seien diese keineswegs und damit insbesondere Frauen oft verschlossen. Dennoch sei, besonders in der Musikindustrie, das persönliche Netzwerk die wichtigste Ressource für eine erfolgreiche Karriere, sodass sie in den informellen Beziehungen reichlich Potenzial für Lösungsansätze sehe. Das Marketing über eine solide Onlinecommunity sei nicht nur besser mit Care Work zu vereinbaren, es hätte beispielsweise das Potenzial, die Macht dieser traditionellen Netzwerke zu schwächen.

Auf Netzwerke ging auch Dr. Cornelie Kunkat ein, Referentin für Frauen in Kultur & Medien im Deutschen Kulturrat. Die informellen Netzwerke von Männern umfassten oftmals mehrere Hierarchiestufen, sodass ein Karriereaufstieg durch bestehende Kontakte wahrscheinlicher sei – Frauen hingegen hätten meist homogenere Netzwerke.

Von Rollenbildern geprägte Mechanismen verhinderten außerdem, dass es in der Kulturbranche mehr Frauen in Führungspositionen gebe – darunter mangelndes Zutrauen von Führungskompetenzen oder die Annahme, dass die Frau im Falle einer Familiengründung automatisch die Care-Arbeit übernehme und deshalb nicht arbeiten könne.

In der Kulturpolitik hänge das Bild der Frau eng mit dem Bild der Kultur zusammen, so Prof. Dr. Julia Lehner, Zweite Bürgermeisterin und Inhaberin des Geschäftsbereiches Kultur der Stadt Nürnberg. Gerade die Kulturpolitik, häufig als “weicher Politiksektor” bezeichnet, werde vornehmlich durch Frauen vertreten und erfahre korrelativ mit der weiblichen Konnotation eine geringere Wertschätzung. Gerade bei der Haushaltsplanung werde Kultur selten mit den Bauprojekten, Wirtschafts- und Personalfragen assoziiert, die tatsächlich mit der Branche verbunden sind und auf “das Schöne” und die Unterhaltung reduziert. Eine Bewertung, die sich auch in der Kulturpolitik während der Coronajahre spiegelte.

Kreise für Ermutigung und Zuspruch

Diese Form der Abwertung wurde unterstrichen durch eine Erfahrung, die Dr. Helga Trüpel schilderte, Grünen-Politikerin und ehemaliges Mitglied des Europäischen Parlaments: “Puppenstubenressort”, so sei das damals von ihr geleitete Ressort für Kultur und Ausländerintegration der Freien Hansestadt Bremen auch genannt worden – weil zu klein, zu unbedeutend.

Aber: Dass die Arbeit von Frauen nicht ernstgenommen wird geschieht nicht nur durch Männer, sondern auch durch andere Frauen, so Dr. Julia Lehner. Sie habe erlebt, dass Männer häufig in einem stärkeren Ausmaß zusammenhielten, als es Frauen täten, internalisierte Misogynie durchkreuze mitunter die Möglichkeit, eigene Netzwerke zu knüpfen und einander vergleichbar zu unterstützen

Welche Lösungsansätze lassen sich also aus diesem Webtalk mitnehmen? Es brauche Kreise für Ermutigung und Zuspruch, die gleichzeitig Raum für Fehler und Selbstreflexion bieten, so Dr. Helga Trüpel. Frauen müssten einander stärker unterstützen und sich gegenseitig ernstnehmen, anstatt in die Rhetorik der Abwertung einzusteigen: Dafür sprach sich Prof. Dr. Julia Lehner aus. Wichtig sei außerdem, dass es mehr Zuspruch gebe für Frauen, die noch zögerten, mehr Verantwortung zu übernehmen. Als Best Practice-Beispiel wurden hier Mentoring-Programme genannt, die etablierte Personen außerhalb der weißen männlichen Norm mit sogenannten Berufsanfangenden verknüpfe, einen Austausch, ein Voneinander-Lernen ermögliche und einen Raum schaffe für gegenseitiges Bestärken. Einen Einstieg in ein eigenes Netzwerk, ein Bildungssystem, das Frauen in Führungspositionen normalisiert, die aktive Anerkennung der aktuell bestehenden Chancenungleichheit, von der Frauen betroffen sind sowie ein besseres Monitoring von Frauenanteilen und Geschlechtergerechtigkeit in der Kulturbranche, das forderte Dr. Cornelie Kunkat.

Kunkat betonte außerdem die Rolle von Quoten: Momentan seien diese besonders effektiv in der Beförderung von Frauen in Führungspositionen, es müsse aber auch faktische Konsequenzen bei der Nichteinhaltung von solchen Zielen geben. Quoten allein genügten jedoch nicht, so Dr. Emilia Barna: Es reiche nicht, traditionelle Strukturen beizubehalten und darin bestehende Positionen neu zu besetzen. Vielmehr müssten die marginalisierenden und prekären Strukturen selbst Veränderung erfahren. Eine diverse Besetzung von Führungspositionen sei nicht die Lösung des Problems, solange tiefgreifende, auf Ausbeutung basierende Mechanismen unverändert blieben.

Alessia Neuner

Hinweis: Die nächste Veranstaltung aus unserer Reihe “Gendergerechtigkeit in der internationalen Kulturpolitik” findet am 13. April 2022 statt. Titel: “Führen Frauen anders?”. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.

Ein Video-Mitschnitt der Veranstaltung vom 9. März ist in Arbeit.

Bild: “Sculpture of a man and woman in circle”, Frogner Park, Gustav Vigeland Sculpture Park, Oslo (Foto: Adobe Stock)

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