Denkmalschutz und Nachhaltigkeit

Ein Rückblick auf die Tagung der Evangelischen Akademie Tutzing mit dem Denkmalnetz Bayern in Rothenburg ob der Tauber vom 30.11.-2.12.2018.

An einem Dezemberwochenende trafen sich auf Einladung der Evangelischen Akademie Tutzing für den Denkmalschutz Engagierte in der Tagungsstätte Wildbad in Rothenburg ob der Tauber. Für die Freunde der Baukultur ein verheißungsvoller Ort, auch wenn, wie damit Befasste durchaus zu berichten wussten, im Konzert politischer und wirtschaftlicher Interessen der Denkmalschutz hier nicht immer Priorität genießt. Abgesehen von umfangreichen Kriegszerstörungen ist in Rothenburg manches abgerissen worden, das Investorenplänen im Weg stand, und manche Bausünde ist dazu gekommen, die dem überlieferten Charakter der Altstadt nicht entspricht.

Aber Rothenburg war nur ein Thema in den Reflexionen über Denkmalschutz und Nachhaltigkeit sowie um pädagogische und öffentliche Vermittlung der denkmalpflegerischen Anliegen. Was sind diese Anliegen? Weit über den Erhalt alter Häuser hinaus geht es um einen achtsamen Lebensstil: Intensiv wurde in Rothenburg der Zusammenhang zwischen Denkmalschutz, der praktischen Denkmalpflege, Nachhaltigkeit, Suffizienz und – nicht zuletzt – Bildung diskutiert. Was in der Vergangenheit manchmal nur aus wirtschaftlicher Not entstandene Genügsamkeit war, die sich mit dem Alten zufrieden geben musste und daher zum Erhalt vieler Baudenkmäler beigetragen hat, kehrt heute als Nachhaltigkeitsziel Suffizienz zurück: Wir brauchen nicht immer mehr und Neues, sondern sollten das Alte behutsam an heutige Wohnbedürfnisse und Energieziele anpassen. Dabei können freilich echte und vermeintliche Interessenskonflikte auftreten, und viele weitere Faktoren wie Ortsentwicklung und Wohnformen, Qualität der Bausubstanz, Ansprüche an den Wohnraum und moderne Haustechnik kommen ins Spiel. Wie erhalten wir den nachfolgenden Generationen die Schönheit, aber auch Werthaltigkeit – Baustoffe, gebundene Energie – alter Gebäude? Wie vermeiden wir, dass immer noch mehr Ressourcen und Flächen zum Schaden der Natur verbraucht werden? Was tun wir, damit unsere Innenstädte nicht gesichtslose Konsummeilen werden? Und wie finden wir Verbündete im Kampf um Denkmäler und erhaltenswerte Bausubstanz?

Denkmale erzählen individuelle Geschichten

Die Tagung in Rothenburg war selbst schon eine Antwort auf diese letzte Frage, weil neue Kontakte und Verbindungen geknüpft und konkrete Umsetzungsideen diskutiert wurden. Sie werden an unterschiedlichen Stellen weiter bewegt, etwa auch im Schulbereich. In der Denkmalpflegepädagogik entdecken SchülerInnen und Lehrkräfte – von Denkmalexperten begleitet – den Wert von Gebäuden in ihrer Umgebung. Zugleich steckt darin ein großes Potenzial zur persönlichen Verortung von Kindern und Jugendlichen. Durch ihre individuellen Geschichten können Denkmale dazu beitragen, die Integration in der multikulturellen Gesellschaft zu fördern.

Vorschläge an die Politik

In der Tagung wurden auch Vorschläge an die Politik formuliert. So würde es die Kulturstaatlichkeit als Staatsziel untermauern, das Grundgesetz um das „Recht auf Bewahrung kulturellen Erbes“ zu erweitern. Keine Angst vor aktiverer Teilhabe der Bevölkerung auch im Kulturerbe- und Denkmalbereich, lautete ein weiterer zentraler Appell, der sich vor allem an die deutschen Länder- und Bundesgesetzgeber richtete. Die effektivere Partizipation, insbesondere bei der Denkmalerkenntnis und beim Vollzug des Landesdenkmalschutzrechts, stünde im Einklang mit den Vorgaben des Rats der Europäischen Union sowie der Erklärung von Davos der Europäischen Kulturministerinnen und ‑minister vom 22. Januar 2018.

Das Denkmalnetz Bayern eröffnet Foren und Möglichkeiten, gemeinsam an den Themen weiter zu arbeiten – weit über das Europäische Kulturerbejahr 2018 hinaus. Stiftung und Verein „Kulturerbe Bayern“, in der Tagung ebenfalls vertreten, suchen noch viele Unterstützer, um weitere Denkmalprojekte aufzugreifen – so wie derzeit das Haus in der Judengasse 10 in Rothenburg, das vom Anfang des 15. Jahrhunderts stammt und im Rahmen einer Exkursion bei der Tagung besichtigt wurde. Wichtig aber bleibt für jeden einzelnen, im eigenen Umfeld, in der Kommunal- und Kreispolitik wachsam zu bleiben und sich gegen kulturzerstörendes Handeln einzusetzen. So jedenfalls das Fazit der in Rothenburg Versammelten.

Ulrike Haerendel

Bild: Abschlussbild der Tagung „Denkmalschutz und Nachhaltigkeit“ im Rokokosaal der Tagungsstätte Wildbad. (Foto: Gudrun Knoll-Schäfer)

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