Stärkung der Demokratie und Menschenwürde
Vom 10.-14. August tagt in Kapstadt das Interfaith Forum der G20-Staaten. Zur Vorbereitung auf dieses Treffen kamen im Juni südafrikanische Kirchenführer verschiedener Konfessionen zusammen – mit Expertinnen und Experten des Landes, aber auch aus den USA und aus Deutschland. Die Konsultation wurde von der Konrad-Adenauer-Stiftung gefördert und war Teil der regelmäßigen Workshops der Evangelischen Akademie Tutzing mit ihrer Partnerakademie, der Ecumenical Foundation of Southern Africa.
Die Zusammenfassung der Konsultation finden Sie hier (PDF).
Bishopscourt, der Hauptsitz der Anglikanischen Kirche Südafrikas, ist eine symbolträchtige Adresse. Seit mehr als 175 Jahren dient die Residenz den Bischöfen und Erzbischöfen von Kapstadt. Während der Apartheid war sie ein Ort des Widerstands. Und Nelson Mandela verbrachte dort seine erste Nacht in Freiheit nach 27 Jahren Haft, um sich am 12. Februar 1990 an die Öffentlichkeit zu wenden. Wo er im Garten der Residenz einst stand, erinnert eine Gedenktafel im Boden an jeden historischen Moment. Seit 2007 ist Bishopscourt der Amtssitz von Erzbischof Thabo Makgoba – und regelmäßig Konferenzort. Am 12./13. Juni fand hier die National Church Leaders‘ Consultation (NCLC) statt, zu der Erzbischof Makgoba zusammen mit dem Präsidenten des Südafrikanischen Kirchenrats, dem katholischen Bischof Sithembele Sipuka, Kirchenführer verschiedener Konfessionen des Landes eingeladen hat. Ihr Thema: “Stärkung der Demokratie und Menschenwürde in Südafrika und darüber hinaus.”
Südafrika hat aktuell den Vorsitz der G20-Staaten. Vor dem Gipfel der Staatschefs im November in Johannesburg finden zahlreiche Konferenzen statt, unter anderem das Interfaith Forum (IF20), das vom 10. bis 14. August in Kapstadt tagt. Das NCLC diente der Vorbereitung auf das IF20. Deshalb nahmen an der Kirchenführerkonferenz auch Prof. Katherina Marshall aus den USA teil, die Vizepräsidentin des Interreligiösen Rates der G20, dazu Politikexperten aus Südafrika sowie aus Deutschland Bischof Heinrich Bedford-Strohm, Vorsitzender des Ökumenischen Rates der Kirchen, und Udo Hahn, Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing.
Im Fokus des Treffens: aktuelle Entwicklungen in Südafrika
Das seit 2009 regelmäßig stattfindende Treffen der Kirchenführer geht auf eine Initiative des Südafrikanischen Kirchenrates und der Ecumenical Foundation of Southern Africa (EFSA) zurück. Das EFSA-Institut ist seit 2011 durch einen Partnerschaftsvertrag mit der Evangelischen Akademie Tutzing verbunden. Beide führen regelmäßig in Deutschland und in Südafrika Workshops durch, um über die Stärkung von Demokratie und Zivilgesellschaft in beiden Ländern zu beraten.
In der Konsultation in Kapstadt lag der Fokus auf der aktuellen Entwicklung in Südafrika. Eine neue Vision und Hoffnung seien dringend erforderlich, dass das Land eine Heimat für alle sei und die Menschenwürde eines jeden Einzelnen zähle. Die Zahl der Gewaltverbrechen habe ein besorgniserregendes Ausmaß erreicht. Beklagt wurde auch die Ineffizienz des Justizsystems, das Korruption, Betrug und Misswirtschaft nur unzureichend strafrechtlich verfolge. Dies schwäche das Vertrauen in die Demokratie. Die wirtschaftliche Stagnation bedrohe zunehmend auch die Demokratie. Lag die Wahlbeteiligung 1999 noch bei 72 Prozent, gaben 2024 nur noch 41 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab.
Mangelernährung, Armut, wirtschaftliche Rezession
Als aktuell vielleicht größte Herausforderung machten die Kirchenvertreter die mangelnde Ernährungssicherheit aus. Darunter litten fast zwei Drittel der südafrikanischen Haushalte. Fast jedes dritte Kind unter fünf Jahren habe Wachstumsstörungen, 2,7 Millionen Kinder unter sechs Jahren lebten in Haushalten unterhalb der Lebensmittelarmutsgrenze. Von der südafrikanischen Regierung erwarte man, dass sie sich nicht nur für mehr Nothilfemaßnahmen, sondern für nachhaltige Ernährungssysteme einsetze.
Um die Herausforderungen und Hindernisse von Wirtschaftswachstum, Armut und Ernährungssicherheit wirksam zu bekämpfen, bei gleichzeitigem Schutz der Umwelt, haben die Kirchenführer die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zwischen Kirche und Wirtschaft beschlossen.
Einmal mehr haben die Kirchenführer der Regierung Südafrikas die Zusammenarbeit bei der Armutsbekämpfung angeboten und ihr Bedauern ausgedrückt, dass die Regierung den Ansatz verfolge, alles alleine machen zu wollen. Mehr noch, dass sie Kirchen und Glaubensgemeinschaften systematisch von der Umsetzung der Programme ausschließt. Diese Haltung verkenne, dass die Kirchen über die Organisationsstruktur verfügen, die die Regierung eigentlich benötige, um die Menschen in jedem Winkel des Landes zu erreichen.
Russell Winter
Bild: Gruppenbild mit dem Gastgeber der Konsultation, Dr. Thabo Makgoba, Anglikanischer Erzbischof von Kapstadt (vorne Bildmitte) und (rechts) Bischof Dr. Sithembele Sipuka, Präsident des Südafrikanischen Rates der Kirchen, Prof. Katherine Marshall, Georgetown University, Vizepräsidentin des Interreligiösen Beirats der G20, Bischof Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm, Vorsitzender des Ökumenischer Rat der Kirchen, Dr. John Endres, Direktor Institute of Race Relations, und Gregor Jaecke, Leiter des Auslandsbüros Südafrika der Konrad-Adenauer-Stiftung. (Foto: EFSA Institute)