„Maidan – An Unfinished Revolution“: eine Tagungsdokumentation in Text, Ton, Video und Bild

Am 21. November 2019 ist es fünf Jahre her, dass erste Bilder vom Maidan, dem Unabhängigkeitsplatz im Herzen der Stadt Kyiv (Kiew), um die Welt gingen. Dieser Jahrestag war der Anlass zur Veranstaltung „Maidan – An Unfinished Revolution“. Die Menschen errichteten damals eine Zeltstadt und Suppenküchen, eine Bibliothek sowie eine offene Universität. Man sah ein Meer aus ukrainischen und europäischen Fahnen. Anlass dieser Proteste war die Ankündigung der ukrainischen Regierung, das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union (EU) nicht unterschreiben zu wollen. Gründe und Anliegen der Demonstrierenden jedoch waren vielfältig. Acht Wochen später hatten sich die Bilder verändert. Sie zeigten vereiste Barrikaden, brennende Reifen, vermummte Menschen, bewaffnete Polizisten und schließlich Verletzte und Tote.

Seitdem ist in der Ukraine sehr viel passiert: das Land hat sich geöffnet, es hat eine neue Regierung gewählt, die Zivilgesellschaft wächst, die Menschen nehmen Anteil an dem, was um sie herum passiert. Aber viele der Hoffnungen der Protestierenden wurden auch enttäuscht. Denn der Krieg im Osten lähmt die Entwicklungen und die Ukraine ist wieder aus dem Blick der Weltöffentlichkeit geraten. Heute befinden sich Staat und Gesellschaft zwischen Transformation, Krieg und dem Bestreben, ein altes System hinter sich zu lassen, eine funktionierende demokratische Ordnung herzustellen, die Vergangenheit zu überwinden und eine Zukunft für eine gerechte Gesellschaft zu gestalten.

In Rahmen der Tagung haben wir versucht, die Auswirkungen der Maidan-Proteste für das gesellschaftliche Zusammenleben in der Ukraine zu kartieren. Welche Dynamiken hat die Bewegung hervorgebracht? Was ist aus den Anliegen der Protestierenden geworden? Welche Bedeutung haben sie noch – auch angesichts der im März 2019 anstehenden Wahlen? Welche Interpretationen des Maidan haben Bestand im Kontext des Krieges? Wie könnte der Weg der Ukraine in Zukuinft aussehen? Und zuletzt: Wie werden der Maidan und seine Ästhetiken reflektiert?

Dies alles haben wir mit Wissenschaftlern und Politikerinnen, mit Künstlern, Vertretern der Zivilgesellschaft und denjenigen diskutiert, die den Maidan erlebt und gestaltet haben, die sich für die stärker werdende Zivilgesellschaft engagieren, die Entwicklungen kritisch reflektieren und im ukrainischen wie europäischen Diskurs ihre Stimmen erheben.

Wir wünschen Ihnen viel Freude bei der Lektüre des Tagungsberichts, beim Schauen der Videointerviews, beim Blättern durch die Tagungsimpressionen und dem Nachlauschen und –lesen der (Foto-)Reportagen, die im Kontext von vier begleitenden Recherchereisen entstanden sind.

Die Tagungsleiterinnen

Judith Stumptner, stellvertretende Direktorin der Evangelischen Akademie Tutzing, Studienleiterin für Kunst, Kultur, Bildung, Digitales, Social Media, studierte Theater- und Medienwissenschaft sowie Buchwissenschaft in Erlangen und Krakau. Von 2008 bis 2010 arbeitete sie als Robert-Bosch-Kulturmanagerin in Czernowitz (Ukraine), wo sie den Aufbau eines Kulturzentrums sowie die Konzeption und Durchführung eines breit angelegten Kulturprogramms verantwortete. Zurück in Deutschland, übernahm sie bei der Leipziger Buchmesse die Position der Projektreferentin für den Internationalen Bereich.

Kateryna Stetsevych ist Kulturmanagerin und Kuratorin. Nach dem Studium der Literatur-, Kultur- und Sprachwissenschaften in Czernowitz und Berlin war sie zehn Jahre als freiberufliche Kulturmanagerin, Trainerin und Kuratorin tätig und realisierte Kultur- und Bildungsprojekte mit Partnern aus Deutschland, Mittel- und Osteuropa und dem arabischen Raum. Seit November 2017 ist sie als Referentin für Mittel- und Osteuropa und den postsowjetischen Raum in der Bundeszentrale für politische Bildung tätig.


Fünf Jahre Euromaidan

Was vom Euromaidan geblieben ist Von Moritz Gathmann

Fünf Jahre ist es her, dass in Kyiv die ersten Menschen auf die Straße gingen, um gegen die Usurpierung der Macht durch Präsident Wiktor Janukowitsch und seine „Partei der Regionen“ zu demonstrieren, und gegen seine plötzliche Weigerung, das Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterzeichnen. Aus den Protesten erwuchs eine Revolution, die am Ende über einhundert Todesopfer forderte, auf die Revolution folgten die Annexion der Krim durch Russland und ein Krieg in der Ostukraine, der bis heute über 10.000 Menschen das Leben gekostet hat.

Wo steht das Land heute, wie blicken die Aktivisten von damals auf die Errungenschaften und Misserfolge, die es seitdem gab?

Die Tagung begann mit einem eher romantisierten, philosophisch geprägten Bild des Maidans, präsentiert von der US-amerikanischen Historikerin Marci Shore, die aus ihrem Buch „The Ukrainian Night: An Intimate History of Revolution“ las. Shore räumte ein, dass sie den Maidan „mit polnischen Augen“ gesehen hatte, berichtete von der Begeisterung der ehemaligen polnischen Dissidenten angesichts der revolutionären Ereignisse in Kyiv. Das Besondere sei gewesen, dass die Maidan-Rebellion ohne die für Revolutionen übliche ödipale Komponente ausgekommen sei – und erzählte von ukrainischen Vätern, die gemeinsam mit ihren Söhnen auf dem Maidan standen.

Historikerin Marci Shore über das Buch „The Ukrainian Night“

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Marci Shore

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Der Euromaidan 2013 ist außerhalb der Ukraine oft nur unter geopolitischen Aspekten behandelt worden, kritisiert die Historikerin Marci Shore. Mit ihrem Buch „The Ukrainian Night: An Intimate History of Revolution“ (2018) will die Asscociate Professorin von der Yale University beleuchten, was die Proteste für die Menschen bedeuteten. Warum ihr das wichtig ist und was wir von der Revolution der Würde lernen können, erklärt sie hier im Video-Interview.

Im Laufe der Tagung wurde dieses Bild erweitert, etwa in einem Beitrag des Charkiwer Künstlers Mykola Ridnyj, der darauf hinwies, dass der Maidan die Ukraine ebenso gespalten habe: „Viele Familien gingen kaputt, Familienmitglieder wurden zu Feinden.“ Im gleichen Panel erinnerte der Dichter Vasyl Lozynskyj aus Lviw daran, dass Andersdenkende auf dem Maidan von radikalen Kräften verfolgt wurden. Und die Journalistin Angelina Kariakina berichtete von ihren Recherchen über Maidan-Kräfte, die am Morgen des 20. Februars 2014 das Feuer auf Polizisten eröffneten. Für ihre Recherchen wurde sie in der Ukraine als Nestbeschmutzerin angefeindet. „Aber das ist die wirkliche Geschichte der ukrainischen Nacht“, so Kariakina.

Regisseur Mykola Ridnyi über das Kunst-Projekt „Armed and Dangerous“

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Mykola Ridnyi

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Der Regisseur Mykola Ridnyi arbeitet zusammen mit anderen ukrainischen Künstlern an einem Multimedia-Projekt mit dem Titel „Armed and Dangerous“. In der Mini-Serie setzen sie sich mit der Militarisierung der ukrainischen Gesellschaft auseinander. Dabei steht insbesondere der Blick der Jugendlichen auf Waffen im Mittelpunkt. Was die Kurzfilme mit dem Euromaidan zu tun haben und welche Bedeutung Kunst in der Ukraine hat, erklärt Ridnyi hier im Video-Interview.

Weitgehende Einigkeit dagegen bestand darin, dass die Revolution – anders als etwa die Orangefarbene Revolution – zu einer bleibenden psychologischen „Neuordnung“ der Menschen geführt hat. Aus politischen Objekten, aus reinem Wahlvolk, wurden Subjekte, aus Bewohnern der Ukraine wurden Bürger, die die Richtung des Landes selber bestimmen wollen. Die Richtung scheint eindeutig zu sein, folgt man etwa Svitlana Zalishchuk, ehemalige Journalistin und jetzt Parlamentsabgeordnete: „Der Euromaidan führte zu einer Zivilisationsverschiebung. Die Menschen haben sich entschieden – für einen Beitritt zur EU und zur NATO.“

Politikerin Svitlana Zalishchuk über die politische Situation der Ukraine

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Svitlana Zalishchuk

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Mit den Maidan-Protesten in Kyiv 2013 haben die Ukrainerinnen und Ukrainer nach Ansicht der Politikerin Svitlana Zalishchuk gezeigt, dass sie zur Europäischen Union und zur NATO gehören wollen. Im Video-Interview hier erklärt die ukrainische Parlamentsabgeordnete und ehemalige Journalistin sowie Mitbegründerin zahlreicher NGOs unter anderem, welche Veränderungen der Euromaidan bewirkt hat und was sich in Zukunft in der Ukraine noch verändern muss.

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Aber auch dieses Bild wurde korrigiert, etwa vom SPIEGEL-Autoren Christian Neef, der von seinen Recherchen in der zweitgrößten Stadt Charkiw erzählte. Es sei schon interessant, so Neef, wie diese Stadt bis heute prorussisch sei. Regiert wird das unweit der russischen Grenze liegende Charkiw von einem Bürgermeister, der ein klarer Gegner des Euromaidans war, sich dann aber mit den neuen Machthabern in Kyiv arrangierte. Neefs Bericht über den im Wandel befindlichen Geschichtsunterricht in Charkiw zeichnet dabei das Bild einer Gesellschaft, die damit kämpft, vom sowjetischen Geschichtsbild loszukommen, aber unsicher ist, welche Nationalgeschichte an dessen Stelle treten soll.

Von ähnlichen Erfahrungen wie Neef berichtete das Journalistenduo Gesine Dornblüth und Thomas Franke, die gerade einmal quer durchs Land gefahren sind – von Mariupol am Asowschen Meer bis Lviw. Ihre Hörfunkreportage beginnt mit der Aussage einer Frau am Strand von Mariupol: „Ich liebe die Ukraine, ich will nicht nach Russland. Aber in der Ukraine, wie sie jetzt ist, will ich auch nicht leben. Ich will zurück ins Jahr 2013, zurück in die Stabilität.“

Künstlerin Alevtina Kakhidze über Familien in der Ostukraine

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Alevtina Kakhidze

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„Der Maidan hat mich sehr verändert“, sagt die Konzeptkünstlerin Alevtina Kakhidze. Sie ist in Donezk im Osten der Ukraine aufgewachsen. Deshalb spielten die Maidan-Proteste und der Krim-Krieg in ihrer Familie eine besondere Rolle. Außerdem erklärt sie hier im Video-Interview, warum sie ihre Erlebnisse in einem Tagebuch festhält und Kindern und Studenten Kunstunterricht gibt.

Ist vor diesem Hintergrund eine Revanche der alten Kräfte möglich, etwa bei den 2019 anstehenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen? Möglich sei eine „weiche Revanche“, führte etwa Andrew Wilson aus, Professor für Ukrainestudien am University College London. Grund dafür sei, dass die Regierung in der „Brot-und-Butter-Politik“ keine Erfolge vorweisen könne. Gerade am Wochenende der Tagung veröffentlichte der Internationale Währungsfonds IMF eine Analyse, laut der die Ukraine inzwischen das ärmste Land Europas ist. Die Propaganda jener Kräfte, die einst Janukowitsch unterstützten, nutzen das aus. Olha Onuch, Politikprofessorin an der Universität Manchester, wies insbesondere auf jene 20 Prozent der Bevölkerung hin, die einst Janukowitsch wählten, nun aber von keiner der führenden Parteien vertreten seien. Letztere würden stattdessen Gesetze annehmen, welche die Spaltung nur verstärke.

Welche Gesetze das sind, darauf ging der Schweizer Osteuropahistoriker Andreas Kappeler ein: So würden Gesetze erlassen, welche die ukrainische Sprache stärken – und entsprechend die russische Sprache zurückdrängen sollen. Auch die Geschichtspolitik, so Kappeler weiter, die etwa einen Kult um den ukrainischen Nationalisten Stepan Bandera propagiere, sei kurzsichtig und kontraproduktiv – denn damit verprelle die Ukraine nicht nur viele Bürger, sondern auch den ehemals engsten ausländischen Verbündeten des Landes: Polen. Gegen die Instrumentalisierung der Sprachenfrage stellte Olha Onuch die Ergebnisse ihrer Forschungen: Danach „switchen“ Ukrainer je nach Situation viel flexibler zwischen Ukrainisch und Russisch, als es allgemein angenommen wird.

Historiker Andreas Kappeler über Russland und die Ukraine

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Andreas Kappeler

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Fehlende Rechtsstaatlichkeit und Korruption sind nach Ansicht des Osteuropahistorikers Andreas Kappeler die größten Probleme der Ukraine. Mit den Maidan-Protesten seien jedoch hunderte NGOs entstanden, in denen sich vor allem junge Menschen für Demokratie einsetzen, betont der Professor von der Universität Wien. Im Video-Interview hier spricht er über die Herausforderungen und Chancen, vor denen die Ukraine aktuell steht.

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Viele junge Ukrainer, die auf dem Maidan aktiv waren, engagieren sich heute in der Zivilgesellschaft des Landes – etwa im Kampf gegen die Korruption. Beeindruckendes Beispiel ist Daria Kaleniuk, Leiterin des Anticorruption Action Centers in Kyiv und laut Politikerin Zalishchuk „unter den Politikern der Regierung eine der meistgehassten Figuren.“ Kaleniuk beschrieb, wie seit dem Euromaidan unter dem Druck von Organisationen wie der ihren und westlicher Staaten die neue Institution eines Nationalen Antikorruptionsbüros eingerichtet worden sei, dessen Ermittler selbst gegen „Unberührbare“ aus dem engsten Umfeld der Regierung ermitteln.

Knackpunkt seien jedoch die Gerichte, die noch immer von der Politik kontrolliert werden: „Es gibt kaum Verurteilungen.“ Kaleniuk hat große Hoffnungen auf Kräfteverschiebungen im neu zu wählenden Parlament. Derzeit erarbeitet ihr Büro eine „Antikorruptionsagenda“ mit Handlungsempfehlungen. Ganz zentral: eine Reform des Geheimdienstes, der bislang mit großen Vollmachten ausgestattet ist und diese nutzt, um Geschäftsleute einzuschüchtern oder Korruptionsmechanismen zu decken.

Aktivistin Daria Kaleniuk über Korruption in der Ukraine

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Daria Kaleniuk

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Daria Kaleniuk ist Leiterin des Anti-Corruption Action Center in Kyiv. Die Organisation bekämpft Korruption in der ukrainischen Regierung, dem Parlament sowie staatlichen Unternehmen und unterstützt Reformer dabei, sich gegen Bestechlichkeit einzusetzen. Wie sie dabei vorgehen und ob die Aktivitäten der NGO etwas nützen, erklärt Kaleniuk hier im Video-Interview.

Ähnliche Geschichten kann Angelina Kariakina, Chefredakteurin des unabhängigen TV-Senders Hromadske, erzählen: Es gebe zwar Medien in der Ukraine, die Korruptionsmechanismen aufdeckten, aber die Berichte blieben ohne nennenswerte Folgen. „Stattdessen bezeichnet die Regierung die Zivilgesellschaft als „fünfte Kolonne“, so Kariakina. An den Besitzverhältnissen im Medienbereich habe sich derweil kaum etwas geändert: Die wichtigsten Fernsehsender des Landes seien zwischen vier Oligarchen aufgeteilt, die sie als Sprachrohr der politischen Kräfte nutzen, die sie kontrollieren.

Was dagegen zu tun ist? „Das Problem ist ja, dass die Oligarchen Sender und Parteien besitzen,“ glaubt die Politikerin und ehemalige Journalistin Zalishchuk. „Deshalb sollten wir in Zukunft eine klare Linie zwischen Business und Politik ziehen.“ Aus der Idee des Maidans, einen unabhängigen öffentlichen Rundfunk zu schaffen, ist wenig geworden: Zwar sendet das Staatsfernsehen einigermaßen unabhängig, aber finanziert wird es vom Staat, und gerade in diesem Jahr wurde das Budget halbiert. Als Ergebnis ist der Einfluss des Senders – im Vergleich zu den gut ausgestatteten Oligarchensendern – gering.

Natürlich spielt auch der Krieg im Osten weiter eine große Rolle in vielen Lebensbereichen der Ukraine, was nicht nur in den musikalisch untermalten Gedichten von Serhij Zhadan, der aus dem ostukrainischen Charkiw stammt, deutlich wurde. Alexander Hug, vier Jahre lang stellvertretender Leiter der OSZE-Mission in der Ukraine, beschrieb die Früchte der Minsker Vereinbarungen folgendermaßen: „Was Minsk gebracht hat, ist kein Erfolg. Aber es hat einen gewissen Grad an Stabilität und Sicherheit gebracht. Es wurden Linien gezogen, und die werden weitgehend eingehalten.“ Gleichzeitig seien allein in den ersten neun Monaten des Jahres 200 tote und verletzte Zivilisten zu beklagen gewesen, und das sei „inakzeptabel“. In erster Linie müsse es darum gehen, die Auswirkungen des Konfliktes auf die Zivilbevölkerung zu minimieren.

Regisseur Askold Kurov über den Dokumentarfilm „Der Prozess“

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Askold Kurov

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Askold Kurov ist Regisseur des Dokumentarfilms „Der Prozess“ (2017). Darin geht es um den Prozess gegen den ukrainischen Regisseur Oleg Sentsov, der 2015 wegen angeblicher terroristischer Aktivitäten ohne stichhaltige Beweise in Russland zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde. Warum er sich diesen Fall für seinen Dokumentarfilm ausgesucht hat und wie er entstanden ist, erläutert Kurov hier im Video-Interview.

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Daran arbeitet etwa Serhij Doma vom „Centre for Civilians in Conflict”: Der ehemalige Soldat versucht, ukrainischen Kommandeuren an der Front Wege aufzuzeigen, wie Zivilisten während Militäroperationen geschützt werden können. „Wir versuchen, ihnen klarzumachen, dass das in ihrem eigenen Interesse ist. Denn jeder getötete Zivilist ist in Wirklichkeit eine große Niederlage.“ Das treffe durchaus auf Verständnis, wenn das „Framing“ stimme: „Die Armee ist dazu da, um zu kämpfen. Aber sie sollte das intelligent tun“, so Doma.

Von Doma und anderen wollten die Teilnehmer der Tagung wissen, wie und wann dieser Krieg zu beenden sei. Ist eine Autonomie der Gebiete wie etwa im Baskenland möglich? Doma wies das zurück: „Im Unterschied zum Baskenland liegt östlich des Donbass ein Land mit 140 Millionen Einwohnern, das die Existenz der Ukraine in Frage stellt.“ Gleichzeitig gestand auch der ehemalige Soldat ein, dass eine militärische Lösung unmöglich sei.

Alexander Hug beschrieb die Kriegsmüdigkeit der Menschen im Osten der Ukraine und zeigte sich überzeugt: Wenn die Menschen auf beiden Seiten der Front profitieren, könnte eine Lösung gefunden werden. Alle Seiten müssten ihrer Verantwortung laut den Minsker Vereinbarungen gerecht werden. Politikerin Zalishchuk kritisierte Hug dafür, dass er in diesem Zusammenhang nicht von Russland spreche, das die Hauptverantwortung für den Konflikt trage. Hug antwortete diplomatisch: „Wir haben immer gesagt: Dies ist ein Konflikt in und um die Ukraine.“

Das Thema Frieden wird in den nun anstehenden Wahlkämpfen jedenfalls eine wichtige Rolle spielen – allerdings besteht die Gefahr, dass gerade jene Kräfte, die von einer Revanche träumen, dieses Thema monopolisieren, indem sie „Frieden um jeden Preis“ versprechen. Die anderen politischen Kräfte dagegen, so die Journalistin Kariakina, würden in der ein oder anderen Form die patriotische Parole vertreten: „Wir können uns den Donbass zurückholen.“

Wie sieht die Zukunft der Ukraine aus? „Unvorhersehbar“ sei sie, so Antikorruptionskämpferin Kaleniuk. „Aber ebenso unvorhersehbar sei die Zukunft vieler Länder – darunter auch Deutschland.“

Aktivist Maksym Butkevych über Flüchtlinge in der Ukraine

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Maksym Butkevych

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Maksym Butkevych engagiert sich als Co-Koordinator mit dem Projekt „No Borders“ für Flüchtlinge in der Ukraine – ein Thema, das bisher keinen besonders hohen Stellenwert hat, wie er sagt. Warum er es trotzdem wichtig findet und wofür sich das Projekt genau einsetzt, erläutert der frühere TV-Journalist und Mitarbeiter des UNHCR Ukraine hier im Video-Interview.


Zusatzmaterial zur Tagung

Im Folgenden finden Sie Impressionen des Tagungswochenendes, einen ausführlichen, chronologisch aufgebauten Tagungsbericht, ein Videointerview mit Tagungsleiterin Judith Stumptner, die Ergebnisse von vier Recherchereisen sowie das Gedicht „Mein Alter“ , das Autor und Musiker Serhij Zhadan im Rahmen einer musikalischen Lesung vorgestellt hatte. Wenn Sie darüber hinaus wissen möchten, wie das Programm der Tagung genau lautete, welche Referenten zu Gast waren oder welche Bedeutung der Maidan für die ukrainischen Proteste und Plätze im Allgemeinen für Protestbewegungen hat, dann klicken Sie hier.

Die Bildergalerie zeigt Impressionen von der Tagung „Maidan – An Unfinished Revolution? an der Evangelischen Akademie Tutzing.

Der Tagungsbericht von Karoline Gil dokumentiert die Tagung in chronologischer Reihenfolge.

In der musikalisch-literarischen Performance „The Mannerheim Line präsentierten Serhij Zhadan, Oleh Kadanov und Yevhen Turchyn u.a. das Gedicht „Mein Alter.

Studienleiterin Judith Stumptner über die Tagung Maidan – An Unfinished Revolution

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Judith Stumptner

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Welche Folgen hatte der Euromaidan für die Ukraine? Und was wurde aus den Anliegen der Menschen, die von Herbst 2013 an in Kyiv demonstrierten? Fünf Jahre nach Beginn der Proteste auf dem ukrainischen Unabhängigkeitsplatz soll die Tagung „Maidan – An Unfinished Revolution“ Antworten bringen. Was wir von den Protesten auf dem Maidan lernen können, erklärt Judith Stumptner, Studienleiterin für Kunst, Kultur, Bildung und Digitales an der Evangelischen Akademie Tutzing, hier im Video-Interview.


Maidan fünf Jahre später. Das Reportage-Projekt

Im Vorfeld der Tagung wurden drei JournalistInnen und eine Fotografin beauftragt, in der Ukraine auf Spurensuche zu gehen. Was bewegt die Menschen fünf Jahre nach dem Maidan? Welche Folgen zeitigen die Ereignisse von damals bis heute? Was hat sich verändert – politisch, sozial und kulturell – in Kyiv, in Charkiw, in Mariupol, in Lviv?

Dr. Gesine Dornblüth und Thomas Franke, Christian Neef, Ksenija Marchenko und Ekaterina Zershikova-Maus haben ganz unterschiedliche Antworten gefunden. Die Ergebnisse der Reisen können Sie im Folgenden nachhören und nachlesen.

Kampf um Köpfe – Reportage von Christian Neef

Fünf Jahre Maidan – Radio-Feature von Gesine Dornblüth und Thomas Franke

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Gesine Dornblüth

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Einerseits der Wille zur Veränderung, andererseits Korruption – fünf Jahre nach Beginn der Maidan-Proteste in Kyiv hat die Hörfunkjournalistin Gesine Dornblüth widersprüchliche Eindrücke über die Entwicklungen in der Ukraine erhalten. Zusammen mit ihrem Partner Thomas Franke betreibt sie ein Journalistenbüro in Berlin und ist erst kürzlich von einer Recherchereise in den Osten des Landes zurückgekehrt. Im Video-Interview hier erklärt sie unter anderem, was sie auf ihrer Reise am meisten beeindruckt hat und wie sich ihr Bild vom Maidan verändert hat. Nach der Reise ist ein 45-minütige Radio-Feature entstanden, das hier abrufbar ist. Die kürzere Fassung  “Aufbruch gegen Widerstände. Ukraine fünf Jahre nach dem Maidan” ist auf Deutschlandfunk Kultur gesendet worden.

Fünf Jahre Maidan – Foto-Projekt von Ekaterina Zershikova-Maus

Fünf Jahre sind seit den Ereignissen auf dem Maidan vergangen. Manche derer, die die Revolution der Würde als Kinder erlebten sind in der Zwischenzeit zu Jugendlichen herangewachsen. Welche Spuren haben die Proteste, die nachfolgenden Entwicklungen, der Krieg im Osten des Landes bei ihnen hinterlassen? Welche Spuren sind sichtbar, welche bleiben dem oberflächlichen Betrachter verborgen? Wie gehen die Jugendlichen mit dem Erlebten um? Wie hat es sie geprägt? In ihren Fotografien porträtiert Ekaterina Zershikova-Maus eine Generation Ukrainer und Ukrainerinnen, die den Maidan nur bedingt miterlebt hat, deren Leben aber unmittelbar von seinen Folgen gestaltet wird.

Fünf Jahre Revolution der Würde: Das Ende oder fortwährender Anfang – Ein Longread von Ksenija Marchenko

Vier Protagonisten aus der Ukraine erzählen, wie sie in ihren Städten mit den Protesten begannen und wie die Revolution der Würde ihr Leben verändert hat. Sie berichten, warum sie festgehalten, verfolgt und verurteilt wurden. Die Helden der Publikation reflektieren die Rolle der oligarchischen Medien, den aufkeimenden Nationalismus und die Verbreitung russischer Propaganda auf der Krim. Ihre Erlebnisse erklären, warum sie ihr Leben für die Revolution riskierten.

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Kooperationspartner

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Impressum

Das Multimedia-Format „Tutzinger Thesen“ wird herausgegeben von der Evangelischen Akademie Tutzing.

Produktion & Projektleitung:
Rieke C. Harmsen, Leitung Abteilung Crossmedia im Evangelischen Presseverband für Bayern

Studienleitung:
Judith Stumptner, Evangelische Akademie Tutzing
Kateryna Stetsevych, Bundeszentrale für politische Bildung

Redaktion:
Katharina Hamel und Rieke C. Harmsen
Moritz Gathmann (Bericht), Frank Heinig (Kamera), Lea Springer (Schnitt), Ekaterina Zershikova-Maus (Bilder)

Wir freuen uns über Ihr Feedback und Hinweise: rharmsen@epv.de.

Tutzing, im November 2018.


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