Trauer um Hubert Weinzierl

Die Evangelische Akademie Tutzing trauert um den Natur- und Umweltschützer Hubert Weinzierl. In diesem Nachruf erinnert Dr. Martin Held, früherer Studienleiter und heute freier Mitarbeiter der Akademie, an einen außergewöhnlichen Menschen und Vordenker.

Hubert Weinzierl war ein außergewöhnlicher Mensch. Frühzeitig, seiner Zeit vielfach weit voraus, engagierte er sich für den Naturschutz.

Für die Evangelische Akademie Tutzing war er ebenfalls ein Pionier, der bis heute seine Spuren hinterlässt. Hubert Weinzierl brachte Horst Stern, Tierfilmer der ersten Stunde, in die Akademie zur Tagung “Unser Wald: Urwald – Holzfabrik – Erholungspark? Probleme der Forstwirtschaft und des Fremdenverkehrs” (12. bis 14. November 1976) und zur Tagung “Tierliebe und Wildtier. Ökologische und kulturgeschichtliche Aspekte” (17. bis 19. Februar 1978). Diese Tagungen wurden zur Initialzündung für die Förstertagungen, im internen Jargon damals die “Wildsautagung” genannt. Die jährlich stattfindende “Tagung zu Wald, Forst, Holz” (so der offizielle Name) gehört nach dem Politischen Club und der Abiturtagung zu den ältesten Formaten der Akademie. Die diesjährige Ausgabe befasste sich mit dem Thema “Waldboden” (14. bis 16. Februar 2025).

Hubert Weinzierl war ein Naturschutzpionier. Als Vorsitzender des Bund Naturschutz in Bayern war er maßgeblich dafür, dass sich der Naturschutzverband für ein umfassendes Verständnis von Naturschutz und Umweltschutz öffnete. Sein Kampf gegen die Atompolitik in den 1970er und den 1980er Jahren ist dafür ein Beispiel. Meine Begegnungen vor Ort in Wackersdorf mit ihm und seiner Frau Beate-Seitz Weinzierl, zur Vorbereitung des wissenschaftlichen Kolloquiums der Akademie zur “Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf” (12. bis 14. Mai 1986) sind mir noch gut erinnerlich, etwa der Weg zum Kreuz im Forst nahe der geplanten Anlage.

Hubert Weinzierl ist zusammen mit einem vorausschauenden Politiker, Landwirtschaftsminister Dr. Hans Eisenmann, und dem Ökologen Prof. Dr. Wolfgang Haber (Weihenstephan) die Einrichtung des “Nationalparks Bayerischer Wald” im Jahr 1970 zu verdanken. Dieser erste deutsche Nationalpark verhalf in Deutschland dem Gedanken zum Durchbruch, Natur nicht einfach nur in kleinen Nischen und Naturdenkmälern zu schützen, sondern unter dem Motto “Natur Natur sein lassen” größere Schutzgebiete auszuweisen.

Bei der gemeinsam mit der Bayerischen Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL) veranstalteten Tagung “Schön wild sollte es sein. Wertschätzung und ökonomische Bedeutung von Wildnis” (16. bis 18. November 1998) in St. Oswald referierte Hubert Weinzierl zum Thema “Leitbild Wildnis”. Er begründete darin nicht nur sein Plädoyer “Mut zur Wildnis” sondern trug auch Gedichte über die Erdkröte (Bufo bufo) und die Ringelnatter (Natrix natrix) aus seinem Gedichtband “Naturalien-Kabinett” vor. Die Natur inspirierte ihn. Er ließ die beliebte Trennung von Natur und Kultur hinter sich.

Gemäß seinem Motto “Natur Natur sein lassen” wurde die Veranstaltung in St. Oswald der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Wildnistagungen, die wir gemeinsam mit der ANL sowie dem Nationalpark Bayerischer Wald im Zwieseler Waldhaus und im Wildniscamp des Nationalparks veranstalteten. Bei der letzteren Tagung in Tschechien waren zusätzlich der Nationalpark Šumava sowie die Oberösterreichische Akademie für Umwelt und Natur Kooperationspartner.

In der “Tagung unterwegs” zum Thema “Von Umweltkonflikten zu Lösungen. Deutsch-japanische Begegnungen vor Ort” (15. bis 17. März 2007) kommt die Verbindung von Hubert Weinzierl zur Akademie am klarsten zum Ausdruck. Diese Studienfahrt wurde gemeinsam mit der Fukuoka Natur- und Umweltschutzvereinigung Kyushu und dem Bund Naturschutz in Bayern organisiert. Die Station in München “Freiraum für Flüsse – Isar-Renaturierung in München” ebenso wie das Thema “Frei fließende Donau und Nutzungskonflikte” berührten ein Thema, das Hubert Weinzierl seit seiner Kindheit bewegt hat. Dazu passte auch der Besuch der Landvolkshochschule Niederaltaich und dem Gang mit dem Abt des Klosters Niederaltaich zum Kreuz an der Donau. Dieses Kreuz war ein Ort des Widerstands gegen den überdimensionierten Ausbau der Donau und der Zerstörung der Donauauen.

Bereits in den 1960er-Jahren stieß Hubert Weinzierl als damaliger BN-Vorsitzender gemeinsam mit seinem Freund Prof. Bernhard Grzimek das Projekt “Wiedereinbürgerung des Bibers in Bayern” an. Grzimek war damals Direktor des Frankfurter Zoos, Präsident des Deutschen Naturschutzrings und der bekannteste deutsche Tierfilmer. Von 1966 bis Anfang der 1980er Jahre setzten mit Genehmigung des bayerischen Landwirtschaftsministeriums Naturschützer in Bayern Biber aus.

In der Station im Nationalpark Bayerischer Wald trug Direktor Karl-Friedrich Sinner im Hans-Eisenmann-Haus zu Hubert Weinzierls Thema vor: “Natur Natur sein lassen – Verwilderung und Prozessschutz”. Bei der Wanderung zum Gipfel des winterlichen Lusens konnten wir “Naturästhetik, Tod und neues Leben – der Borkenkäfer und seine Folgen” erleben, im wahren Wortsinn ergehen.

Die abschließende Station der japanisch-deutschen Studienreise war das Bildungshaus der Weinzierls in Wiesenfelden. In seinem Vortrag zu “Naturschutz International” wurde erlebbar: Hier spricht jemand, der aufgrund seiner langjährigen Erfahrungen fachlich fundiert über internationalen Naturschutz sprechen kann – und dessen Arbeit und Engagement zugleich gegründet ist in der Liebe zur Natur, der dazu Zugänge über Gedichte, Kunst und Spiritualität hat.

Mit Beate Seitz-Weinzierl konnten wir etwas vom “Projekt Sehnsucht Wildnis – Wildkatzen & Luchse” sehen. Dies ist ein weiterer, wesentlicher Erfolg des Natur- und Umweltschutzpioniers Hubert Weinzierl. Dieses Projekt war maßgeblich, dass die Wildkatze wieder in deutschen Wäldern heimisch wurde. Und ebenso war das Projekt maßgeblich dafür, dass Luchse zumindest in einigen Teilen Deutschlands wieder frei in ihrem angestammten Habitat leben können.

Über die Förstertagungen hinaus verbindet die Akademie viel mit Hubert Weinzierl und hat ihm viel zu verdanken. Die Evangelische Akademie Tutzing trauert um Hubert Weinzierl. Unsere Anteilnahme gehört Beate Seitz-Weinzierl.

Martin Held, Freier Mitarbeiter Evangelische Akademie Tutzing / Studienleiter 1984-2015

Tutzing 25. Juni 2025

Bild: Hubert Weinzierl im Jahr 2009 in der Evangelischen Akademie Tutzing (Foto: Schwanebeck / eat archiv)

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