Profisport: Global player – Spitze auch in Kommerz, Korruption, Doping?

„Ist der Sport noch zu retten?“, erörterte dieser Tage die Evangelische Akademie Tutzing aus aktuellem Anlass: Im Vorfeld von Fußball-Europameisterschaft und Olympischen Spielen in Rio gab es ein prominent besetztes Podium, das sich mit der eher schon rhetorischen Frage befasste, ob der „Global Player Profisport“ denn auch „Spitze in Kommerz, Korruption und Doping“ sei. „Sport ist weder ein rechtsfreier, noch ein ethikfreier Raum“, stellte Akademiedirektor Udo Hahn einleitend fest, ehe er die Gesprächsführung an „unseren Sportchef“, seinen Studienleiter Jochen Wagner, übergab – Wagner, selbst bekennender Fußballer und Fußballfan, spielte die runde Thema-Frage dann gleich mal steil auf Felix Magath, Ines Geipel, Thomas Kistner und Prof. Gunter Gebauer.

Kurzfristig erkrankt war der ebenfalls als Gesprächgast eingeladene ehemalige Skirennläufer Christian Neureuther, der abgesagt hatte; schon viel länger im Krankenstand befindet sich aber nach übereinstimmender „Anamnese“ der übrigen Podiumsteilnehmer der weltweite Spitzensport, denn er laboriert gleich an mehreren ernsten Symptomen – Stichwort Doping: „Wer heutzutage mit ärztlicher Expertise dopt, der muss sich schon sehr dumm anstellen, um erwischt zu werden“, stellte Thomas Kistner, Fachbuchautor und für Sportpolitik zuständiger Redakteur der „Süddeutschen Zeitung“, fest. Sogar im Amateursport-Bereich „bis hin zum Seniorentennis“, so Kistner, greife das Phänomen Doping inzwischen Platz – Motiv hier: Anerkennung. Kistner führte zugleich aus, dass die Fußball-WM 2014 praktisch von wirksamer Kontrolle komplett ausgeklammert war, auch dank der bekannt korrumpierten FIFA-Strukturen, wo letztlich „alles auf den Schreibtischen der nunmehr suspendierten Herren Blatter und Valcke landete“.

Dass gerade auch mindestens 55 Teilnehmer der Sommer-Spiele in Peking 2008 und London 2012 als Doper überführt wurden (die Winterspiele Sotschi 2014 noch gar nicht gerechnet), verwunderte die ehemalige DDR-Spitzenleichtathletin Ines Geipel ebenfalls ganz und gar nicht: „Ab 1974 gab es dort schon Staatsdoping“, so Geipel, die heute als Vorsitzende des 1999 gegründeten Vereins „Doping-Opfer-Hilfe e.V.“ für ein Gesetz zur Entschädigung zwangsgedopter ehemaliger Sportler streitet und sagt: „Wir sehen die Geschädigten dieses Systems erst 40 Jahre später – es war im Grunde eine Vergewaltigungsgeschichte von Körper und Seele.“ Geipel griff dabei auch den Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Michael Vesper, stellvertretend für die „Heuchelei des Westens“ an – Vesper habe sinngemäß gesagt, „für Athleten, die uns damals die Medaillen weggenommen haben, zahlt man doch nicht!“ Laut Geipel fehle bis heute am ernsthaften Willen der Verantwortlichen in Sport und Politik bis hin zu IOC-Präsident Thomas Bach, „den Sport endlich zu schützen“, man habe auch ganz aktuell „ein eklatantes Problem“.

Fußballtrainer Felix Magath, zuletzt als Team Manager beim FC Fulham selbst in der Arena, erklärte demgegenüber in typischer Unaufgeregtheit: „Ich habe als Aktiver nie gedopt, das ist sowieso lächerlich und bringt nichts.“ Fußballprofis seien ohnehin nicht viel fitter als Amateurkicker, so Magath: „Es geht doch eher darum, dass der Spieler das Spiel verstehen muss.“ Auf den weiteren Aspekt „viel Geld“ als Motivationshilfe angesprochen, sagte der 63-Jährige: „Diese Entwicklung werden wir nicht mehr zurück drehen können – ich habe es nicht gebraucht als Motivation, sondern kam durch die Euphorie nach dem WM-Sieg 1954 zum Fußball.“ Gunter Gebauer, emeritierter Professor für Philosophie und Soziologie des Sports an der FU Berlin, widersprach: „Sie spielen die Bedeutung herunter – ich habe Mühe zu glauben, dass Doping im Fußball keine Rolle spielen soll!“, insbesondere wenn man sich Spiele anschaue, die in die Verlängerung gehen, so Gebauer, werde doch die (chemisch gepäppelte) Kondition zum Thema. Dem konnte Journalist Kistner nur beipflichten, hat er doch bereits ein ganzes Buch zum Thema publiziert („Schuss – die geheime Doping-Geschichte des Fußballs“). Laut Gebauer verführt aber auch die im Übermaß verfügbare „Droge“ Geld im Fußballsport mittlerweile dazu, „dass ganze Familien in einem begabten Kicker den Ernährer ihres ganzen Clans sehen“.

Das von Jochen Wagner („Sollte der Himmel leer sein, brauchen wir Ersatzgötter – Augenblicksgötter“) moderierte Podium mochte am Ende zwar geschlossen jedem jungen Sportler auch in Zukunft dazu raten, Sport zu treiben, doch meldete sich sogar in Tutzing noch einmal die unrühmliche Vergangenheit zu Wort, als sich ein Mannschaftsarzt des DDR-Olympia-Teams von Montreal 1976 im Auditorium zu erkennen gab und das einstige Staatsdoping am liebsten relativiert hätte. Ines Geipel hatte die passende Entgegnung: „2000 ehemalige Athleten mit schwersten körperlichen und psychischen Schäden – helfen Sie lieber bei der Aufklärung mit!“

Thomas Lochte

Foto: Studienleiter Dr. Jochen Wagner, Thomas Kistner, Felix Magath, Ines Geipel, Prof. Dr. Gunter Gebauer und Akademiedirektor Udo Hahn (v.l.) (c) Haist

Fußballtrainer Felix Magath, zuletzt als Team Manager beim FC Fulham.

(Foto: Haist)

Ines Geipel, ehemalige Weltklasse-Sprinterin der DDR, Vorsitzende der doping-opfer-hilfe e.V.

(Foto: Haist)

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