“Die Grünen haben in allem dazugelernt”

“Mit Annalena Baerbock ins Bundeskanzleramt?” Unter diesem Titel diskutierte Akademiedirektor Udo Hahn mit den Journalisten Dr. Helene Bubrowski (FAZ) und Ulrich Schule (taz). Ihre Prognose: Die Ökopartei wird an Gewicht gewinnen. Am Ende kommt es aber zu einer schwarz-grünen Bundesregierung – mit Armin Laschet als Kanzler.

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Am Ende waren sich Dr. Helene Bubrowski und Ulrich Schulte in ihrer Prognose zum Ausgang der Bundestagswahl im September einig: Die Korrespondentin der Parlamentsredaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Leiter des Parlamentsbüros der Berliner Tageszeitung taz erwarten eine schwarz-grüne Bundesregierung – mit Armin Laschet als Bundeskanzler und Annalena Baerbock als Vizekanzlerin. Bubrowski schränkte ein, dass sie diese Konstellation für die wahrscheinlichste hielte und die Ampel-Koalition oder grün-rot-rot dann Alternativen wären, wenn dies rechnerisch reiche. Schulte begründete seine Einschätzung mit der Erwartung, dass mit der Bewältigung der Corona-Pandemie eine Stabilisierung der Union einhergehe.

In der Reihe “Zur Bundestagswahl” ging es im Online-Podiumsgespräch am 17. Mai um Bündnis 90/Die Grünen. “Mit Annalena Baerbock ins Bundeskanzleramt?”, lautete das Thema. Schulte wie Bubrowski beobachten in der Bevölkerung eine gewisse Wechselstimmung, wie Umfragen diese zuletzt sichtbar machten. Die FAZ-Journalistin sieht als Grund hierfür Ermüdungserscheinungen in der Regierung, aber auch, dass Klimaschutz an Bedeutung gewonnen habe. Helene Bubrowski warnte aber, die Grünen sollten sich nicht zu früh freuen, denn Umfragen seien nicht mit Wahlergebnissen gleichzusetzen. Daran erinnerte auch Ulrich Schulte mit dem Hinweis, dass die Partei vom Reaktorunglück in Fukushima 2011 bei der Bundestagswahl 2013 nicht profitiert und nur 8,4 Prozent erzielt habe. Die Grünen seien heute aber eine andere Partei, insbesondere seit Annalena Baerbock und Robert Habeck 2018 den Vorsitz übernahmen. Nach Bubrowskis Einschätzung ist der Konflikt zwischen Realos und Linken überwunden und die Basis gehe den Weg der beiden Vorsitzenden mit. Die neue Geschlossenheit lasse die Aussicht auf einen Erfolg der Ökopartei wachsen. Schulte führt den Zuspruch für die Grünen auch darauf zurück, dass die Wählerschaft breiter geworden sei und mit Fridays for Future im vorpolitischen Raum eine Kraft entstanden sei, die Diskurse eröffneten, die den Grünen in die Hände spielten.

Hinzu kommt, dass die Grünen heute “Meister der Inszenierung” (Bubrowski) seien und sich entsprechend darzustellen verstünden. Dass am Ende Annalena Baerbock sich als Spitzenkandidatin durchgesetzt hat, lag für Schulte auf der Hand: Sie sei faktensicherer als Habeck – und sie habe Chuzpe, eine gewisse Unverfrorenheit, so könnte man den schillernden Begriff übersetzen. Ihr Manko, keine Regierungserfahrung vorweisen zu können, mache sie zu einem Vorteil, wenn sie davon spreche, für den Aufbruch zu stehen. Gegenüber Olaf Scholz und Armin Laschet wirke sie “frischer”, so Schulte.

Die Grünen haben nach Einschätzung Bubrowskis praktisch in allem dazugelernt, auch in der Art, wie sie ihre Themen kommunizieren. Man wolle den Menschen nicht mehr in die persönliche Lebensführung hineinreden und vermeide den Ton der Bevormundung. “Was wir vorhaben, ist machbar”, laute vielmehr die Botschaft. Ulrich Schulte sieht darin jedoch einen Spagat, der kaum gelingen könne. Die Idee, es genüge, den politischen Rahmen zu ändern, der Lebensstil werde davon aber nicht beeinträchtigt, dürfte nicht aufgehen. Wer die Pariser Klimaziele erreichen wolle, müsse bei einer spürbaren Verteuerung der Energiekosten zugleich für einen sozialen Ausgleich sorgen, der etwa Pendler unterstütze. Dass die Investitionsoffensive – bessere Schulen, Sanierung von Brücken etc. – nur durch eine Aufweichung der Schuldenbremse finanziert werden könne, müsse bezweifelt werden.

Christian Bergmann

Hinweis: In der Reihe “Zur Bundestagswahl” stand im Februar die CDU/CSU im Mittelpunkt, am 7. Juni geht es um die SPD am 21. Juni um die FDP.

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