Trösten – wie geht das?
Die Tage werden kürzer und dunkler, das Wetter ist häufig trüb und trist. Grau und Dunkelheit erinnern an Tod und die Vergänglichkeit des Menschen. Gerade im November wird an vielen Tagen der Verstorbenen gedacht – zum Beispiel an Allerheiligen (01.11.), an Allerseelen (02.11), am Volkstrauertag (16.11.) oder am Totensonntag (23.11). Die Trauernden suchen Trost – in allen Monaten des Jahres. Akademiedirektor Pfr. Udo Hahn hat ein Buch mit Trost-Gedanken verfasst. Es ist nicht sein erstes zum Thema.
Evangelische Akademie Tutzing: Gerade ist Ihr neuestes Buch „Ich will euch trösten. Biblische Trostgedanken“ erschienen. Es ist nicht Ihr erstes zum Thema Trauer. Wie kommt das?
Udo Hahn: Das Thema Trauer habe ich in den letzten zwei Jahrzehnten schon ein halbes Dutzend Mal bearbeitet. Entstanden sind illustrierte Bücher, die als Präsent für Menschen gedacht sind, die um einen lieben Menschen trauern. Diese Publikationen brauchen einen überzeugendes Bildkonzept, für das der Verlag sorgt. Und mein Part ist es, Aphorismen und Lyrisches zu formulieren, das Menschen in ihrer Trauer abzuholen und anzusprechen versucht.
Die Bildkonzepte ändern sich – und in meiner Arbeit als Pfarrer und Seelsorger, als Begleiter in der Trauer, aber auch als Mensch, der selbst trauert, wenn Familienangehörige und Freunde sterben, finde ich immer wieder neue Gedanken. Der Verlag Butzon & Bercker, bei dem auch meine Interpretation von Dietrich Bonhoeffers Gedicht von den guten Mächten erschienen ist, hat mich gefragt, ob ich vor dem Hintergrund der biblischen Psalmen Trostgedanken formulieren könnte. Dieser Bitte habe ich gerne entsprochen.
Was ist eigentlich Trost?
Das lässt sich nicht mit einem Satz sagen. Vor allem: Trost lässt sich nicht erzwingen. Viele Menschen erleben gar keinen Trost, sondern nur Vertröstung. Ihre Enttäuschung wird sogar größer und sie fühlen sich letztlich in ihrer Trauer nicht verstanden und auch allein gelassen.
Was man sich als erstes vor Augen führen muss: Trost schafft den Grund, warum jemand trostbedürftig ist, nicht aus der Welt. Der Tote, um den ich trauere, wird nicht wieder lebendig, was auch immer ich sage. Und das Ergebnis der nicht bestandenen Prüfung lässt sich ebenfalls nicht korrigieren. Trost hilft im besten Fall, das auszuhalten, was unveränderbar ist. Es lindert den Schmerz, die Enttäuschung, die Verzweiflung. Gelingt diese Linderung, wäre das schon viel.
Können Sie beschreiben, wie Trösten geht?
Wer eine Enttäuschung verarbeiten muss oder um einen geliebten Menschen trauert, freut sich, wenn überhaupt ein anderer Mensch da ist. Meist kommt auch das Umfeld mit der entstandenen Situation nicht klar und Verwandte, auch Freundinnen und Freunde ziehen sich zurück. Nichts ist schlimmer für Trostbedürftige, als wenn sie allein bleiben mit ihrer Trauer und Enttäuschung.
Trost braucht nicht zwingend Worte. Manchmal hilft eine Umarmung. Zuvor sollte man aber fragen, ob man den Trauernden umarmen darf. Und noch bevor man eigene Worte des Trostes formuliert, sollte man unbedingt zuhören. Viele Trauernde sind auf Menschen angewiesen, denen sie erst einmal ihr Leid klagen können. Das kann für den, der zuhört, sehr belastend sein. Und manchmal hilft ein wertschätzendes Wort, das dem Trostbedürftigen zum Weiterdenken anregt.
Immer weniger Menschen gehören einer Kirche an und können mit religiösen Gedanken nichts anfangen. Ist dann ein Bibelwort überhaupt angebracht?
Ich finde schon, denn es geht ja um persönliche Überzeugungen und Haltungen. Christinnen und Christen können sehr wohl einen Bibelvers zitieren. Dabei kommt es darauf an, dies nicht in einem Gestus zu tun, der vermeintlich allgemeine Wahrheiten zu Gehör bringt, die man oder frau glauben muss. Das ist ohnehin meist wenig überzeugend. Wird ein biblischer Gedanke aber mit einer persönlichen Erfahrung verbunden, dann ist das ein Angebot, auf das sich der Trostbedürftige durchaus einlassen kann.
Die Fragen stellte Dorothea Grass
Hinweis:
Der Band “Ich will euch trösten. Biblische Trostgedanken” ist im Verlag Butzon & Bercker in Kevelaer erschienen. Er umfasst 48 Seiten (mit Illustrationen und Fotos) und kostet 12,00 Euro.
Bild: Akademiedirektor Udo Hahn mit seinem eben erschienenen Band auf der Seeterrasse der Evangelischen Akademie Tutzing. (Foto: dgr/eat archiv)

 
                    






