Zum Tod von Renate von Walter

Mehr als zwanzig Jahre lang war die frühere Hauswirtschaftsleiterin der Evangelischen Akademie Tutzing für die Gastlichkeit des Hauses zuständig. In dieser Aufgabe ging sie auf: mit Sorgfalt, Kompetenz und „mildem Regiment“. Ein Nachruf von Udo Hahn.

Wäre Renate von Walter jemals Gast in Robert Lembkes legendärer Sendung „Was bin ich?“ aufgetreten, dann hätte sie sich womöglich nicht mit einer typischen Handbewegung vorgestellt, sondern mit einem Blick. Mir kommt dies in den Sinn, denn ich verbinde die langjährige Leiterin der Hauswirtschaft in der Evangelischen Akademie Tutzing mit einem bestimmten Blick, dem nichts entgeht – wie ihn nur Menschen mit dieser Profession haben können, wenn sie denn Profis sind. Renate von Walter war das, mit Leib und Seele. Es ist der Blick, der im Bruchteil einer Sekunde eine Situation zu erfassen vermag und bei Bedarf sofort in eine Handlung übergeht.

1931 im Baltikum geboren, ist Renate von Walter jetzt gestorben. Mehr als zwanzig Jahre – bis 1991 – prägte sie die Hauswirtschaft der Akademie. Ende der 1960er Jahre übernahm in ihrer Person erstmals nicht eine Diakonisse aus Neuendettelsau oder Selbitz die Leitung dieses Arbeitsbereichs. Claus-Jürgen Roepke, der von 1980 bis 1991 Akademiedirektor war und Frau von Walter in den Ruhestand verabschiedete, hielt in dem zum 40-jährigen Bestehen des Hauses veröffentlichten Band „Schloss und Akademie Tutzing“ fest, dass sie ein „mildes Regiment“ führte. Ein schöneres Kompliment konnte man ihr nicht machen! Heute würde man sagen: Sie stand für Kompetenz und Effizienz, aber auch für äußerste Hingabe und größte Sorgfalt – und für den Blick fürs Detail, das stimmen muss, denn eben dieses Detail erklärt stets das Ganze.

Ich bin Renate von Walter bewusst erst als Akademiedirektor begegnet. Unbewusst erlebte ich sie schon 1981/82, als ich vor und nach dem Abitur erstmals Tagungen im Schloss besuchte. An einem „Tag der offenen Tür“ bzw. „Tag des offenen Denkmals“ kam sie in den letzten Jahren immer mal wieder zu einer Stippvisite in die Akademie. Und die Begegnungen mit ihr hatten durchaus den Charakter einer Visite. Ich spürte immer ihre Neugier, wie denn jetzt so alles ist im Haus. Es war ihr Blick, der mir immer wieder auffiel und der wie einst alles auf Anhieb erfasste: kritisch und liebevoll zugleich.

Sie war in ihrer Zeit eine Pionierin. Mit viel Geschick und ihrem guten Geschmack sei es ihr gelungen, eine gepflegte Atmosphäre zu schaffen, die dem Stil der Akademie in jeder Weise gerecht wurde, würdigte Roepke Renate von Walter am Ende ihrer Dienstzeit. Und die war einerseits von dem sich wandelnden Tagungsbetrieb geprägt, andererseits von den vielen Umbauarbeiten. Anfang der 1980er Jahre entstand erst das Pavillon-Restaurant. Bis zu diesem Zeitpunkt war im Schloss gekocht und gegessen worden. Als das neue Restaurant errichtet war, kam die Kernsanierung des Schlosses an die Reihe.

Renate von Walter war eine Dame – die Hausdame der Akademie. Diese Rolle hatte sie verinnerlicht und wusste ihre Aufgabe von der der Dame des Hauses, der Frau des Akademiedirektors, mit der sie kongenial zusammenarbeitete, zu unterscheiden. Mit Heide Roepke pflegte sie ein besonders enges Verhältnis, gab es damals doch noch die „Haustöchter“ (heute würde man sie Praktikantinnen in der Hauswirtschaft nennen), die der besonderen Begleitung bedurften. Von Walter besaß eine natürliche Autorität und war in jeder Hinsicht stilsicher. So werde ich sie gerne in guter Erinnerung behalten. Die Akademie wird ihr ein ehrendes Gedenken bewahren.

Udo Hahn, Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing

Bild: Renate von Walter bei ihrer Verabschiedung im Juli 1991. In der Hand hält sie eine Putte aus Nymphenburger Porzellan mit dem Namen „Die Enteilende“ – ein Abschiedsgeschenk des früheren Akademiedirektors Claus Jürgen Roepke. ( Foto: Erich C. Setzwein/eat archiv)

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