Zum Tod von Hans-Jochen Vogel

Der frühere SPD-Politiker war eine Instanz: als Oberbürgermeister von München, Regierender Bürgermeister von Berlin, Bundesminister, Kanzlerkandidat und Parteivorsitzender. Mit der Evangelischen Akademie Tutzing verband ihn eine lange Geschichte. Ein Nachruf von Udo Hahn.

Er war eine der prägenden politischen Persönlichkeiten der Bundesrepublik Deutschland. Von vielen als moralische Instanz gerühmt, über Parteigrenzen hinweg anerkannt, ein Mensch, der bis zuletzt für Gerechtigkeit kämpfte – insbesondere für bezahlbaren Wohnraum. Jetzt ist Dr. Hans-Jochen Vogel im Alter von 94 Jahren gestorben.

Von 1960 bis 1972 war er Oberbürgermeister von München, von 1972 bis 1974 Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, danach bis 1981 Bundesminister der Justiz und 1981 Regierender Bürgermeister von Berlin. Nach dem Ende der Kanzlerschaft Helmut Schmidts war er Kanzlerkandidat der SPD bei der Bundestagswahl 1983, scheiterte jedoch gegen die neu formierte Koalition aus CDU/CSU und FDP. Von 1987 bis 1991 war er als Nachfolger Willy Brandts Parteivorsitzender der SPD und von 1983 bis 1991 in der Nachfolge Herbert Wehners Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion.

In der Evangelischen Akademie Tutzing war der promovierte Jurist erstmals im Jahre 1954. Besonders in Erinnerung bleibt seine Begegnung 1984 mit Otto Schily (damals noch bei den Grünen). Lange vor der rot-grünen Koalition diskutierten die beiden eine mögliche Annäherung beider Parteien.

„Meine Erinnerung an die Akademie reicht bis in die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts zurück“, schrieb Vogel 2017, anlässlich des 70-jährigen Bestehens der Denkwerkstatt. „Seitdem war ich in all‘ meinen politischen Funktionen dort immer wieder Gast als Zuhörer, aber auch als Referent. Häufig hat mir das Anlass zum Nachdenken gegeben und meine Herleitung der Wertordnung des Grundgesetzes aus der christlichen Botschaft bestärkt. Dafür danke ich der Akademie heute einmal mehr.“

Persönlich hat mich an Hans-Jochen Vogel tief beeindruckt, dass der keinen Gruß zum Geburtstag oder zum Weihnachtsfest unbeantwortet ließ. Mehr noch: immer mit persönlichen Anmerkungen verband, historische Verknüpfungen herstellte und erstaunlich gut über unsere Tagungsarbeit Bescheid wusste – und auch manchen hilfreichen Rat gab. Seinen Gruß zum 70-jährigen Bestehen der Akademie schloss er mit dem Satz: „Möge sie weiterhin ihre Aufgabe bundesweit erfüllen.“ Das ist für uns Ansporn und Verpflichtung!

Udo Hahn, Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing

Bild: Hans-Jochen Vogel (eat archiv)

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