MEIN FREUND, DAZU BIST DU GEKOMMEN?
Matthäus 26,50
Judas Iskariot ist wohl die komplexeste und sicher die tragischste Figur des Neuen Testaments. Als Jünger gehört er zum engsten Kreis um Jesus von Nazareth. Im Garten Gethsemane führt er die Soldaten zu ihm und verrät seinen Herrn mit einem Kuss. Ein intimer Augenblick mitten im Tumult der aufgewühlten Menge, den Giotto di Bondone in seinem Freskenzyklus der Passion Christi in der Cappella degli Scrovegni in Padua festgehalten hat.
In dieser Zärtlichkeit zum Tode liegt Judas ganze Tragik. Liebe, Abschied, Enttäuschung und die Unausweichlichkeit des Schicksals sprechen aus den Blicken der beiden Männer. Dieser Kuss bringt den Leidensweg Jesu in Gang, der ihn ans Kreuz von Golgatha führt. Dieser Kuss bringt zugleich die christliche Heilsgeschichte ins Rollen. Warum tut Judas das? Für dreißig Silbergroschen oder für uns alle? Handelt er aus freiem Willen oder ist er ein Werkzeug Gottes? Am Ende kann er mit seiner Rolle selbst nicht mehr leben.
Judas Iskariot hat seinen Ruf in der christlichen Kulturgeschichte weg: Er gilt als Verräter des Gottessohns. Damit ist er zur Projektionsfigur schlechthin für christlichen Antijudaismus und Antisemitismus geworden. Auch Giotto di Bondone stellt Judas in gelbem Gewand, der Farbe der Falschheit dar. Aber es gibt andere, insbesondere auch literarische Darstellungen, die ihn differenzierter sehen. Nicht die dunkle, an Judas ansetzende Tradition des Antisemitismus soll im Fokus der Veranstaltung stehen, sondern das allgemein menschliche und bis in die Gegenwart komplexe Phänomen des Verrats, das sich an ihm exemplarisch entfalten lässt: Wer für die einen ein Verräter ist, ist für die anderen ein Whistleblower.
Die Figur des Judas Iskariot dient als Ausgangspunkt des Symposiums, sich mit dem Phänomen des Verrats genauer zu beschäftigen. Dazu wählen wir eine interdisziplinäre Perspektive: Zusammen mit Studierenden der Universität Bamberg aus Theologie, Philosophie und Politikwissenschaft wollen wir in eigener Lektüre kurzer Texte der Figur des Judas in ihrer Vielschichtigkeit auf die Spur kommen. Vortragsimpulse aus Neutestamentlicher Wissenschaft, Literaturwissenschaft und Psychologie runden die Tagung ab und bereichern das eigene Nachdenken. Besonderes Vorwissen oder eine besondere Vorbereitung vor der Veranstaltung sind nicht nötig.
Wir laden Sie herzlich ein!
Dr. Hendrik Meyer-Magister Studienleiter, Evangelische Akademie Tutzing
Prof. Dr. Christian Illies Professor für Philosophie, Universität Bamberg
Prof. Dr. Thomas Wabel Professor für Systematische Theologie, Universität Bamberg
Prof. Dr. Reinhard Zintl Professor emeritus für Politische Theorie, Universität Bamberg