HYBRIDE BEDROHUNGEN
Demokratie braucht gut informierte Bürgerinnen und Bürger. Deshalb setzen Antidemokraten auf Desinformation. Einerseits haben namentlich Russland und China eine regelrechte Desinformationsindustrie samt „Troll-Fabriken" errichtet. Andererseits wirken innerhalb der Demokratien starke Kräfte, die in ihrer Propaganda zweckdienliche Fake News verbreiten. Die äußeren wie die inneren Feinde der Demokratie nutzen sowohl die sozialen Medien und ihre Bots als auch eine Galaxie „alternativer", verschwörungsgläubiger und extremistischer Blätter oder Webseiten (etwa das rassistische und antisemitische Magazin Compact).
Die Europäische Union und auch Deutschland bleiben nicht untätig im Kampf gegen Desinformation. Die EU hat den Digital Services Act und den Digital Markets Act erlassen. Diese zwei Gesetze über digitale Dienste bzw. digitale Märkte nehmen die Plattformen – insbesondere US-amerikanische und chinesische Tech-Riesen – in die Pflicht. Brüssel hat bereits 2018 einen Aktionsplan gegen Desinformation lanciert und 2020 mit einem Aktionsplan für Demokratie ergänzt. 2019 entstand ein Frühwarnsystem mit 27 nationalen Kontaktstellen, 2020 die wissenschaftliche Europäische Beobachtungsstelle für digitale Medien, die eine Übersicht der Aktivitäten rund um das Faktenchecken vermittelt. Der Europäische Auswärtige Dienst hält überdies eine Task Force für strategische Kommunikation und eine Analyse-Einheit für hybride Bedrohungen.
Allerdings geht es nicht nur um den Kampf gegen Desinformation, sondern ebenso sehr um den anspruchsvollen Kampf für eine gute Information der Öffentlichkeit. Eine große Aufgabe in Zeiten, in denen der Journalismus zusehends zum Verlustgeschäft wird und „Medienwüsten" sich ausdehnen. Der weitgehende Wegfall ihres Geschäftsmodells treibt nicht wenige etablierte Massenmedien in die Kommerzialisierung oder in eine Ideologisierung à la Fox News – immer entfernter von der Faktizität, wie sich im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf oder im Europawahlkampf gezeigt hat.
Was ist zu tun? Was wirkt gegen Desinformation und wie kann die Öffentlichkeit in der nötigen Breite und Tiefe verlässlich informiert werden? Braucht es neben der Abwehr von Fake News und „alternativer Fakten" auch eine Förderung des Journalismus durch die öffentliche Hand wie etwa in Nordeuropa? Dieser Teil der Landkarte nimmt sowohl im Ranking der Pressefreiheit als auch bei der Medienförderung Spitzenplätze ein.
Die Herbsttagung des Politischen Clubs begibt sich auf die Suche nach pragmatischen Lösungen für die deutsche Journalismus- und Medienlandschaft. Herzliche Einladung in das Schloss Tutzing!
Pfr. Udo Hahn
Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing
Dr. h. c. mult. Roger de Weck
Leiter des Politischen Clubs der Evangelischen Akademie Tutzing