„Nie wieder!? – Geschichte prüft uns in der Gegenwart“.

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Dr. h.c. Charlotte Knobloch, ist am Sonntag, den 9. November 2014, mit dem „Tutzinger Löwen“ ausgezeichnet worden. Akademiedirektor Udo Hahn würdigte in seiner Begrüßungsansprache das Engagement Knoblochs mit den Worten: „Wir würdigen mit dieser Auszeichnung, verehrte Frau Dr. Knobloch, Ihr Engagement für eine jüdische Gegenwart und Zukunft in Deutschland, wir würdigen Ihren Maßstab setzenden Einsatz für Versöhnung sowie Ihr unbeugsames Eintreten gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus. Und wir würdigen Ihre Unterstützung des jüdisch-christlichen Dialogs.“

In ihrer anschließenden Kanzelrede plädierte die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland für eine aktive Erinnerungskultur in der Gesellschaft. Knobloch zitierte den kürzlich verstorbenen Siegfried Lenz mit den Worten „Vergangenheit hört nicht auf. Sie prüft uns in der Gegenwart“ und beschrieb anschließend die Wunden auf ihrer Seele im Supergedenkjahr 2014 – einhundert Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs, 75 Jahre nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, 76 Jahre nach der Reichspogromnacht und 25 Jahre nach dem Fall der Mauer. Der neue, alte Judenhass sei 2014 wieder da. „Israel brenne“ habe sie vielerorts gehört. Und jüdische Mitbürger seien wieder beschimpft, bedroht, ausgegrenzt und angegriffen worden. Laut Angaben der Bundesregierung hat sich der Antisemitismus in diesem Land im vergangenen Jahr fast verdoppelt. „Wo ist die Mehrheitsgesellschaft, die uns jüdische Mitbürger schützt? Warum bleibt die überwältigende Mehrheit so unsichtbar?“, fragte die Präsidentin der IKG das Publikum in der Erlöserkirche und ergänzte: „Ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben, die von Zivilcourage redet, aber wenn es darauf ankommt, den Kopf in den Sand steckt.“

An die jüngere Generation gewandt betonte Knobloch: „Ich wünsche mir, dass wir eine wehrhafte Bürgergesellschaft bilden. Und ich rufe heute wiederholt die jungen Menschen dazu auf, für Freiheit, Frieden und Demokratie zu kämpfen.“ Die Erkenntnisgeneration müsse den Stab der Geschichte an die Erlebnisgeneration weiterreichen. Und die Erkenntnisgeneration dürfe das „Nie wieder“ nicht vergessen, so Knobloch. Die Bundesrepublik Deutschland habe es in den letzten 65 Jahren weit gebracht, lobte die Präsidentin der IKG und rief den Zuhörerinnen und Zuhörern von der Kanzel aus zu: „Wache auf Deutschland. Was in den 65 Jahren erreicht wurde, müssen wir schützen und verteidigen, damit das schlimmste Verbrechen des 20. Jahrhunderts sich nicht wiederholt. Nie wieder.“

Kanzelrede verpasst? ARD-alpha überträgt die Kanzelrede von Charlotte Knobloch am 3. Januar 2015, um 22.30 Uhr in der Sendereihe „Denkzeit“.

Die Begrüßungsansprache von Akademiedirektor Udo Hahn erhalten Sie -> hier.
Die vollständige Rede von Dr. h.c. Charlotte Knobloch erhalten Sie -> hier.
Einen Fernsehbeitrag der BR-Rundschau erhalten Sie -> hier.

Akademiedirektor Udo Hahn überreicht Charlotte Knobloch den “Tutzinger Löwen” als Würdigung für ihren Einsatz gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus.
Foto: Haist

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