Ein neuer Diskursort für die Demokratie
Zur ersten Veranstaltung des neu gegründeten Freundeskreises in der Region Main-Steigerwald auf dem Schwanberg kamen so viele Menschen, dass der Große Saal des Schlosses nicht ausreichte. Die etwa 200 Gäste füllten bis auf den letzten Platz die St. Michaelskirche des Evangelischen Klosters. Den Gründungsvortrag hielt der Publizist Prof. Dr. Heribert Prantl.
Informationen zum Freundkreis finden Sie hier
“Wir möchten einen Diskursort für die Demokratie schaffen”, so erklärten Wolfgang Graf zu Castell-Castell und die Priorin und Vorstandsvorsitzende der Communität Casteller Ring e.V. im Evangelischen Kloster Schwanberg, Sr. Ursula Teresa Buske, ihre Gründungsinitiative für die neue Dependance des Freundeskreises der Evangelischen Akademie Tutzing. Der Gründungsabend am 7. Mai 2025 wurde diesem Anspruch gerecht. In allen Redebeiträgen des Abends wurde die Bedeutung von freiem Diskurs und die Verantwortung der Bürgergesellschaft wie auch die der Kirche für die Gestaltung eines demokratischen Deutschlands deutlich.
Der Vortrag von Prof. Dr. Heribert Prantl, Publizist, Autor und langjähriges Mitglied des Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung, vermittelte bereits im Titel seine Botschaft: “Demokratie lernen, schützen, leben – immer und immer wieder. Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf”. Prantls immer wieder von Applaus unterbrochenen Ausführungen enthielten viele Formulierungen, die als Merksätze in Erinnerung bleiben. Etwa: “Wahltage sind Geburtstage der Demokratie, aber wir haben keine Geburtstagsdemokratie.” Will heißen, die Menschen müssen sich engagieren. Sie dürfen die Demokratie nicht denen ausliefern, die sie beseitigen wollen. Die tägliche Prüffrage laute daher: In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Prantls Antwort war eindeutig, wenn er von ihren Werten sprach – zuallererst von der Menschenwürde, von Sozialstaat und Zivilgesellschaft. Noch ein Merksatz: “Behandeln wir Flüchtlinge so, wie wir selbst behandelt werden wollen, wenn wir Flüchtlinge wären.”
Wer die Werte der Demokratie verächtlich macht, stärkt nicht den Zusammenhalt. Eine Partei, die die Menschenwürde ethnisch definiere und Feindschaft säe, sei keine demokratische Partei. Im Blick auf die AfD spricht Prantl von “rassistischer Unverfrorenheit” und “hetzerischer Rede”. Und davon, dass es Zeit sei für Verbotsanträge. Dabei gehe es nicht nur um Artikel 21 Absatz 2 im Grundgesetz (GG), wonach Parteien verfassungswidrig sind, “die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden”. Sondern es gehe auch um Artikel 18 Grundgesetz: “Wer die Freiheit der Meinungsäußerung (…) zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht, verwirkt diese Grundrechte”.
Prantl würdigte in seinem Vortrag auch die Idee des Freundeskreises als “notwendige Gegenbewegung gegen alle, die denken, die Zukunft stehe schon fest”. Diese sei nicht festgelegt. Hoffnung lasse die Welt nicht zum Teufel gehen. Die Evangelische Akademie Tutzing und ihr Freundeskreis seien “wichtige Wirkfaktoren in der Zivilgesellschaft”.
Genau deshalb sei der Gründungstag der neuen Freundeskreis-Dependance ein guter Tag, so die Vorsitzende des Freundeskreises, Brigitte Grande, in ihrem Grußwort: Mit dem regionalen Freundeskreis Main Steigerwald gäbe es ab sofort einen weiteren Ort, an dem die Bildungsidee der Evangelischen Akademie Tutzing gelebt würde, wo gesellschaftliche Debatten stattfänden und die Regeln einer demokratischen Streitkultur verteidigt würden, wo Orientierung vermittelt und Menschen ermutigt würden sich einzubringen. “Vom Mitmachen, vom Sich- einmischen und davon, dass wir uns verantwortlich fühlen, davon lebt die Demokratie.”
Sie brauche, bekräftige der Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing, Udo Hahn, “Orte, an denen die unterschiedlichen Kräfte der Zivil- und Bürgergesellschaft zum freien Diskurs zusammenkommen können.” Deshalb wurden nach dem Zweiten Weltkrieg die Evangelischen Akademien gegründet: “Der Protestantismus trägt nach seinem Versagen im Nationalsozialismus eine besondere Verantwortung für die Gestaltung eines demokratischen Deutschlands. Zentrale Aufgabe der Evangelischen Akademien ist es, dauerhaft und nachhaltig zur Demokratisierung unserer Gesellschaft beizutragen, die Zivilgesellschaf zu stärken und für die Achtung der Menschenwürde einzutreten.”
Die anschließende Diskussion wurde moderiert von der Kitzinger Dekanin Kerstin Baderschneider. Unter den Mitdiskutierenden war mit zahlreichen Schülerinnen und Schülern auch die junge, nachwachsende Generation vertreten, die sich in die Debatte mit Fragen und Kommentaren einbrachte. Der Gründungsabend des regionalen Freundeskreises Main Steigerwald, der am Vorabend des Endes des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren stattfand, löste damit ein, was Heribert Prantl gleich zu Beginn seines Vortags gefordert hatte: Man dürfe diesen 8. Mai nicht als historischen Tag verstehen. Befreiung – von Neonazismus, Rassismus, Antisemitismus – müsse in der Gegenwart geschehen. Dass die Stärkung der liberalen Demokratie gegenwärtig durchaus eine Aufgabe von Kirche und Gesellschaft sei – darin waren sich die Gründungsinitiatoren Wolfgang Graf zu Castell-Castell und Priorin Ursula Buske mit Dekanin Kerstin Baderschneider einig. Und dass Priorin Buske zum Abschluss des Abends die Deutschlandhymne anstimmte, bot dem Publikum die Gelegenheit, diese Auffassung singend zu bekräftigen. All das in der St. Michaelskirche – laut Heribert Prantl “einem Ort, an dem der Himmel offen ist”.
Gerda Baumann
Bild: Kloster Schwanberg im Frühling. Der Ort hat eine Demokratietradition. Im Jahre 1849 legten mehrere tausend Menschen aus Franken hier einen feierlichen Eid auf die Paulskirchenverfassung ab. Mehr dazu in diesem Text (Foto: dgr/eat archiv)