Spuren des Widerstands in Bayern

MEINE IN DER LETZTEN ZEIT DOCH STARK AUF DEM WELTLICHEN SEKTOR LIEGENDE TÄTIGKEIT GIBT IMMER WIEDER ZU DENKEN
(Bonhoeffer an Bethge am 25. Juni 1942)

Dietrich Bonhoeffer, der seit 1940 auch in Bayern lebte und wirkte, wurde vor 70 Jahren im KZ Flossenbürg ermordet. Sein Leben zwischen Konspiration und Bekennender Kirche fordert auf zu Begegnung und Auseinandersetzung. Was heißt christliche Existenz – damals und heute? Studienleiterin Ulrike Haerendel ging in einer Tagung dieser Frage nach. Nachfolgend ein kurzer Kommentar von ihr:

Von Dietrich Bonhoeffer ist bekannt, dass er vor 70 Jahren im KZ Flossenbürg ermordet wurde. Dass er in den Kriegsjahren offiziell seinen Wohnsitz in München hatte und für einige Monate im Kloster Ettal lebte, ist dagegen vielen nicht präsent. Seinen Spuren in Bayern nachzugehen, war das Anliegen einer Tagung, die am vergangenen Wochenende in Tutzing stattfand und eine Exkursion nach Kloster Ettal einschloss. Vor 75 Jahren meldete sich Bonhoeffer beim Amt für Abwehr in München als V-Mann – eine Tätigkeit, die ihm sowohl Konspiration für den militärischen Widerstandskreis um Wilhelm Canaris und Hans Oster erlaubte als auch vor dem von ihm abgelehnten Kriegsdienst bewahrte. Sein Schwager Hans von Dohnanyi hatte das eingefädelt und mitbewirkt, dass Dietrich Bonhoeffer den Schritt in den aktiven Widerstand wagte. Beide bezahlten am 9. April 1945 dafür mit dem Leben.

Bei der Tagung, an der auch Nachfahren aus den Familien Bonhoeffer, v. Dohnanyi, v. Moltke und Niemöller teilnahmen, wurde deutlich, wie sehr die familiären Netze den Widerstand gegen Hitler mittrugen. Man half und deckte sich gegenseitig und war geeint in der von christlichen Grundüberzeugungen getragenen Opposition gegen die menschenverachtende Ideologie und Praxis des Regimes. Eindrucksvoll berichteten etwa Karl Bonhoeffer (Neffe von Dietrich Bonhoeffer) und Christine Koenigs (Großnichte der Tante von Dietrich Bonhoeffer, bei der er in München Wohnsitz genommen hatte) aus ihren Erinnerungen an Kindheit und familiäre Überlieferungen. Obwohl verwandt, begegneten sie einander zum ersten Mal bei dieser Tagung, zu der sie Mitveranstalter Pfarrer Dr. Björn Mensing von der Versöhnungskirche Dachau eingeladen hatte. Die Teilnehmenden profitierten von solchen Berichten und den theologischen Referaten bei der Tagung, die sich der Biografie ebenso wie dem Werk und vor allem der praktischen Theologie Bonhoeffers widmeten. Sie erschließt sich aus seinen vielen Briefen an den Freund und Mitverschwörer Eberhard Bethge, in denen er deutlich machte, dass er den durch Jesus Christus vermenschlichten Gott in der „Diesseitigkeit“ des Lebens suchte.

Die Monate in der Abgeschiedenheit von Kloster Ettal, die er im Winter 1940/41 erlebte, waren für Besinnung und theologische Arbeit wichtig und erlaubten Bonhoeffer auch manch konspiratives Treffen, wie der ehemalige Regionalbischof von München und Oberbayern Dr. Martin Bogdahn erläuterte. Aber dieser Rückzug konnte im Leben dieses rührigen Pastors, dieses Aktiven und Helfenden, nur Episode bleiben. Erst seine Verhaftung im April 1943 zwang ihn endgültig in die Isolation der Gefängnishaft, aus der uns seine Briefe an die Verlobte Maria von Wedemeyer und Gedichte erhalten sind, so auch das von vielen so tröstlich empfundene vertonte Gedicht (Ende 1944):

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
Erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
Und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Im Foyer: Tagungsleiterin Dr. Ulrike Haerendel (re.) begrüßte den Neffen Dietrich Bonhoeffers, Prof. Dr. Karl Bonhoeffer, und Christine Koenigs, Großnichte der Tante von Dietrich Bonhoeffer.
(Foto: Schwanebeck)

Mitveranstalter Pfarrer Dr. Björn Mensing (li.) von der Versöhnungskirche Dachau im Gespräch mit Prof. Dr. Karl Bonhoeffer.
(Foto: Schwanebeck)

Prof. Dr. Renate Wind, emer. Professorin für Bibl. Theologie und Kirchengeschichte an der Evangelischen Hochschule Nürnberg, las aus “Dietrich Bonhoeffer und Maria von Wedemeyer. Die Geschichte einer Sehnsucht in Texten und Tönen.”
(Foto: Schwanebeck)