Der Engel, der den Brand löscht
Das Löschwasser des Feuerwehr-Engels der Künstlerin Caro Scharrer ist besonders stark: eine Bildmeditation von Akademiedirektor Udo Hahn.
„Da braut sich was zusammen!“ Längst geht es bei solch einem Ausspruch nicht nur und zu zuallererst um eine Wetterprognose. Vielmehr handelt es sich immer öfter um einen Kommentar zum Weltgeschehen und zu den Entwicklungen und Ereignissen, die einem im eigenen Leben Sorgen bereiten, Schlimmes und manchmal das Schlimmste befürchten lassen.
Tatsächlich taugt der Begriff Krise nicht mehr, um die Schrecknisse von Terror, Krieg, Vertreibung, Hunger und Naturkatastrophen zu beschreiben, geschweige denn einzuordnen. Die Welt scheint aus den Fugen geraten. Zeitenwenden werden, gar Epochenbrüche werden beinahe täglich ausgerufen. Längst hat sich viel zusammengebraut. Eine geradezu toxische Mischung und hochexplosiv!
Die Künstlerin Caro Scharrer sieht die Bedrohung wie eine Bombe durch die Luft fliegen, kurz vor der Explosion. Ihr Vernichtungspotenzial ist erheblich: Populismus, Selbstverliebtheit, Egoismus, Größenwahn, Intrigen, Fakenews, Antisemitismus, Rassismus, Provokation, Aggressionen, Zorn, Wut, Zerstörung, Unzufriedenheit, Verleugnung, Verschwörung, Beleidigung, Korruption, Vertrauensmissbrauch, Gerüchte, Selbstdarstellung, Lügen, Rechtsextremismus, Arroganz.
Die Bedrohung ist maximal und die Liste der Gefährdungen menschlichen Lebens und Zusammenlebens keineswegs vollständig. Hinzu kommt: Es scheint, die Zündschnur brennt bereits. Autokraten und Diktatoren, „spielen“ ja ständig mit dem Feuer. Und auch im persönlichen und beruflichen Umfeld gibt es Menschen, die ihre Zerstörungswut ungeniert und ungehindert ausleben (können).
Und jetzt? Es ist eine bei Menschen tief sitzende Hoffnung, dass Gott einen Engel schickt. Die Bibel erzählt viele Geschichten, in denen ein Engel eine ermutigende Botschaft für Besorgte, Verängstigte, Verstörte, Leidtragende, Orientierungslose bereithält. „Käme kein Engel mehr, dann ginge die Welt unter. Solange Gott die Erde trägt, schickt er einen Engel, beschreibt der evangelische Theologe Claus Westermann seine Glaubensgewissheit.
Die Nähe Gottes durch Engel im eigenen Leben aufzuspüren und ihre Spuren sichtbar zu machen, das zeigen die zahlreichen Engel-Motive von Caro Scharrer. In ihrem jüngsten Motiv kommt ein Feuerwehr-Engel zum Einsatz. Und sein Löschwasser ist besonders stark. Den Bedrohungen des Lebens setzt er entgegen: Altruismus, Respekt, Wertschätzung, Vertrauen, Dialog, Diskurs, Konsens, Kommunikation, Friedfertigkeit, Treue, Wahrheit, Aufrichtigkeit, Toleranz, Freiheit, Ehrlichkeit, Pazifismus, Nächstenliebe, Gewaltlosigkeit, Behutsamkeit, Information, Bildung, Zufriedenheit, Zusammenhalt, Freundlichkeit – und Liebe. Die Kraft dieses Löschwassers erscheint bestens geeignet, jeglichen Brand zu löschen.
Es bräuchte wohl Heerscharen von Feuerwehr-Engeln, um die Multi,- Poly-, Pluri-Brandherde dieser Welt und im eigenen Leben zu bekämpfen. Zu den Erfahrungen gehört aber auch, dass ein Mensch für einen anderen zum Engel werden kann. Und letztlich – um im Bild zu bleiben – jeder und jede alleine oder zusammen mit anderen eine Löschaktion initiieren und durchführen kann. Gerade weil die eigenen Möglichkeiten begrenzt sind, ist Dietrich Bonhoeffers Botschaft entlastend und ermutigend zugleich, die er in der Diktatur des Nationalsozialismus 1944 im Gefängnis formulierte: „Beten, Tun des Gerechten und warten auf Gottes Zeit.“
Udo Hahn
Der Band “Himmlische Boten – Engelworte vom Schlossbalkon”, mit Illustrationen von Caro Scharrer (120 Seiten, 18 Euro) ist in der Edition Chrismon erschienen. Er ist in jeder Buchhandlung bzw. über den Verlag (www.chrismonshop.de) erhältlich.
Hinweis:
Unter dem Titel „Engel“ findet in der Evangelischen Akademie Tutzing vom 22. März bis zum 15. Mai 2026 eine Ausstellung mit Werken von Caro Scharrer statt.
Udo Hahn und die Künstlerin Caro Scharrer
(Foto: Haist / eat archiv)



