Kanzelrednerin Bentele kritisiert “Streichkonzert” bei Sozialleistungen
In der Münchner Erlöserkirche machte die Sportlerin und heutige Präsidentin des Sozialverbands VdK die Zusammenhänge zwischen Sozialpolitik und einer funktionierenden Wirtschaftspolitik deutlich und wies auf eine Schieflage in der Debatte um Sozialleistungen hin: “Arme Menschen dürfen nicht gegen noch ärmere Menschen aufgehetzt werden.”
Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, beobachtet laut eigener Aussage mit Entsetzen die Aushöhlung des Sozialstaats. Wichtige Errungenschaften würden einkassiert, um vermeintlich das Gerechtigkeitsgefühl der Bevölkerung zu bedienen, sagte sie in ihrer Kanzelrede der Evangelischen Akademie Tutzing am Sonntag, 26.10.2025, in der evangelischen Erlöserkirche in München-Schwabing.
Dabei sei ein zuverlässiger und starker Sozialstaat die beste Erfindung der deutschen Geschichte. “Wenn es um soziale Gerechtigkeit geht, erwacht schnell das Misstrauen, es könnten Menschen von sozialen Wohltaten profitieren, die das gar nicht verdient haben”, bedauerte Bentele, die auch Vorsitzende des VdK-Bayern ist. “De facto münden manche politischen Entscheidungen gerade darin, dass arme Menschen gegen noch ärmere Menschen aufgehetzt werden”, sagte sie etwa zur Debatte ums Bürgergeld. Dieses solle das Recht auf Teilhabe sicherstellen. “Schon jetzt ist mehr als fragwürdig, ob dafür die Höhe der Geldleistungen genügt.”
Das gesparte Geld werde aber nicht umverteilt, sagte Bentele. “Bestenfalls werden Löcher im Haushalt gestopft – und zwar nur die ganz kleinen Löcher. Richtig was zu holen gäbe es woanders.” Mindestens 100 Milliarden Euro mehr könnte der Staat in der Kasse haben, wenn Steuerbetrug wirksam bekämpft würde. Auch mit Blick auf die Barrierefreiheit würden in Bayern bisherige Errungenschaften zurückgefahren, etwa die Pflicht zum barrierefreien Bauen oder Fördertöpfe für den barrierefreien Umbau für pflegebedürftige Menschen.
Rund zwei Millionen Menschen in Bayern lebten mit einer Behinderung. “Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Ausgrenzungen erleben, ist hoch”, sagte Bentele. Je mehr Bevölkerungsgruppen aber ausgeschlossen und zurückgelassen würden, desto instabiler werde die Gesellschaft. “Das Gift des Misstrauens wirkt bereits: Wenn Alter mit Armut, Pflegebedürftigkeit mit Vernachlässigung und Einwanderung mit Kriminalität gleichgesetzt wird, kommt der gesamte Staat für viele auf den Prüfstand.” Enttäuschte Menschen seien offener für extremistische Positionen.
In seiner Begrüßungsrede betonte Udo Hahn, Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing, die Bedeutung von Denkräumen wie Akademien, “in denen sichtbar wird, was oft unsichtbar ist und überhört wird: die Perspektive von all jenen, die zu unser aller Wohlstand und Lebensqualität beitragen, selbst aber nicht davon profitieren.” Soziale Marktwirtschaft, Sozialpolitik und Wohlfahrtsstaat seien Bausteine des gesellschaftlichen Fundaments. Hahn forderte darüber hinaus eine Versachlichung der Debatte “auf der Grundlage des besonderen Eintretens für die Armen, das nicht zur Disposition stehen darf”.
Seit 1997 lädt die Evangelische Akademie Tutzing zusammen mit dem Freundeskreis der Akademie zwei Mal im Jahr zur Kanzelrede in die Münchner Erlöserkirche ein. Zu den Rednerinnen und Rednern gehören unter anderem Joachim Gauck, Christian Springer, Charlotte Knobloch, und Abt Johannes Eckert.
- Das Manuskript der Rede von Verena Bentele können Sie hier als PDF abrufen.
- Die Begrüßungsrede von Akademiedirektor Udo Hahn finden Sie hier.
Unter Verwendung von Material des Evangelischen Pressedienstes (epd)
Bild: Kanzelrednerin Verena Bentele am 26.10.2025 in der Münchner Erlöserkirche. (Foto: Evangelische Akademie Tutzing)



