„KUNST IST DAS, WAS WELT WIRD, NICHT WAS WELT IST.“
Karl Kraus, Pro domo et mundo
Da muss man erstmal drauf kommen: Da rammt einer neun Holzpfähle ins Ijsselmeer vor der holländischen Küste, auf denen dann 3.50 Meter über dem Wasser eine Pyramide schwebt. In einem Bereich wohnt der Künstler. Im zentralen Raum jedoch bearbeitet er einen Steinblock. Schließlich haut er ein Boot aus Stein – draußen, allein, nur per Boot erreichbar. Ist das nicht grotesk? Denn welche Idee hat den Künstler derart zum Philosophieren mit dem Hammer getrieben? Ob er selber es uns verrät? Ein Boot aus Stein? Gewöhnlich soll ein Boot doch schwimmen? Aber aus Fels geformt, schreit es ja nach seinem Untergang. Ja, seit den uralten Pyramiden und primitiven Einbaum-Booten bis zu Hightech-Schiffen und Wolkenkratzern sind in See stechen und Untergang Signaturen des Lebens. Immer jedoch herrscht zwischen Triumphfahrt und Schiffbruch, Aufbruch ins Neue und tödlicher Havarie schwere Arbeit. So arbeitet sich auch die Kunst an der Widerständigkeit der mächtigen wie mannigfaltigen Natur ab. Zugleich zeigt die Kunst mit dem Finger auf alle Wunden, die wir der Welt schlagen und womit wir von ihr geschlagen werden. Freilich ist das Leben nicht nur steinig und tief wie das Meer. Es ist auch schön, heiter, im besten Sinne oberflächlich – und wohltuend, wie Wasser den Leib zärtlich streichelt. Auch Hannsjörg Voth mit seiner Kunst und Ingrid Amslinger mit ihrer Fotografie bescheren uns die kreatürliche Vielfalt der Welt und die kreative Mannigfaltigkeit menschlichen Schaffens. Sie konfrontieren uns aber auch mit den extremen Gegensätzen und tödlichen Exzessen allen Seins: Wie wir staunen, wie wir erschrecken, immer wieder neu loslegen und enden. Wir laden Sie alle herzlich ein, eine wundersame Ausstellung in Kochel am See zu erleben und in Tutzing den Botschaften und Rätseln der Kunst wie der Natur im Gespräch näher zu kommen.
Pfr. Dr. Jochen Wagner
Evangelische Akademie Tutzing
Dr. Cathrin Klingsöhr-Leroy
Franz Marc Museum Kochel am See
