Jean Asselborns Festrede zum Jahresempfang 2019

Meine Damen und Herren, ich habe die unmittelbare Nachbarschaft der EU angesprochen. Erlauben Sie mir, zum Abschluss noch die Beziehungen der EU zu Russland sowie zu den Vereinigten Staaten kurz zu beleuchten.

Russland ist ein wichtiges europäisches Land, Mitglied des Europarates und der OSZE. Aber Russland muss die Regeln und das Völkerrecht respektieren. Die gezielten Sanktionen, die die EU als Reaktion auf die illegale Annexion der Krim durch Russland erlassen hat, bleiben bestehen. Dasselbe gilt für die Sanktionen, die ganze Wirtschaftszweige betreffen, solange Russland die Ostukraine destabilisiert. Es muss mehr getan werden, sowohl von russischer Seite als auch von ukrainischer Seite, um die Minsker Abkommen in der Tat auch umzusetzen. Wir sind dankbar für die Anstrengungen, die Deutschland zusammen mit Frankreich, diesbezüglich im „Normandie“-Format unternimmt.

Es ist offensichtlich: Russland verteidigt seine Interessen zunehmend aggressiv, nicht nur in der Ukraine, sondern auch im Nahen Osten, zum Beispiel in Syrien.

Russland ist eindeutig ein schwieriger Partner. Dennoch sollten wir uns bemühen, den Dialog mit Moskau aufrechtzuerhalten, sowohl bilateral als auch vonseiten der EU und der NATO. Dialog und Diplomatie sind gefragt. Nur auf Sanktionen zu setzen, wäre falsch. Die Sanktionen sind kein Selbstzweck. Sie zielen darauf ab, Russland zu einer anderen Herangehensweise zu führen und so die Bedingungen zu schaffen, um im gegenseitigen, auch wirtschaftlichen Interesse, zusammenzuarbeiten. Ich hoffe sehr, dass der Tag kommen wird, an dem diese Bedingungen erfüllt sind.

Für uns ist die transatlantische Partnerschaft eine der Grundfesten der Weltordnung, der Eckpfeiler unserer kollektiven Sicherheit. Nicht nur die vor 70 Jahren gegründete NATO bindet uns zusammen. Historisch gesehen stehen Europäer und Amerikaner für dieselben Werte ein. Und doch gibt es heuer Herausforderungen. Der jetzige Inhaber des Weißen Hauses hat die Karten neu gemischt und mit seiner Politik des „America First“ und der Infragestellung der auf multilateralen Lösungen basierenden Weltordnung, den Druck auf die EU, und die internationale Staatengemeinschaft schlechthin, enorm erhöht. Die Abkehr der jetzigen US-Administration vom Pariser Übereinkommen, vom UNO-Menschenrechtsrat, von der UNESCO, vom Nuklearabkommen mit dem Iran, um nur diese Beispiele zu nennen, ist äußerst besorgniserregend. Diese Regierung zeigt wenig Interesse daran, die multilateralen Regeln, die wir gemeinsam, in unser aller Interesse, seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs aufgebaut haben, zu verteidigen. Dazu kommt die Unberechenbarkeit der aktuellen US-Politik. Darunter riskiert das Vertrauen auf Dauer zu leiden.

Trotz dieser schwierigen Konjunktur müssen wir mehr denn je proaktiv den Dialog mit Amerika im Sinne der transatlantischen Partnerschaft. Es gibt noch viele besonnene Köpfe in Amerika die uns ermutigen den transatlantischen Bruch nicht hinzunehmen.

Meine Damen und Herren, ich will hier nicht den Teufel an die Wand malen. Aber ich mache mir durchaus Sorgen, wenn Großmächte wie die Vereinigten Staaten dem Multilateralismus zusehends den Rücken kehren oder, wie im Falle Russlands, die Regeln des internationalen Rechts verletzen, ohne Rücksicht auf Verluste.

Dass darüber hinaus Washington und Moskau immer mehr auseinanderdriften, kann nicht gut sein, weder für die Weltsicherheit, noch für die Sicherheit Europas. Deshalb ermutigen wir Europäer zum Beispiel, alle Anstrengungen, um das INF-Abkommen, die Vereinbarung von 1987 über die Abschaffung aller nuklear bestückbaren Mittelstreckenraketen, am Leben zu halten. Wir brauchen kein neues Wettrüsten auf unserem Kontinent!

Meine Damen und Herren, um in der angespannten Lage, die das Weltgeschehen heute prägt, als Faktor des Friedens und der Stabilität zu bestehen, muss die Europäische Union mehr denn je zusammenhalten. Da bin ich mit meinem deutschen Kollegen Heiko Maas ganz auf einer Wellenlänge. Wenn wir gespalten sind, so wie die EU das leider bei der Verabschiedung des UNO-Migrationspaktes war, können und werden wir nicht ernst genommen werden. Zeigen wir Einheit und Entschlossenheit, so wie wir das zum Beispiel bei der Verhandlung des Pariser Übereinkommens getan haben und jetzt bei der Umsetzung, um dem Klimawandel energisch entgegenzuwirken, kann die EU etwas bewegen in der Welt.

In unserer zunehmend fragilen Welt müssen wir zusammenstehen. Wir brauchen eine selbstbewusstere und verantwortungsvollere Europäische Union, die den Erwartungen ihrer Bürger wirklich gerecht wird.

Trotz dem schattierten Bild, welches ich versucht habe aufzuzeichnen, will ich doch optimistisch bleiben, dass sich die Notwendigkeit einer immer engeren Zusammenarbeit innerhalb der EU durchsetzt.

Die EU ist eine Erfolgsgeschichte, für die wir auch heute noch auf der ganzen Welt beneidet werden. Auf diesem Erfolg müssen wir aufbauen, um weiterhin zu Frieden und Demokratie in Europa und in der Welt beizutragen.

Vielen Dank.

Bild: Jean Asselborn während seiner Rede am 17.Januar 2019 in Tutzing. (Foto: Haist/eat archiv)

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