Ausführlicher Bericht zur Sommertagung des Politischen Clubs

Podiumsdiskussion mit Markus Blume, Heike Raab, Tabea Rößner: „Aufgaben der Politik zur Zukunftssicherung von Medienfreiheit, Medienvielfalt und demokratischer Kommunikationskultur“ (17.6.2018)

Nach Ansicht der rheinland-pfälzischen Medienstaatssekretärin Heike Raab (SPD), die die Medienpolitik der Bundesländer koordiniert, muss eine gute Medienpolitik Zugang gewährleisten, für Vielfalt sorgen, die Gefahr des Missbrauchs minimieren und die Unabhängigkeit der Medien wahren. Der nächste Rundfunkstaatsvertrag sei in Planung und solle auch die neuen Medien, insbesondere die Social-Media-Plattformen, berücksichtigen.

Raab blickt in ihrem Statement auf eine „spannende medienpolitische Woche“ zurück. Es sei darum gegangen, die Öffentlich-Rechtlichen und das duale Mediensystem „fit für die Zukunft“ zu machen. Die Reform des Telemedienauftrags entspreche diesem Ziel und sei ein guter Kompromiss.

Neben den Rechten für die Verlage bedeute das auch, dass ZDF und ARD die Möglichkeit haben müssen, ihren Bildungsauftrag digital zu erfüllen und damit freie Meinungsbildung zu ermöglichen und kulturelle Vielfalt sicherzustellen.

Mit dem überarbeiteten Telemedienauftrag wollen Politiker das duale System stärken. Die Präsenzen der Öffentlich-Rechtlichen im Netz dürften nicht „presseähnlich“ sein. Andererseits sei die Sieben-Tage-Regelung für die Mediatheken abgeschafft worden. Eigenständige Mediennutzungsangebote sollen erweitert werden. Die neue Regelung schaffe einen „Interessensausgleich“, der in den 22. Rundfunkstaatsvertrag eingehen soll. Perspektivisch soll der 23. Rundfunkstaatsvertrag ein „Medienstaatsvertrag“ werden. Ziel: Auffindbarkeit der Inhalte verbessern, Transparenz erhöhen, Nutzerfreundlichkeit stärken und Diskriminierungsfreiheit gewährleisten.

Die Arbeit am 23. Rundfunkstaatsvertrag sei eingebettet in eine Strukturdebatte. Die Anstalten der Länder seien aufgefordert, selbst Reformen zu erarbeiten (etwa SAP-Synchronisierung). Alle Länder sähen großen Handlungsbedarf. Der nächste Vertrag habe zum Ziel, die Fragmentierung aufzuheben und mehr zu abstrahieren. Es solle nicht mehr jeder einzelne Auftrag darin festhalten werden.

In seinem Statement zur Podiumsdiskussion regte CSU-Generalsekretär Markus Blume eine umfassende und starke Medienordnung an, die auch für die großen Plattformen gelten müsse. Diese Plattformen, wie etwa Facebook, gestalteten „hochgradig die Öffentlichkeit mit und müssen es sich deshalb gefallen lassen“, sagte er.

Momentan unterliege die Medien- und Öffentlichkeitslandschaft großen Veränderungen. Das Vielfalts-Versprechen des Internets war ein falsches, es bestehe die Gefahr von Meinungsmonopolen/Duopolen. „Die Annahme, dass Politik durch die Vielfalt der Informationen im Netz automatisch demokratischer wird, ist ein Trugschluss“. Rationalität und Objektivität drohen ein Stück weit in dieser neuen Medienwelt zu verschwinden.

Die Veränderungen im Einzelnen:
1. Die zerstörerische Kraft von (Falsch-) Nachrichten. Die zunehmende Emotionalisierung trage zur Verschiebung von Debatten bei. „Es ist immer auch das Gegenteil richtig.“
2. Manipulative Kraft der Algorithmen. Meinungspolarisierung statt Freiheitsversprechen.
3. Demokratisches Potenzial des Internets. Doch auch hier sei das Gegenteil möglich. Autoritäre Systeme machen sich das Netz zunutze, vgl. China.

Blume fordert: „Wir müssen aufmerksam sein!“ Und: Wir müssen sicherstellen, dass sich die digitale Disruption nicht in eine in eine politische Disruption überträgt.“

Forderungen im Einzelnen:
1. Statt Medienkompetenz brauche man zuallererst digitale Aufklärung. Digitale Aufklärung, die die Autonomie des Menschen gewährleistet.
2. Medienpolitik aus der Nische holen.
3. Wir brauchen eine starke Medienordnung, die für alle gilt. „Es kann keine regulierungsfreie Zonen geben. Es kann niemand zu groß sein, um reguliert zu werden.“
4. Wir müssen Vielfaltsicherung betreiben.
5. Wir brauchen ein Gebot für Transparenz. „Kein Mensch weiß, was die Algorithmen machen.“  Wirkweise müssen zumindest gegenüber Aussichtsbehörden offengelegt werden.“
6. Wir brauchen starke und qualitätsvolle Medien. Sie sollen die Balance halten zwischen öffentlich-rechtlichem und dualem System. Die Öffentlich/Rechtlichen sollten ihren Kernauftrag sichern, der bestehe nicht in Spartenprogrammen, sondern gestalte sich in der Integrationsaufgabe der Vollprogramme aus. Private Anbieter müssen sich ebenfalls behaupten können, hier müsse man regulatorisch abrüsten.

Nach Überzeugung von Tabea Rößner, Sprecherin für Netzpolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, nimmt die Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Sender in Zukunft zu. Angesichts der Informationsflut und vieler Falschmeldungen im Internet falle es dem Nutzer immer schwerer, relevante Inhalte herauszufiltern. Die Öffentlich-Rechtlichen böten hingegen mit ihrem ausgewogenen Qualitätsjournalismus die Grundlage für den öffentlichen Diskurs.

Rößner kritisiert das mediale Geschehen der Woche zuvor. Sie zeigt sich „beschämt“ von einem unverpixelten Bild der ermordeten Susanna. Fälle wie diese diskreditierten den Qualitätsjournalismus (und die Menschenwürde).

Zur Titanic-Ente: Verschiebung des öffentlichen Diskurses – Begriff der Lügenpresse kam ehemals aus rechtspopulistischer Ecke. Heutzutage wird der Vorwurf in der Mitte der Gesellschaft laut, vgl. „Staatsfunk“.

Ihre Thesen:

  1. Mediennutzung findet in Zukunft online statt! Angesichts der Angebotsfülle im Internet brauche die Medienbranche neue Geschäftsmodelle, was Zeitungsverlage in den letzten Jahren verpasst haben
  2. Trotz des Internets und seiner vielfältigen Angebote sinkt die Meinungsvielfalt. Der User fragt sich: Werde ich gehört/gefunden? Aufgabe der Auffindung werde dem Individuum überlassen – sehr schwer angesichts der Informationsflut. Suchmaschinen bestimmen, was gefunden wird. Es bilden sich fragmentierte Öffentlichkeiten. Echokammern/Filterblasen sind Nährboden für Fake-News.
  3. Menschen sind zwar informiert, aber nur oberflächlich.
  4. Manipulation gefährdet demokratische Meinungsbildung. Dadurch wächst die Verunsicherung in der Bevölkerung (Vertrauen/Glaubwürdigkeit).
  5. Journalismus muss sich verändern! Medien müssen realisieren, dass sie nicht länger die Deutungshoheit haben.

Es handelt sich weniger um eine Glaubwürdigkeitskrise, sondern um eigene Strukturkrise, die Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit hat.
Forderungen:
– „Wir müssen die Fragmentierung der Öffentlichkeit überwinden.“
– „Wir müssen die Medienaufsicht stärken.“
– „Wir müssen den Journalismus stärken.“ Journalismus muss finanzierbar sein. Rahmenbedingungen anpassen, Geschäftsmodelle entwickeln, Förderinstrumente wie unabhängige Stiftungen zum Beispiel.
– „Die Öffentlich-Rechtlichen sind wichtiger denn je!“ Man müsse eine breite Öffentlichkeit herstellen.

Rößner sieht den Kompromiss mit den Zeitungsverlagen eher als Rückschritt. Die Reform des Telemedienauftrags hielte an analogen Begrifflichkeiten fest, die nichts mit der digitalen Welt zu tun hätten. „Die Öffentlich-Rechtlichen müssen sich weiter im Netz entwickeln dürfen um gegen Desinformation und Hetze angehen zu können.“

Medienbildung solle zentral stattfinden, in allen Altersgruppen und Lebensbereichen. Rößner fordert eine Debatte darüber, was die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten in Zukunft leisten sollen. Die Baustellen in der Medienpolitik seien groß. Die Digitalisierung löse Grenzen auf, das stehe im Widerspruch zu den Kompetenzen der Bundesländer.

 

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