Zum Tod von Hildegard Hamm-Brücher

Hildegard Hamm-Brücher gehörte zum Urgestein der Evangelischen Akademie Tutzing. Seit den Anfängen der Akademiearbeit vor nunmehr fast 70 Jahren war sie ein oft gesehener und geschätzter Gast im Schloss Tutzing am Starnberger See. Jetzt ist die Grande Dame der deutschen Politik im Alter von 95 Jahren in ihrer Münchner Wohnung gestorben.

Hamm-Brüchers Leidenschaft galt der Politik, dem argumentativen Streiten, dem Diskurs. So wundert es nicht, dass die promovierte Chemikerin auf den Tagungen des Politischen Clubs immer wieder das Wort ergriff als „leidenschaftliche Demokratin, liberale Streiterin, Kämpferin gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ wie es Bundesjustizministerin a.D. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger dereinst  formulierte. Unvergessen in der Akademiegeschichte bleibt Hamm-Brüchers großer Wurf, als es ihr im Oktober 1978 gelang, die „Big Four“ zu einem Gespräch über „Die Zukunft unserer Demokratie“ in den Musiksaal des Tutzinger Schlosses zu bitten. Und selbstverständlich waren die vier obersten Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland ihrer Bitte gefolgt. So mancher Tageszeitung war es eine Sonderseite wert und der ARD die Top-Meldung in der Tagesschau: „Bundesverfassungsgerichtspräsident Ernst Benda, Bundespräsident Walter Scheel, Bundeskanzler Helmut Schmidt und Bundestagspräsident Karl Carstens treffen sich in Tutzing. Es geht um die Zukunft unserer Demokratie.“

Beim „II. Internationalen Kolloquium zu Fragen der Abrüstung“, das im Jahr 1982 an der Akademie stattfand und von politischen Vertretern der europäischen Staaten sowie aus Amerika und Russland besucht wurde, vertrat die FDP-Politikerin die deutsche Bundesregierung.

Im Frühsommer 1985 war Hamm-Brücher zu Gast im Forum für Junge Erwachsene. Sie – eine Halbjüdin und von ihrem Doktorvater, dem Nobelpreisträger Heinrich Wieland, vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten geschützt – referierte in der Tutzinger Rotunde vor vielen jungen Leuten über die Konsequenzen, die in der Bundesrepublik Deutschland aus der schuldhaften Verstrickung in den Nationalsozialismus für den Aufbau eines freiheitlich-demokratischen Gemeinwesens gezogen wurden.

Auch 1990, als die Akademie sich mit der Entwicklung eines Konzeptes für die deutsche Einheit befasste, durfte die große Liberale im Kreis der Diskutanten nicht fehlen. Schließlich wurde die FDP-Politikerin im Rahmen der Tagung „Für Demokratie bürgen“ (25.-27.5.2001) mit dem „Tutzinger Löwen“ ausgezeichnet und damit für ihre Verdienste für die Akademiearbeit geehrt.

Die Evangelische Akademie Tutzing, ihr Direktor Udo Hahn sowie die gesamte Studienleiterschaft und alle Mitarbeitenden, werden Dr. Hildegard Hamm-Brücher stets ein ehrendes Andenken bewahren.

Axel Schwanebeck

Foto: Dr. Hildegard Hamm-Brücher wurde im Mai 2001 mit dem “Tutzinger Löwen” ausgezeichnet (c) EAT-Archiv

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