Wohin steuert die Grande Nation?

Als Emmanuel Macron im vergangenen Jahr seine Partei La Republique en Marche gründete und Francois Hollande als Präsident ablösen wollte, habe das kaum jemand ernstgenommen, blickte Barbara Kostolnik, ARD-Korrespondentin in Paris, zurück. „Frankreich wählte einen Unbekannten zum Präsidenten“, kommentierte Daniel Vernet, ehemaliger Chefredakteur der Tageszeitung Le Monde, den überraschenden Wahlausgang in diesem Jahr. Macron war in der Stichwahl mit 66 Prozent der klare Sieger – und bei den anschließenden Parlamentswahlen holte seine Partei die absolute Mehrheit. Und jetzt? In der vollbesetzten Rotunde der Evangelischen Akademie Tutzing zogen die beiden Journalisten am 17. Oktober eine Zwischenbilanz unter der Frage „Wohin steuert die Grande Nation?“.

Nach Vernets Einschätzung hatte Macron erkannt, dass die Republikaner und die Sozialisten, die bislang stets den Präsidenten stellten, sich in einer tiefen Krise befanden und nach wie vor befinden. „Er hatte den Mut und auch das Glück.“ Die Euphorie sei inzwischen der Skepsis gewichen, meine Barbara Kostolnik, die seit Herbst 2014 in Paris lebt. Der gefeierte Hoffnungsträger gelte inzwischen als arrogant und unnahbar. Auch kommuniziere er anders als sein Vorgänger. Von Hollande habe praktisch jeder Journalist die Mobilnummer gehabt, während Macron erst vor kurzem sein erstes TV-Interview gegeben habe und seine Strategie ändere.

Was Macron vorhat, dazu hatte zu Beginn der von Akademiedirektor Udo Hahn moderierten Veranstaltung, Frankreichs neuer Generalkonsul in München, Pierre Lanapats, in einem Grußwort Stellung genommen. Demnach gehe es um eine „grundsätzliche Erneuerung“ des Landes. Neben umfassenden Reformen ziele Macron aber auch auf eine Neugründung Europas. Deutschland und Frankreich seien hier Europa Impulsgeber, sie verbinde eine „vertrauensvolle Zusammenarbeit“. Aus der Sicht von Barbara Kostolnik ergänzen sich Frankreichs Staatspräsident und die Bundeskanzlerin. Emmanuel Macron und Angela Merkel wüssten, dass sie auf europäischer Ebene nur gemeinsam Erfolg haben könnten. Daniel Vernet merkte an, dass Macron mit Europa Politik gemacht habe – obwohl die Mehrheit der Franzosen ihm hier womöglich gar nicht folge.

Barbara Kostolnik hält Frankreich für reformfähig. Macron habe verstanden, dass er sich nicht wie seine Vorgänger Zeit lassen dürfe. Gleichwohl brauche er eineinhalb bis zwei Jahre, wie er dies selbst formuliert habe. Daniel Vernet hob hervor, dass der neue Staatspräsident „nichts zu verlieren“ habe. Dass die Wirtschaft derzeit auch in Frankreich wachse, komme ihm entgegen. Dass sich sein Land der Globalisierung öffnen müsse, darin liege für Macron wohl die größte Herausforderung.

Auf die Frage, welche Rolle die französische Zivilgesellschaft spiele, antwortete Barbara Kostolnik mit dem Hinweis, dass Macrons Partei keine Berufspolitiker umfasse, sondern viele Mitglieder und Akteure aus der Zivilgesellschaft kämen. In dem von Laizität geprägten Land spielten die Kirchen keine große Rolle. Sie mischten sich zwar immer wieder ein, doch sei ihre Kraft geringer als die der Kirchen in Deutschland.

Zum Abschluss der zweistündigen Debatte gab es noch eine prickelnde Überraschung: Das Champagnerhaus Husson-Thieffenat präsentierte sich in den Salons des Schlosses. Gerne erhoben die Gäste das Glas auf die deutsch-französische Freundschaft!

Expertendiskurs: Daniel Vernet, ehemal. Chefredakteur von Le Monde, und ARD-Korrespondentin Barbara Kostolnik.

Moderierte die zweistündige Debatte: Akademiedirektor Udo Hahn (r.)

Hat erst vor kurzem seine Arbeit als Generalkonsul Frankreis in München aufgenommen: Pierre Lanapats (l.) mit Akademiedirektor Udo Hahn.

Damien und Ingrid Thieffenat – hier mit Generalkonsul Pierre Lanapats (m.) – präsentierten den Champagner Husson-Thieffenat.