Deutsche und Polen – fremde Freunde?

Er gilt als Meilenstein in den Beziehungen zwischen Deutschen und Polen nach dem Zweiten Weltkrieg: “Der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit” – kurz: der Deutsch-Polnische Nachbarschaftsvertrag. Er wurde Ende 1991 ratifiziert und trat zum 16. Januar 1992 in Kraft.

Die meisten der im Nachbarschaftsvertrag festgeschriebenen Ziele wurden erreicht: gegenseitige Annäherung, enge wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit, die polnische Mitgliedschaft in der EU. Viele Experten betrachten den Vertrag deshalb inzwischen als ein Denkmal der Rechtsgeschichte und ermuntern zu einem neuen, kühnen Blick nach vorne.

Welche künftigen Perspektiven sich heute, 25 Jahre später, im Lichte der kulturpolitischen und philosophischen Traditionen für beide Länder eröffnen, erörterte Akademiedirektor Udo Hahn in einer Podiumsdiskussion, an der der Philosoph und Publizist Prof. Dr. Marek Aleksander Cichocki sowie der Historiker Prof. Dr. Martin Schulze-Wessel beteiligt waren. Das Grußwort sprach Andrzej Osiak, Generalkonsul der Republik Polen in München.

Nachfolgend einige Eindrücke:

Foto oben rechts: Akademiedirektor Udo Hahn, Generalkonsul Andrzej Osiak, Prof. Dr. Marek Aleksander Cichocki sowie Prof. Dr. Martin Schulze-Wessel (v.l.); Foto: Schwanebeck

In seinem Grußwort lobte Generalkonsul Andrzej Osiak die deutsch-polnischen Beziehungen: “Das 25-jährige Bestehen dieses Vertrages bietet die Gelegenheit, Bilanz zu ziehen. Offensichtlich haben sich die Hoffnungen erfüllt. Davon zeugen rund 2,7 Millionen Jugendliche, die seit 1991 an Austauschprojekten teilnahmen, sowie über 1.000 Partnerschaften zwischen Städten und Gemeinden und auch ein jährliches Handelsvolumen von 100 Mrd. Euro zwischen unseren beiden Ländern.”

Foto: Schwanebeck

Professor Marek Aleksander Cichocki (li.) bekundete, dass wir “immer im Schatten des 20. Jahrhunderts stehen” und an das Leid im Zweiten Weltkrieg erinnert werden. Aber – so schlug er vor – wir sollten unseren Blick tiefer in unsere gemeinsame Vergangenheit richten. Die 1000-jährige deutsch-polnische Nachbarschaft stelle eines der wechselvollsten Kapitel der europäischen Geschichte dar. Oft verkürzt erzählt als eine Geschichte von Kriegen, Teilungen und Besatzungen, “war sie doch die meiste Zeit friedlich”, so der Philosoph.

Foto: Schwanebeck

Auch Professor Martin Schulze-Wessel empfahl, über das 20. Jahrhundert hinauszuschauen, “damit wir uns neue Reflexionsräume erschließen können.” Er erinnerte an den deutsch-polnischen Grundlagenvertrag von 1970, in dem beide Länder sich ihre Landesgrenzen zusicherten. Am Tage der Unterzeichnung kniete Willy Brandt vor dem Denkmal der Helden des Ghettos nieder. Diese Geste ging als “Kniefall von Warschau” in die Geschichte ein. Wichtig sei 1980 auch die Solidarnosc-Bewegung gewesen, die an der politischen Wende in Deutschland 1989 entscheidend mitgewirkt hatte.

Foto: Schwanebeck

Im Musiksaal: Auf Interesse stieß auch die Ausstellung “Polen und Deutsche. Geschichte eines Dialogs”, die vom Museum der Geschichte Polens realisiert wurde.

Die Ausstellung veranschaulicht die Besonderheit des polnisch-deutschen Dialogs, das dichte Netz zwischenmenschlicher, kultureller und wirtschaftlicher Kontakte, sie spricht aber auch die Themen der beiderseitigen Zusammenarbeit an, bei denen nach wie vor Dialogbedarf besteht.

Foto: Schwanebeck

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